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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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zerknickte den alten Vater, kurz darauf starb er gebrochenen Herzens. Der Klerus
bemühte sich, diesen Sterbefall für ein Wunderwerk der strafenden Gottheit zu
erklären, und die Gottheit mußte sich solche Blasphemie gefallen lasse". Sme-
tana's Schwester, seit Monaten schou dem hektischen Fieber verfallen, brach eben¬
falls zusammen und ging hinüber; auch dieser Tod sollte ein Zeichen göttlicher
Rache sein, so meinten die Patres, welche sich ihren Gott als racheschnaubendes
Wesen denken, das den Einen mordet, um den Andern zu strafen.

Smetana's Seelenleiden beschleunigte die Entwicklung seiner Krankheit sicht¬
lich; seine Freunde wünschten ihn von hier zu entfernen, und in andern minder
bedrängten Verhältnissen Erholung, Seelenruhe, vielleicht Genesung finden zu
lassen. Es gelang, ihm zu Altona lohnendes Unterkommen in einem Familienkreise
zu sichern, dessen hohe Achtbarkeit ganz Mona anerkennt, und dessen Andenken
in Smetaua's Familie und Freunden fortleben und den Schmerz um den Dahin¬
geschiedenen mildern wird.

Doch uicht lauge sollte Smetana seines schönen Asyles genießen; das hel¬
dische Fieber ergriff auch ihn und verzehrte ihn, die Sehnsucht uach seiner alten
Mutter ward unwiderstehlich. Seiner Seele die Ruhe zu geben, wurde er sorg¬
lich wieder uach Prag gebracht, im Kreise der seinen zu sterben. Aber man
wollte ihn die Nuhe in seinen letzten Tagen nicht genießen lassen, noch hatte er, so
meinte der Clerus, nicht genng geduldet, er sollte als Werkzeug zur Verherrlichung der
sieghaften katholischen Kirche verwendet, er sollte um jeden Preis bekehrt werden.
Obwohl die katholische Kirche ihn feierlich excommunicirt und sich von ihm los¬
gesagt hatte, wollte sie ihn, den Sterbenden, doch um jeden Preis wieder haben.
Auf Anstiften des Klerus wurde zunächst ein Arzt, dann ein alter Advocat zur
Familie gesendet, um einen schriftlichen Widerruf des Kranken zu erlangen; man
drohte mit der Volkswuth, mit möglicher Verstümmelung des Leichnams,
doch man drohte vergebens. Darauf machte der Pfarrrer jener Heinrichskirche
neue Versuche, an den Kranken vorzudringen und ihn ans echt p fässische Weise zur
Bekehrung einzuladen. Der arme, dem Tode nahe gebrachte Kranke setzte diesen
Versuchen den Stoicismus seiner Ueberzeugung entgegen, und der Pfarrer sah
sich daraus beschränkt, deu Unmuth über seinen Rückzug an dem weiblichen Theile
von Smetana's Familie in gemeinen Vorwürfen auszulassen.

Damit die Kirche dennoch ihre Triumphe feiere, machte der Cardinalerzbischof
sich selbst auf den Weg zu dem Sterbende" und drang zu ihm ein, die Bitten
der Verwandten nicht achtend. Doch war er nur gekommen, um von dem indig-
uirten Kranken die Ablehnung fernerer Ostentatiouen zu vernehmen, und auf die
Inhumanität, mit welcher man den Excommnnicationsact vollzogen, hingewiesen zu
werden. Auch der Kirchenfürst ließ seinen Mißmuth der Familie ziemlich barsch
entgelten, verhieß aber einen zweiten Besuch für die nächsten Tage. Er
hielt Wort und kam wieder, um Smetana neuerdings zu peinigen, und, wie


Grenzboten. I. 1851. 30

zerknickte den alten Vater, kurz darauf starb er gebrochenen Herzens. Der Klerus
bemühte sich, diesen Sterbefall für ein Wunderwerk der strafenden Gottheit zu
erklären, und die Gottheit mußte sich solche Blasphemie gefallen lasse». Sme-
tana's Schwester, seit Monaten schou dem hektischen Fieber verfallen, brach eben¬
falls zusammen und ging hinüber; auch dieser Tod sollte ein Zeichen göttlicher
Rache sein, so meinten die Patres, welche sich ihren Gott als racheschnaubendes
Wesen denken, das den Einen mordet, um den Andern zu strafen.

Smetana's Seelenleiden beschleunigte die Entwicklung seiner Krankheit sicht¬
lich; seine Freunde wünschten ihn von hier zu entfernen, und in andern minder
bedrängten Verhältnissen Erholung, Seelenruhe, vielleicht Genesung finden zu
lassen. Es gelang, ihm zu Altona lohnendes Unterkommen in einem Familienkreise
zu sichern, dessen hohe Achtbarkeit ganz Mona anerkennt, und dessen Andenken
in Smetaua's Familie und Freunden fortleben und den Schmerz um den Dahin¬
geschiedenen mildern wird.

Doch uicht lauge sollte Smetana seines schönen Asyles genießen; das hel¬
dische Fieber ergriff auch ihn und verzehrte ihn, die Sehnsucht uach seiner alten
Mutter ward unwiderstehlich. Seiner Seele die Ruhe zu geben, wurde er sorg¬
lich wieder uach Prag gebracht, im Kreise der seinen zu sterben. Aber man
wollte ihn die Nuhe in seinen letzten Tagen nicht genießen lassen, noch hatte er, so
meinte der Clerus, nicht genng geduldet, er sollte als Werkzeug zur Verherrlichung der
sieghaften katholischen Kirche verwendet, er sollte um jeden Preis bekehrt werden.
Obwohl die katholische Kirche ihn feierlich excommunicirt und sich von ihm los¬
gesagt hatte, wollte sie ihn, den Sterbenden, doch um jeden Preis wieder haben.
Auf Anstiften des Klerus wurde zunächst ein Arzt, dann ein alter Advocat zur
Familie gesendet, um einen schriftlichen Widerruf des Kranken zu erlangen; man
drohte mit der Volkswuth, mit möglicher Verstümmelung des Leichnams,
doch man drohte vergebens. Darauf machte der Pfarrrer jener Heinrichskirche
neue Versuche, an den Kranken vorzudringen und ihn ans echt p fässische Weise zur
Bekehrung einzuladen. Der arme, dem Tode nahe gebrachte Kranke setzte diesen
Versuchen den Stoicismus seiner Ueberzeugung entgegen, und der Pfarrer sah
sich daraus beschränkt, deu Unmuth über seinen Rückzug an dem weiblichen Theile
von Smetana's Familie in gemeinen Vorwürfen auszulassen.

Damit die Kirche dennoch ihre Triumphe feiere, machte der Cardinalerzbischof
sich selbst auf den Weg zu dem Sterbende» und drang zu ihm ein, die Bitten
der Verwandten nicht achtend. Doch war er nur gekommen, um von dem indig-
uirten Kranken die Ablehnung fernerer Ostentatiouen zu vernehmen, und auf die
Inhumanität, mit welcher man den Excommnnicationsact vollzogen, hingewiesen zu
werden. Auch der Kirchenfürst ließ seinen Mißmuth der Familie ziemlich barsch
entgelten, verhieß aber einen zweiten Besuch für die nächsten Tage. Er
hielt Wort und kam wieder, um Smetana neuerdings zu peinigen, und, wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/245>, abgerufen am 01.07.2024.