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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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er sagte, den Zwiespalt in Smetana's Brust auszugleichen, er verlangte mit
dem Sterbenden allein zu bleiben. Doch hatte dieser seine Freunde ver¬
pflichtet, ihn nicht eine Minute ohne Zeugen zu lassen, daher Smetcma's
Freunde dem letzten Besuche des Cardinals gegen dessen Wunsch pflichtmäßig
assistirten, um über das Vorgefallen getreue Zeugenschaft geben zu können.
Smetana raffte seine letzte Kraft zusammen, dem Cardinal zu sagen: "Es ist durch¬
aus kein Zwiespalt in mir, ich bin mit nur vollkommen einig, ich habe an Sie
nur eine Forderung, eine sehr gerechte, geltend zu machen, die nämlich, daß Sie
mich in Ruhe sterben lassen." Das waren Smetana's letzte Worte. Der Car¬
dinal, diesmal humaner und milder als früher, erschüttert von der Seelenkraft
des Sterbenden, ließ ab von seinen -- wie wir glauben -- gutgemeinten Bekeh-
rungsversuchen, alle Schuld all dieser Katastrophe dem ungeeigneten Benehmen
des Ordensvorstehers zuschreibend, da ein Charakter wie Smetana anders hätte
behandelt werden sollen. Am 30. Januar Mittags ein Uhr entschlief der
Dulder, von seinen Freunden umgeben, ruhig, schmerzlos, in stiller Resignation.

Da seine irdischen Reste aber nicht wie sein bis zum Tode starker Geist
entschwanden, so galt es die Frage, wie ihn bestatten? Der katholische Fried¬
hof war diesen Resten verschlossen, obwohl die Polizeibehörde den Wunsch ge¬
äußert hatte, man- möge den Leichnam, wie den eines Verbrechers, in das Kran¬
kenhaus schaffen, damit er von dort ans unter Polizeiaufsicht in katholische
Erde begraben werde. Die Familie wies die Zumuthung solcher Delinquenten-
Bestattung mit Entschiedenheit zurück, auch hatten bereits die Vorstände der
protestantischen Gemeinde den protestantischen Friedhof mit Bereitwilligkeit ange¬
boten. Die Behörde schrieb den Tag vor der Bestattung genan vor, dnrch
welche Straßen die Leiche zu führen sei, um auf kürzerem Wege zu dem Thore
zu gelangen, jede Grabrede, jede Demonstration wurde polizeilich untersagt, man
wagte es nicht, Karten auszugeben, um den Verdacht beabsichtigter Demonstra¬
tion nicht auf sich zu laden, und doch durchflog die Kunde von Smetana's Tode
und seiner Bestattung die Stadt, und Tausende versammelten sich auf dem großen
Roßmarkte vor dem Trauerhause, dem edlen Verblichenen das Geleite zu geben.
In letzter Stunde ward der Behörde bange vor der stets wachsenden Menge.
Unter Androhung strenger Ahndung ward befohlen, die Leiche nicht durch die
Stadt, sondern unmittelbar von dem Trauerhause durch das etwa zweihundert
Schritt entfernte Roßthor ans der Stadt zu führen, in großen Bogen die Stadt
zu umkreisen und so nach dem Leichenfeld zu bringen. Im Namen Sr. Majestät
commandirte der fuugirende Polizeibeamte auf der Straße den Wagen gegen
das Roßthor zu wenden. Die Garnison wurde consignirt, die Kanonen wurden
mit Ostentation geladen!!

Doch die versammelten Massen dachten nicht an Emeute, sie dachrett in An¬
dacht nur an den Todten und in Ruhe an'den katholischen Klerus, dem bewiesen


er sagte, den Zwiespalt in Smetana's Brust auszugleichen, er verlangte mit
dem Sterbenden allein zu bleiben. Doch hatte dieser seine Freunde ver¬
pflichtet, ihn nicht eine Minute ohne Zeugen zu lassen, daher Smetcma's
Freunde dem letzten Besuche des Cardinals gegen dessen Wunsch pflichtmäßig
assistirten, um über das Vorgefallen getreue Zeugenschaft geben zu können.
Smetana raffte seine letzte Kraft zusammen, dem Cardinal zu sagen: „Es ist durch¬
aus kein Zwiespalt in mir, ich bin mit nur vollkommen einig, ich habe an Sie
nur eine Forderung, eine sehr gerechte, geltend zu machen, die nämlich, daß Sie
mich in Ruhe sterben lassen." Das waren Smetana's letzte Worte. Der Car¬
dinal, diesmal humaner und milder als früher, erschüttert von der Seelenkraft
des Sterbenden, ließ ab von seinen — wie wir glauben — gutgemeinten Bekeh-
rungsversuchen, alle Schuld all dieser Katastrophe dem ungeeigneten Benehmen
des Ordensvorstehers zuschreibend, da ein Charakter wie Smetana anders hätte
behandelt werden sollen. Am 30. Januar Mittags ein Uhr entschlief der
Dulder, von seinen Freunden umgeben, ruhig, schmerzlos, in stiller Resignation.

Da seine irdischen Reste aber nicht wie sein bis zum Tode starker Geist
entschwanden, so galt es die Frage, wie ihn bestatten? Der katholische Fried¬
hof war diesen Resten verschlossen, obwohl die Polizeibehörde den Wunsch ge¬
äußert hatte, man- möge den Leichnam, wie den eines Verbrechers, in das Kran¬
kenhaus schaffen, damit er von dort ans unter Polizeiaufsicht in katholische
Erde begraben werde. Die Familie wies die Zumuthung solcher Delinquenten-
Bestattung mit Entschiedenheit zurück, auch hatten bereits die Vorstände der
protestantischen Gemeinde den protestantischen Friedhof mit Bereitwilligkeit ange¬
boten. Die Behörde schrieb den Tag vor der Bestattung genan vor, dnrch
welche Straßen die Leiche zu führen sei, um auf kürzerem Wege zu dem Thore
zu gelangen, jede Grabrede, jede Demonstration wurde polizeilich untersagt, man
wagte es nicht, Karten auszugeben, um den Verdacht beabsichtigter Demonstra¬
tion nicht auf sich zu laden, und doch durchflog die Kunde von Smetana's Tode
und seiner Bestattung die Stadt, und Tausende versammelten sich auf dem großen
Roßmarkte vor dem Trauerhause, dem edlen Verblichenen das Geleite zu geben.
In letzter Stunde ward der Behörde bange vor der stets wachsenden Menge.
Unter Androhung strenger Ahndung ward befohlen, die Leiche nicht durch die
Stadt, sondern unmittelbar von dem Trauerhause durch das etwa zweihundert
Schritt entfernte Roßthor ans der Stadt zu führen, in großen Bogen die Stadt
zu umkreisen und so nach dem Leichenfeld zu bringen. Im Namen Sr. Majestät
commandirte der fuugirende Polizeibeamte auf der Straße den Wagen gegen
das Roßthor zu wenden. Die Garnison wurde consignirt, die Kanonen wurden
mit Ostentation geladen!!

Doch die versammelten Massen dachten nicht an Emeute, sie dachrett in An¬
dacht nur an den Todten und in Ruhe an'den katholischen Klerus, dem bewiesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/246>, abgerufen am 29.06.2024.