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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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den könne, daß eines seiner Glieder ein Oppositionsjournal, die in jener
Zeit gegründete Zeitschrift "Union" redigire.

Smetaua erinnerte den Vorstand brieflich und bescheiden, daß er mit dessen
voller Zustimmung aus dem Orden getreten sei, also nicht mehr reclamirt werden
könne; ein strenges mit Zwangsmaßregeln drohendes Misstv war die Folge dieser
Demonstration, und geschäftige Allarmisten ängsteten den kranken, schüchternen
Mann mit der angeblich verbürgten Kunde, im Consistorium sei auf Antrag des
Ordensvorstandes beschlossen worden, ihn als Renitenten, als Flüchtling in den
geistlichen Carcer zu sperren. Geängstet und gedrängt durch diese Gerüchte gab
Smetana dem Seelsorger seines Wohnbezirkes die Erklärung ab, er könne dem
Katholicismus nicht ferner angehören, seine Ueberzeugungen seien andere geworden.
Durch diese Erklärung glaubte Smetana, auf die verbürgte Glaubensfreiheit hin,
sich der bevorstehenden Verfolgung zu entziehen. Jener Seelsorger weigerte sich,
die Empfangsnahme der Erklärung amtlich zu constatiren, obwohl er sie sofort
dem Consistorium denuncirte. In neuer Bedrängniß, ohne sich mit seinen Freun¬
den zu berathen, seiner Verhaftung jeden Augenblick gewärtig, ließ Smetana am
23. März 1850 folgende Erklärung in dem von ihm redigirten Journale "Union"
abdrucken:

"Ich bringe hiermit allen meinen Freunden und Bekannten zur Kenntniß,
"daß ich zufolge meiner Ueberzeugung von der UnHaltbarkeit des römisch-katho¬
lischen Lehrbegriffs, Priester und Mitglied des ritterlichen Kreuzherreuordens zu
"sein aufgehört und auch bereits dasselbe meinem ehemaligen Ordensvorstande und
"dem Pfarrer des Kirchsprengels, in welchem ich gegenwärtig wohnhaft bin,
"angezeigt habe."

Der harmlose unerfahrene Gelehrte wähnte durch diese Erklärung sich, zu
schützen; er bedachte nicht, daß sie ihm wenig Schutz hätte gewähren können,
hätte die Behörde damals schon wagen wollen, den weltlichen Arm zur Verhaf¬
tung zu leihen; er wußte uicht, daß die Polizeibehörde fest beschlossen hatte, jede
Zumuthung, ihn zu verhaften, entschieden abzulehnen.

Smetana's Erklärung hat Sensation gemacht, und in ihrer unumwundenen
Weise manche Anfechtung und feindselige Auslegung erfahren, hatte doch Nie¬
mand die Seelenkämpfe des Mannes gekannt, welche diesem Schritte vorange¬
gangen, und doch hatte im Grunde Smetana allein den Muth gehabt, eine
Ueberzeugung öffentlich auszusprechen, welche tausend Gleichgesinnte, aber minder
Muthige mit ihm theilen. sein Rücktritt von der Redaction der Union war die
nächste Folge, da man jene Erklärung als ein verkapptes antikirchliches Programm
dieses Blattes ausgelegt, und diesem mit Suspension gedrohet hatte. -- Eine
weitere Folge war Smetana's feierliche Excommunication, welche man in mittel¬
alterlicher Förmlichkeit gerade in jener Kirche verkündigte, in welcher sein Vater,
ein hochbetagter Mann, als Kirchendiener fungirte. Dieser Excommunicationsact


den könne, daß eines seiner Glieder ein Oppositionsjournal, die in jener
Zeit gegründete Zeitschrift „Union" redigire.

Smetaua erinnerte den Vorstand brieflich und bescheiden, daß er mit dessen
voller Zustimmung aus dem Orden getreten sei, also nicht mehr reclamirt werden
könne; ein strenges mit Zwangsmaßregeln drohendes Misstv war die Folge dieser
Demonstration, und geschäftige Allarmisten ängsteten den kranken, schüchternen
Mann mit der angeblich verbürgten Kunde, im Consistorium sei auf Antrag des
Ordensvorstandes beschlossen worden, ihn als Renitenten, als Flüchtling in den
geistlichen Carcer zu sperren. Geängstet und gedrängt durch diese Gerüchte gab
Smetana dem Seelsorger seines Wohnbezirkes die Erklärung ab, er könne dem
Katholicismus nicht ferner angehören, seine Ueberzeugungen seien andere geworden.
Durch diese Erklärung glaubte Smetana, auf die verbürgte Glaubensfreiheit hin,
sich der bevorstehenden Verfolgung zu entziehen. Jener Seelsorger weigerte sich,
die Empfangsnahme der Erklärung amtlich zu constatiren, obwohl er sie sofort
dem Consistorium denuncirte. In neuer Bedrängniß, ohne sich mit seinen Freun¬
den zu berathen, seiner Verhaftung jeden Augenblick gewärtig, ließ Smetana am
23. März 1850 folgende Erklärung in dem von ihm redigirten Journale „Union"
abdrucken:

„Ich bringe hiermit allen meinen Freunden und Bekannten zur Kenntniß,
„daß ich zufolge meiner Ueberzeugung von der UnHaltbarkeit des römisch-katho¬
lischen Lehrbegriffs, Priester und Mitglied des ritterlichen Kreuzherreuordens zu
„sein aufgehört und auch bereits dasselbe meinem ehemaligen Ordensvorstande und
„dem Pfarrer des Kirchsprengels, in welchem ich gegenwärtig wohnhaft bin,
„angezeigt habe."

Der harmlose unerfahrene Gelehrte wähnte durch diese Erklärung sich, zu
schützen; er bedachte nicht, daß sie ihm wenig Schutz hätte gewähren können,
hätte die Behörde damals schon wagen wollen, den weltlichen Arm zur Verhaf¬
tung zu leihen; er wußte uicht, daß die Polizeibehörde fest beschlossen hatte, jede
Zumuthung, ihn zu verhaften, entschieden abzulehnen.

Smetana's Erklärung hat Sensation gemacht, und in ihrer unumwundenen
Weise manche Anfechtung und feindselige Auslegung erfahren, hatte doch Nie¬
mand die Seelenkämpfe des Mannes gekannt, welche diesem Schritte vorange¬
gangen, und doch hatte im Grunde Smetana allein den Muth gehabt, eine
Ueberzeugung öffentlich auszusprechen, welche tausend Gleichgesinnte, aber minder
Muthige mit ihm theilen. sein Rücktritt von der Redaction der Union war die
nächste Folge, da man jene Erklärung als ein verkapptes antikirchliches Programm
dieses Blattes ausgelegt, und diesem mit Suspension gedrohet hatte. — Eine
weitere Folge war Smetana's feierliche Excommunication, welche man in mittel¬
alterlicher Förmlichkeit gerade in jener Kirche verkündigte, in welcher sein Vater,
ein hochbetagter Mann, als Kirchendiener fungirte. Dieser Excommunicationsact


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/244>, abgerufen am 03.07.2024.