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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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allein gewährte ihm Erholung, doch war anch dieses vor dem Jahre 1848 dnrch
seine Beengung dem strebsamen Kopfe viel verleidet.

Da brach das Jahr 1848 in die östreichischen Finsternisse ein, volle Gewissens¬
und Glaubensfreiheit wurde verheißen, die starren Baude fielen ab vou Allen, die
sich bis dahin als geistige Leibeigene gefühlt. Smetana verließ den Convent
gleichzeitig mit einem seiner Freunde, und verschmähte die ihm vom Convents-
vorstande angebotene Jahresnnterstützuug; er dünkte sich frei, da der Orden gegen
seinen Austritt keine Einsprache that. Welcher Ordensvorstand würde wohl im
Jahre 1848 eine Einsprache gewagt haben! zitterten sie doch alle um ihre Existenz
und waren alle darauf gefaßt, die Revolution, der Reichstag werde zunächst die
Klostergüter zur Tilgung der Staatsschuld einziehen. Wie waren sie damals
human und tolerant, für die freie Lehre und für Alles, was man wollte, ein¬
genommen! Sie rächen sich hente für den Zwang, den ihnen jenes Snndenjahr
angethan, und sie rächen sich grimmig, denn sie meinen, ein Jahr achtundvierzig
komme erst wieder nach hundert Jahren!

Smetana begnügte sich, vou seinem Studierzimmer die süße Luft der Freiheit
in tiefen Zügen einzuathmen, er betheiligte sich in keiner Weise an der politischen
Bewegung nud blieb Lehrer uach wie vor. Eine Lehrkanzel bei garautirter that¬
sächlicher Lehrfreiheit war sein höchster einziger Wunsch. Doch schon damals waren
die Keime jener Lnngenkrankheit in ihm entwickelt, welche mehrere seiner Geschwister
gefährdet hat und ihn selbst heilte in die Grube warf.

Das Jahr 1849 brachte die Reaction, auch Smetaua's Hoffnungen wurden
zu nichte. sein Gesuch um eine Lehrkanzel wurde zurückgewiesen, obwohl er
sein tiefes Wissen, seine Begabung als Lehrer thatsächlich erprobt; der Lehrkörper
der Prager Universität führte Smetana dem Dekan der philosophischen
Facultät in der Liste der Befähigten erst in der nennten Stelle auf, und
setzte ihm Persönlichkeiten vor, deren Ignoranz und Jämmerlichkeit notorisch war.
Der zum Ministerialräthe emporgestiegeue Dr. Exner, einst Smetaua's Freund und
mit ihm in stetem Briefverkehr, da Smetana Exner's Kanzel durch zwei Jahre
supplirend versah, war aus Eitelkeit, eiuer literarischen Discussion wegen, Sme¬
taua's Geguer geworden. Er hatte damals ausschließlich die Bestimmung über
Besetzung der Lehrkanzeln, und ließ Smetana unberücksichtigt fallen, obwohl er
wußte, sein ehemaliger Freund werde dadurch äußerster Dürftigkeit preisgegeben.
Exner wagte im Jahre 1849 uicht, deu Klerus gegen sich zu stimmen.

Da versuchte Smetana, sich als einfacher Docent an der Universität zu ha-
bilitireu, doch verlangte der Lehrkörper als Bedingung der Habilitation die Vor¬
lage eines vom Vorstande des Kreuzherreuordeus und dem Konsistorium anszu-
fertigeudeu Sitteuzeuguisses. Dieses Zeugniß verweigerte der Ordeusvorstand
beharrlich, und forderte Smetaua schriftlich auf, in deu Couvert, zu seiner Or-
denöpflicht zurückzukehren, indem es von Seiten des Ordens uicht geduldet wer-


allein gewährte ihm Erholung, doch war anch dieses vor dem Jahre 1848 dnrch
seine Beengung dem strebsamen Kopfe viel verleidet.

Da brach das Jahr 1848 in die östreichischen Finsternisse ein, volle Gewissens¬
und Glaubensfreiheit wurde verheißen, die starren Baude fielen ab vou Allen, die
sich bis dahin als geistige Leibeigene gefühlt. Smetana verließ den Convent
gleichzeitig mit einem seiner Freunde, und verschmähte die ihm vom Convents-
vorstande angebotene Jahresnnterstützuug; er dünkte sich frei, da der Orden gegen
seinen Austritt keine Einsprache that. Welcher Ordensvorstand würde wohl im
Jahre 1848 eine Einsprache gewagt haben! zitterten sie doch alle um ihre Existenz
und waren alle darauf gefaßt, die Revolution, der Reichstag werde zunächst die
Klostergüter zur Tilgung der Staatsschuld einziehen. Wie waren sie damals
human und tolerant, für die freie Lehre und für Alles, was man wollte, ein¬
genommen! Sie rächen sich hente für den Zwang, den ihnen jenes Snndenjahr
angethan, und sie rächen sich grimmig, denn sie meinen, ein Jahr achtundvierzig
komme erst wieder nach hundert Jahren!

Smetana begnügte sich, vou seinem Studierzimmer die süße Luft der Freiheit
in tiefen Zügen einzuathmen, er betheiligte sich in keiner Weise an der politischen
Bewegung nud blieb Lehrer uach wie vor. Eine Lehrkanzel bei garautirter that¬
sächlicher Lehrfreiheit war sein höchster einziger Wunsch. Doch schon damals waren
die Keime jener Lnngenkrankheit in ihm entwickelt, welche mehrere seiner Geschwister
gefährdet hat und ihn selbst heilte in die Grube warf.

Das Jahr 1849 brachte die Reaction, auch Smetaua's Hoffnungen wurden
zu nichte. sein Gesuch um eine Lehrkanzel wurde zurückgewiesen, obwohl er
sein tiefes Wissen, seine Begabung als Lehrer thatsächlich erprobt; der Lehrkörper
der Prager Universität führte Smetana dem Dekan der philosophischen
Facultät in der Liste der Befähigten erst in der nennten Stelle auf, und
setzte ihm Persönlichkeiten vor, deren Ignoranz und Jämmerlichkeit notorisch war.
Der zum Ministerialräthe emporgestiegeue Dr. Exner, einst Smetaua's Freund und
mit ihm in stetem Briefverkehr, da Smetana Exner's Kanzel durch zwei Jahre
supplirend versah, war aus Eitelkeit, eiuer literarischen Discussion wegen, Sme¬
taua's Geguer geworden. Er hatte damals ausschließlich die Bestimmung über
Besetzung der Lehrkanzeln, und ließ Smetana unberücksichtigt fallen, obwohl er
wußte, sein ehemaliger Freund werde dadurch äußerster Dürftigkeit preisgegeben.
Exner wagte im Jahre 1849 uicht, deu Klerus gegen sich zu stimmen.

Da versuchte Smetana, sich als einfacher Docent an der Universität zu ha-
bilitireu, doch verlangte der Lehrkörper als Bedingung der Habilitation die Vor¬
lage eines vom Vorstande des Kreuzherreuordeus und dem Konsistorium anszu-
fertigeudeu Sitteuzeuguisses. Dieses Zeugniß verweigerte der Ordeusvorstand
beharrlich, und forderte Smetaua schriftlich auf, in deu Couvert, zu seiner Or-
denöpflicht zurückzukehren, indem es von Seiten des Ordens uicht geduldet wer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/243>, abgerufen am 04.07.2024.