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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Theekanne! Der prächtige Hut! Und vor allem diese schwermüthigen Verse von
dem Hofpoeten meines Friseurs! Das Alles macht mirFrende; ich erinnere mich
gern, daß ehedem Fürsten und Prinzessinnen allein Hofpoeten haben konnten,
und daß sie jetzt ein Luxusartikel sind, der selbst meinem Gewürzkrämer und
meinem Schneider zu Gebote steht!"

Seit dem Erlaß des Stempelgesetzes haben die Annoncen allein die eng¬
lischen Zeitungen erhalten. 1797 erhöhte Pitt die Steuer um 100 Procent.
Gegenwärtig beträgt der Stempel 4 Pence für den Bogen mit einem Rabatt
von 20 Procent wegen der übrigen auf die Papierfabrication gelegten Abgaben.
Das Papier kostet den großen Londoner Zeitungen 70 Schilling das Tausend,
oder I Vs Penny der Bogen. Die Zeituugsageuteu geben für jede Nummer 5V"
Pence oder 13 Schilling für 27 Exemplare, so daß dem Eigenthümer der Zeitung
blos ein Gewinn von 1 Penny 3 Farthing per Exemplar bleibt. Alle diese
Fesseln haben aber die Lebenskraft der englischen Presse nicht niederhalten können,
und sie im Gegentheil zu einem der mächtigsten Hebel der modernen Civilisation
gemacht. 12 -- 15000 Pfund Sterling für die Herstellung des Inhalts einer Zei¬
tung, und 4000 Pfund für die Parlamentsberichte haben die Eigenthümer dieser
Zeitnngseolosse nicht abgeschreckt.

Ueber den?cum^-a-1in,el'8, diesen unentbehrlichen Stofflieferanten, stehen die
Kexorrers oder Berichterstatter, anfangs nur 5--6, jetzt 30--40 bei jeder großen
Zeitung, und mit einem Gehalt von 4--6 Guineen wöchentlich. Alsdann kommen
die Korrespondenten, die namentlich im Auslande ausnehmend glänzend bezahlt
werden, und an der Spitze steht der Oberredacteur mit 600--1000 Pfund, und
der Unterredacteur mit 4 -600 Pfund Gehalt. Diesen Standpunkt hatte die
periodische Presse schou 1840 erreicht und sie hat seitdem noch bedeutend an Terrain
gewonnen. 1586 hatte ein Decret der Srernkammer bei Todesstrafe verboten,
eine Druckerpresse zu besitzen, und, wenn auch uur privatim zu gebrauchen, hatte
alle Druckereien außerhalb London, mit Ausnahme der beiden Universitätsstädte
Oxford und Cambridge, geschlossen, und die Zunft der SWUoners ermächtigt, sich
mit Gewalt bei allen nichtconcessionirten Druckern Zutritt zu verschaffen, die Pressen
zu zerbrechen und alle zum Drücken nothwendigen Werkzeuge zu vernichten. Diese
Typophobie hat aber die Entwickelung der Presse uicht aushalten können.

Wir kommen später auf die innere Organisation der englischen Zeitungen seit
1780 zurück. Die angelsächsische Freiheit hatte damals schon ans der andern Erd¬
hälfte neue Wurzeln geschlagen und mächtige Zweige getrieben. In Amerika fand
die Presse nach der Unabhängigkeitserklärung keine Fesseln mehr. Kein Stempel,
keine Annoncenabgabe, nicht die mindeste Restriction, eine nachsichtige Gesetzgebung,
und Geschworne, die stets bereit waren, den Principien der Freiheit ihr Recht
werden zu lassen. Unter so günstigen Umständen hätte die Presse trefflich gedeihen


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Theekanne! Der prächtige Hut! Und vor allem diese schwermüthigen Verse von
dem Hofpoeten meines Friseurs! Das Alles macht mirFrende; ich erinnere mich
gern, daß ehedem Fürsten und Prinzessinnen allein Hofpoeten haben konnten,
und daß sie jetzt ein Luxusartikel sind, der selbst meinem Gewürzkrämer und
meinem Schneider zu Gebote steht!"

Seit dem Erlaß des Stempelgesetzes haben die Annoncen allein die eng¬
lischen Zeitungen erhalten. 1797 erhöhte Pitt die Steuer um 100 Procent.
Gegenwärtig beträgt der Stempel 4 Pence für den Bogen mit einem Rabatt
von 20 Procent wegen der übrigen auf die Papierfabrication gelegten Abgaben.
Das Papier kostet den großen Londoner Zeitungen 70 Schilling das Tausend,
oder I Vs Penny der Bogen. Die Zeituugsageuteu geben für jede Nummer 5V»
Pence oder 13 Schilling für 27 Exemplare, so daß dem Eigenthümer der Zeitung
blos ein Gewinn von 1 Penny 3 Farthing per Exemplar bleibt. Alle diese
Fesseln haben aber die Lebenskraft der englischen Presse nicht niederhalten können,
und sie im Gegentheil zu einem der mächtigsten Hebel der modernen Civilisation
gemacht. 12 — 15000 Pfund Sterling für die Herstellung des Inhalts einer Zei¬
tung, und 4000 Pfund für die Parlamentsberichte haben die Eigenthümer dieser
Zeitnngseolosse nicht abgeschreckt.

Ueber den?cum^-a-1in,el'8, diesen unentbehrlichen Stofflieferanten, stehen die
Kexorrers oder Berichterstatter, anfangs nur 5—6, jetzt 30—40 bei jeder großen
Zeitung, und mit einem Gehalt von 4—6 Guineen wöchentlich. Alsdann kommen
die Korrespondenten, die namentlich im Auslande ausnehmend glänzend bezahlt
werden, und an der Spitze steht der Oberredacteur mit 600—1000 Pfund, und
der Unterredacteur mit 4 -600 Pfund Gehalt. Diesen Standpunkt hatte die
periodische Presse schou 1840 erreicht und sie hat seitdem noch bedeutend an Terrain
gewonnen. 1586 hatte ein Decret der Srernkammer bei Todesstrafe verboten,
eine Druckerpresse zu besitzen, und, wenn auch uur privatim zu gebrauchen, hatte
alle Druckereien außerhalb London, mit Ausnahme der beiden Universitätsstädte
Oxford und Cambridge, geschlossen, und die Zunft der SWUoners ermächtigt, sich
mit Gewalt bei allen nichtconcessionirten Druckern Zutritt zu verschaffen, die Pressen
zu zerbrechen und alle zum Drücken nothwendigen Werkzeuge zu vernichten. Diese
Typophobie hat aber die Entwickelung der Presse uicht aushalten können.

Wir kommen später auf die innere Organisation der englischen Zeitungen seit
1780 zurück. Die angelsächsische Freiheit hatte damals schon ans der andern Erd¬
hälfte neue Wurzeln geschlagen und mächtige Zweige getrieben. In Amerika fand
die Presse nach der Unabhängigkeitserklärung keine Fesseln mehr. Kein Stempel,
keine Annoncenabgabe, nicht die mindeste Restriction, eine nachsichtige Gesetzgebung,
und Geschworne, die stets bereit waren, den Principien der Freiheit ihr Recht
werden zu lassen. Unter so günstigen Umständen hätte die Presse trefflich gedeihen


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[0239] Theekanne! Der prächtige Hut! Und vor allem diese schwermüthigen Verse von dem Hofpoeten meines Friseurs! Das Alles macht mirFrende; ich erinnere mich gern, daß ehedem Fürsten und Prinzessinnen allein Hofpoeten haben konnten, und daß sie jetzt ein Luxusartikel sind, der selbst meinem Gewürzkrämer und meinem Schneider zu Gebote steht!" Seit dem Erlaß des Stempelgesetzes haben die Annoncen allein die eng¬ lischen Zeitungen erhalten. 1797 erhöhte Pitt die Steuer um 100 Procent. Gegenwärtig beträgt der Stempel 4 Pence für den Bogen mit einem Rabatt von 20 Procent wegen der übrigen auf die Papierfabrication gelegten Abgaben. Das Papier kostet den großen Londoner Zeitungen 70 Schilling das Tausend, oder I Vs Penny der Bogen. Die Zeituugsageuteu geben für jede Nummer 5V» Pence oder 13 Schilling für 27 Exemplare, so daß dem Eigenthümer der Zeitung blos ein Gewinn von 1 Penny 3 Farthing per Exemplar bleibt. Alle diese Fesseln haben aber die Lebenskraft der englischen Presse nicht niederhalten können, und sie im Gegentheil zu einem der mächtigsten Hebel der modernen Civilisation gemacht. 12 — 15000 Pfund Sterling für die Herstellung des Inhalts einer Zei¬ tung, und 4000 Pfund für die Parlamentsberichte haben die Eigenthümer dieser Zeitnngseolosse nicht abgeschreckt. Ueber den?cum^-a-1in,el'8, diesen unentbehrlichen Stofflieferanten, stehen die Kexorrers oder Berichterstatter, anfangs nur 5—6, jetzt 30—40 bei jeder großen Zeitung, und mit einem Gehalt von 4—6 Guineen wöchentlich. Alsdann kommen die Korrespondenten, die namentlich im Auslande ausnehmend glänzend bezahlt werden, und an der Spitze steht der Oberredacteur mit 600—1000 Pfund, und der Unterredacteur mit 4 -600 Pfund Gehalt. Diesen Standpunkt hatte die periodische Presse schou 1840 erreicht und sie hat seitdem noch bedeutend an Terrain gewonnen. 1586 hatte ein Decret der Srernkammer bei Todesstrafe verboten, eine Druckerpresse zu besitzen, und, wenn auch uur privatim zu gebrauchen, hatte alle Druckereien außerhalb London, mit Ausnahme der beiden Universitätsstädte Oxford und Cambridge, geschlossen, und die Zunft der SWUoners ermächtigt, sich mit Gewalt bei allen nichtconcessionirten Druckern Zutritt zu verschaffen, die Pressen zu zerbrechen und alle zum Drücken nothwendigen Werkzeuge zu vernichten. Diese Typophobie hat aber die Entwickelung der Presse uicht aushalten können. Wir kommen später auf die innere Organisation der englischen Zeitungen seit 1780 zurück. Die angelsächsische Freiheit hatte damals schon ans der andern Erd¬ hälfte neue Wurzeln geschlagen und mächtige Zweige getrieben. In Amerika fand die Presse nach der Unabhängigkeitserklärung keine Fesseln mehr. Kein Stempel, keine Annoncenabgabe, nicht die mindeste Restriction, eine nachsichtige Gesetzgebung, und Geschworne, die stets bereit waren, den Principien der Freiheit ihr Recht werden zu lassen. Unter so günstigen Umständen hätte die Presse trefflich gedeihen 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/239>, abgerufen am 04.07.2024.