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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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heilen des Alterthums. So denkt man sich eine Ariadne, Dido, Kleopatra; voll¬
kommene Büste, Schultern, Arme; weiß wie eine belebte Statue, regelmäßige
Züge, strahlende Augen, perlengleiche Zähne, rabenschwarzes Haar, Haltung,
Sprache, Bewegung noch zum Entzücken. Auch durch ihre Kleidung erinnerte sie
an das Griechenthum n. f. w. -- So ist die Schilderung eines wunderlichen Ehe¬
paars, des General Pamphile Lacroix und seiner Frau im höchsten Grade er¬
götzlich, und auch die Kante nuance, zu der die Verfasserin doch, auch in späterer
Zeit in nahem Bezüge gestanden zu haben scheint, wird nicht geschont, wenn sie
der Unterhaltung einen pikanten Stoff darbietet; sogar die Könige der Börse
werden an eine Geschichte erinnert, die sie gewiß längst vergessen glaubten und
die amüsant genug ist, um sie als Probe des Buches auszuheben.

"Einer der heutigen Tages so weltbekannten Brüder R. war gleich nach dem
Frieden bedacht, in Paris erst viel Geld zu gewinnen, dann so viele Ehre damit
zu erlangen, als man anfing dem Gelde dort zu zollen. Zu dem herkömmlichen
Luxus gehörte ein prächtiges Landhaus, was bald nach seiner Niederlassung in
dem eben erwähnten Dorfe Boulogne gewählt ward. Das Haus war hübsch,
aber keineswegs so ausgezeichnet, als falsche Freunde oder leere Schmeichler den
Eigenthümer glauben machten. Herr von N. nahm Complimente für baare
Münze und bald war er, was man auf französisch eoM nennt von dem glücklichen
Gedanken, welches Aufsehen sein Landhaus mache.

Ganz mit dieser Idee beschäftigt, sieht er eiues Morgens ihm unbekannte
Leute mit Elle und Maß an der vordern Eingangspforte, durch welche man eine
sehr lange Avenue herauf bis zu seinem Hause fahren mußte, beschäftigt mit
Messungen. Er ist von seinen sogenannten guten Freunden umgeben, die seine
Aufmerksamkeit noch ganz besonders daraus leiten. Sogleich wird ein Diener die
Avenue hinabgeschickt, um nach der Bedeutung dieser Ausmessungen zu fragen.
Verlegen kam er zurück, indem man ihm keine recht bestimmte Antwort gegeben,
sondern nnr kurz geäußert hatte: "man müsse vor des Königs Besuch genan
wissen, ob die Pforte breit genug für die königlichen Kutscher sei"; auch war
man höchst verwundert, daß Herr von N. noch nichts von dem ihm zugedachten
Besuche des Königs wisse, der ihm gewiß officiell angezeigt würde. Im näm¬
lichen Augenblicke kommt der Maire, dem schon die Ordre ward, sich an der
Pforte des Herrn von N. zum Empfange seiner Majestät einzufinden.

Herr vou N. verliert fast den Kopf vor freudiger Ueberraschung. Gut¬
müthiger Natur, ohne alles Mißtrauen, befiehlt er schnell sein Tilbury anzuspannen,
und fährt sogleich (Alles auf Rath seiner Freunde), die schönsten, elegantesten
Damen seines Cirkels aus der Stadt und nächsten Umgegend zu laden. Die
oben erwähnte Madame Thuret, die damalige Löwin (wie man heute sagen würde)
der Chaussee d'Artim, durste nicht fehlen. Seine wurnee so schnell als möglich
beendet, eilt er wieder nach Hause, um sich in die besten Kleider zu werfen, be-


heilen des Alterthums. So denkt man sich eine Ariadne, Dido, Kleopatra; voll¬
kommene Büste, Schultern, Arme; weiß wie eine belebte Statue, regelmäßige
Züge, strahlende Augen, perlengleiche Zähne, rabenschwarzes Haar, Haltung,
Sprache, Bewegung noch zum Entzücken. Auch durch ihre Kleidung erinnerte sie
an das Griechenthum n. f. w. — So ist die Schilderung eines wunderlichen Ehe¬
paars, des General Pamphile Lacroix und seiner Frau im höchsten Grade er¬
götzlich, und auch die Kante nuance, zu der die Verfasserin doch, auch in späterer
Zeit in nahem Bezüge gestanden zu haben scheint, wird nicht geschont, wenn sie
der Unterhaltung einen pikanten Stoff darbietet; sogar die Könige der Börse
werden an eine Geschichte erinnert, die sie gewiß längst vergessen glaubten und
die amüsant genug ist, um sie als Probe des Buches auszuheben.

„Einer der heutigen Tages so weltbekannten Brüder R. war gleich nach dem
Frieden bedacht, in Paris erst viel Geld zu gewinnen, dann so viele Ehre damit
zu erlangen, als man anfing dem Gelde dort zu zollen. Zu dem herkömmlichen
Luxus gehörte ein prächtiges Landhaus, was bald nach seiner Niederlassung in
dem eben erwähnten Dorfe Boulogne gewählt ward. Das Haus war hübsch,
aber keineswegs so ausgezeichnet, als falsche Freunde oder leere Schmeichler den
Eigenthümer glauben machten. Herr von N. nahm Complimente für baare
Münze und bald war er, was man auf französisch eoM nennt von dem glücklichen
Gedanken, welches Aufsehen sein Landhaus mache.

Ganz mit dieser Idee beschäftigt, sieht er eiues Morgens ihm unbekannte
Leute mit Elle und Maß an der vordern Eingangspforte, durch welche man eine
sehr lange Avenue herauf bis zu seinem Hause fahren mußte, beschäftigt mit
Messungen. Er ist von seinen sogenannten guten Freunden umgeben, die seine
Aufmerksamkeit noch ganz besonders daraus leiten. Sogleich wird ein Diener die
Avenue hinabgeschickt, um nach der Bedeutung dieser Ausmessungen zu fragen.
Verlegen kam er zurück, indem man ihm keine recht bestimmte Antwort gegeben,
sondern nnr kurz geäußert hatte: „man müsse vor des Königs Besuch genan
wissen, ob die Pforte breit genug für die königlichen Kutscher sei"; auch war
man höchst verwundert, daß Herr von N. noch nichts von dem ihm zugedachten
Besuche des Königs wisse, der ihm gewiß officiell angezeigt würde. Im näm¬
lichen Augenblicke kommt der Maire, dem schon die Ordre ward, sich an der
Pforte des Herrn von N. zum Empfange seiner Majestät einzufinden.

Herr vou N. verliert fast den Kopf vor freudiger Ueberraschung. Gut¬
müthiger Natur, ohne alles Mißtrauen, befiehlt er schnell sein Tilbury anzuspannen,
und fährt sogleich (Alles auf Rath seiner Freunde), die schönsten, elegantesten
Damen seines Cirkels aus der Stadt und nächsten Umgegend zu laden. Die
oben erwähnte Madame Thuret, die damalige Löwin (wie man heute sagen würde)
der Chaussee d'Artim, durste nicht fehlen. Seine wurnee so schnell als möglich
beendet, eilt er wieder nach Hause, um sich in die besten Kleider zu werfen, be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/232>, abgerufen am 01.07.2024.