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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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ihnen drückt sich dann gewöhnlich unter ein Büschchen und umgeht dies, sich
gegen dasselbe stemmend und reibend, fortwährend im Kreise, wobei er knurrt und
leise winselt, mich wohl vor Wuth in die Nuthen beißt. Die Grimassen, welche
die Bestren bei einer solchen Gelegenheit schneiden, sind mehr possierlich und
verächtlich, als schrecklich. Jede Krümmung des Weges, welche Einen sür einige
Augenblicke den verfolgenden Menschenfressern entzieht, muß man dazu benutzen,
dnrch Vergrößerung der Schritte die Entfernung zu vergrößern. Hat man den
Saum des Waldes erreicht, so ist man der Gefahr entgangen, wenigstens folgen
sie einem bei Heller Tageszeit uicht in die offene Gegeud."

Weit gefährlicher ist es, in langen und strengen Wintern zu Pferde ans einen
Haufell von Wölfen zu stoßen. ^Jst mau uicht allzu entfernt voll einer Ortschaft,
so thut matt wohl, zu flüchten. Die Kunstgriffe, deren man sich als Fußgänger
bedient, sind zu Noß nicht ausführbar, und dazu reizt das Noß die Freßgier der
Wölfe viel stärker als der Mensch, der ihnen zum Glück uoch keine bekannte und
gewöhnte Speise geworden ist. Packen sie das Pferd an, so ist gewöhnlich auch
der Reiter verloren, und ist dieser bewaffnet und vertheidigt er sich gut, so hat
er doch sicher den Verlust seines Thieres zu beklagen. So war es vor mehreren
Jahren einem Postbeamten, welcher ans dem Umwege über das Städtchen
Parczow voll Wlodawa nach Siedlce reiste, nicht einmal möglich, seinen Postillon
und seine Schwester zu retten. Kaum hat er das Dorf Sosnowica verlassen und
befindet sich in dem Brnchwald, der durch eine Menge von Teichen ziemlich durch¬
brochen und hell wird, als er sich voll siebzehn bis zwanzig Wölfen verfolgt sieht.
Da die Naubthiere ihm nicht entgegen, sondern nachkommen, so ist eine Rückkehr
nach Sosnowica unmöglich. Es bleibt nichts übrig, als durch die Schnelligkeit
der vier starken Pferde die Rettung zu suchen, welche nach russischer Manier
neben einander gespannt den Schlitten ziehen. Allein die Wölfe sind schneller als
die Pferde und haben die Flüchtlinge bald eingeholt. Anfangs fliehen sie von
hinten in den Schlitten zu dringen und die beiden darin befindlichen Personell zu
fassen. Allein der Sprung in den Schlitten ist nicht leicht, und da dieser sich
fortbewegt, so stürzen die verwegensten Angreifer hinter dem Schlitten zur Erde,
die andern fallen über diese weg, und dadurch werden die Wölfe in der Verfolgung
aufgehalten, so daß der arme Pawlawski zu entkommen hofft. Allein jetzt ver¬
suchen die Wölfe den Angriff von der, Seite. Die Schußwaffe des Verfolgten
bleibt ohne alle Wirkung, doch werden sie auf der rechten Seite durch einen alten
schweren polnischen Pallasch mit Erfolg zurückgehalten, aber auf der linken Seite
gelingt es einem, emporzukommen. Er packt die Schwester des Beamten in
der Schulter, reißt ihr die linke Brust förmlich vom Körper ab und wird dann
erst durch einen Säbelstich von dem Bruder der Unglücklichen getödtet. -- In¬
zwischen haben einige Wölfe das Pferd auf der rechten Seite in der Weiche ge¬
packt lind richten es durch Bisse jämmerlich zu. Bald droht es zu stürzen. Der


ihnen drückt sich dann gewöhnlich unter ein Büschchen und umgeht dies, sich
gegen dasselbe stemmend und reibend, fortwährend im Kreise, wobei er knurrt und
leise winselt, mich wohl vor Wuth in die Nuthen beißt. Die Grimassen, welche
die Bestren bei einer solchen Gelegenheit schneiden, sind mehr possierlich und
verächtlich, als schrecklich. Jede Krümmung des Weges, welche Einen sür einige
Augenblicke den verfolgenden Menschenfressern entzieht, muß man dazu benutzen,
dnrch Vergrößerung der Schritte die Entfernung zu vergrößern. Hat man den
Saum des Waldes erreicht, so ist man der Gefahr entgangen, wenigstens folgen
sie einem bei Heller Tageszeit uicht in die offene Gegeud."

Weit gefährlicher ist es, in langen und strengen Wintern zu Pferde ans einen
Haufell von Wölfen zu stoßen. ^Jst mau uicht allzu entfernt voll einer Ortschaft,
so thut matt wohl, zu flüchten. Die Kunstgriffe, deren man sich als Fußgänger
bedient, sind zu Noß nicht ausführbar, und dazu reizt das Noß die Freßgier der
Wölfe viel stärker als der Mensch, der ihnen zum Glück uoch keine bekannte und
gewöhnte Speise geworden ist. Packen sie das Pferd an, so ist gewöhnlich auch
der Reiter verloren, und ist dieser bewaffnet und vertheidigt er sich gut, so hat
er doch sicher den Verlust seines Thieres zu beklagen. So war es vor mehreren
Jahren einem Postbeamten, welcher ans dem Umwege über das Städtchen
Parczow voll Wlodawa nach Siedlce reiste, nicht einmal möglich, seinen Postillon
und seine Schwester zu retten. Kaum hat er das Dorf Sosnowica verlassen und
befindet sich in dem Brnchwald, der durch eine Menge von Teichen ziemlich durch¬
brochen und hell wird, als er sich voll siebzehn bis zwanzig Wölfen verfolgt sieht.
Da die Naubthiere ihm nicht entgegen, sondern nachkommen, so ist eine Rückkehr
nach Sosnowica unmöglich. Es bleibt nichts übrig, als durch die Schnelligkeit
der vier starken Pferde die Rettung zu suchen, welche nach russischer Manier
neben einander gespannt den Schlitten ziehen. Allein die Wölfe sind schneller als
die Pferde und haben die Flüchtlinge bald eingeholt. Anfangs fliehen sie von
hinten in den Schlitten zu dringen und die beiden darin befindlichen Personell zu
fassen. Allein der Sprung in den Schlitten ist nicht leicht, und da dieser sich
fortbewegt, so stürzen die verwegensten Angreifer hinter dem Schlitten zur Erde,
die andern fallen über diese weg, und dadurch werden die Wölfe in der Verfolgung
aufgehalten, so daß der arme Pawlawski zu entkommen hofft. Allein jetzt ver¬
suchen die Wölfe den Angriff von der, Seite. Die Schußwaffe des Verfolgten
bleibt ohne alle Wirkung, doch werden sie auf der rechten Seite durch einen alten
schweren polnischen Pallasch mit Erfolg zurückgehalten, aber auf der linken Seite
gelingt es einem, emporzukommen. Er packt die Schwester des Beamten in
der Schulter, reißt ihr die linke Brust förmlich vom Körper ab und wird dann
erst durch einen Säbelstich von dem Bruder der Unglücklichen getödtet. — In¬
zwischen haben einige Wölfe das Pferd auf der rechten Seite in der Weiche ge¬
packt lind richten es durch Bisse jämmerlich zu. Bald droht es zu stürzen. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/218>, abgerufen am 04.07.2024.