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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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etwas so Tückisches, Mordsüchtiges, ich möchte sagen, teuflisch Verbrecherisches,
daß man unwillkürlich von einer Schen gefaßt wird; und mit diesem Blick starren
sie die erwartete Beute unverrückt an. Sieht der Wanderer zwanzig Wolfsköpse
aus dem Gebüsch hervorgucken, so sind auch gewiß die vierzig rothfnnkelnden
Allgen dieser Köpfe so starr und böswillig, wie die Mündungen von einem Dutzend
feindlicher Flintenläufe, auf ihn gerichtet.

Ein alter Zimmermann ans Petrikau, der seines Brotes halber täglich Mor¬
gens und Abends den Waldweg zwischen Bialobrzegi nach Zajonna zu gehen
hatte, war in der Gegend wegen seiner Abenteuer mit Wölfen und seiner Nuhe
berühmt. Er selbst versicherte, unzählige Male auf Häuser von Wölfen ge¬
stoßen, aber nie von den Gegnern zu einem Kampfe gezwungen worden zu sein.
"Sobald ich sah," erzählte der Mann, "daß mir die Canaillen den Weg abge¬
schnitten hatten, nahm ich meinen ansehnlichen Knittel fest in die rechte Hand, die
Axt aber ans dem Gürtel und unter den linken Arm, und nun schritt ich scharf
darauf los und stierte die Bestien so sest und verwegen an, wie immer möglich.
Bis ans eine Nähe von zwanzig bis dreißig Schritten pflegten sie ihre Stellung
uicht zu verändern und sich nicht zu rühren, als ob sie felsenfest in ihrem Ent¬
schlüsse wären. Allem ich trat allemal ohne Furcht drauf los, und nur begannen
sie böse und unruhig zu werdeu, duckten die Köpfe tiefer, borsteten die Haare
empor, krümmten die Rücken etwas, zogen die Schwänze trampfig unter den
Leib, knurrten oder winselten und gaben mehrere derartige Zeichen der Wuth von
sich; zugleich wurden sie aber auch wankend in ihrer Stellung und trippelten mit
den Beinen, und wenn ich nun ganz dicht herankam, so fanden sie für anständig,
sich einige Schritte zur Seite zu ziehen. Sind sie der Art aus dem Wege ge¬
drängt, so hat mau zuversichtlich die Gefahr überwunden und die Thiere ent-
muthigt; doch ist es noch immer nöthig, vorsichtig zu sein. Die beste Vorsicht aber
ist, sobald man das Nudel durchbrochen, sich gleich umzuwenden und rückwärts zu
gehen, dabei aber die Teufelsbrut sest im Auge zu behalten, bis mau ihr völlig
aus dem Gesicht gekommen ist. Bisweilen erlauben sich die Thiere, dem
Wanderer zu folgen. Sie gehen dann in zwei zerstreuten. Haufen zu beiden
Seiten des Wegs, eilen dem Menschen aber nie voraus, souderu folgen ihm uur
und halten mit ihm gleichen Schritt. stachelt sie der Hunger, so versucht wohl
bald hier bald dort Einer hervorzubrechen und es kostet Mühe, sie in Respect
zu erhalten. Wird man so verfolgt, so kommt es darauf an, sie uur so lange
von sich abzuhalten, bis mau eine lichte Stelle im Walde oder einen offenen Platz
erreicht. Wo die Finsterniß des Dickichts endet, pflegt anch ihr Muth aufzu¬
hören. Bei der Retirade darf man es nicht wagen, anders als rückwärts zu
gehen, und zwar so langsam, als möglich. Ist die Wanderung laug und müh¬
selig, so bleibt man bisweilen stehen. Die Wölfe pflegen dann mich stehen
, zu bleiben, oder sich wenigstens uur auf ihrer Stelle zu rühren. Jeder von


etwas so Tückisches, Mordsüchtiges, ich möchte sagen, teuflisch Verbrecherisches,
daß man unwillkürlich von einer Schen gefaßt wird; und mit diesem Blick starren
sie die erwartete Beute unverrückt an. Sieht der Wanderer zwanzig Wolfsköpse
aus dem Gebüsch hervorgucken, so sind auch gewiß die vierzig rothfnnkelnden
Allgen dieser Köpfe so starr und böswillig, wie die Mündungen von einem Dutzend
feindlicher Flintenläufe, auf ihn gerichtet.

Ein alter Zimmermann ans Petrikau, der seines Brotes halber täglich Mor¬
gens und Abends den Waldweg zwischen Bialobrzegi nach Zajonna zu gehen
hatte, war in der Gegend wegen seiner Abenteuer mit Wölfen und seiner Nuhe
berühmt. Er selbst versicherte, unzählige Male auf Häuser von Wölfen ge¬
stoßen, aber nie von den Gegnern zu einem Kampfe gezwungen worden zu sein.
„Sobald ich sah," erzählte der Mann, „daß mir die Canaillen den Weg abge¬
schnitten hatten, nahm ich meinen ansehnlichen Knittel fest in die rechte Hand, die
Axt aber ans dem Gürtel und unter den linken Arm, und nun schritt ich scharf
darauf los und stierte die Bestien so sest und verwegen an, wie immer möglich.
Bis ans eine Nähe von zwanzig bis dreißig Schritten pflegten sie ihre Stellung
uicht zu verändern und sich nicht zu rühren, als ob sie felsenfest in ihrem Ent¬
schlüsse wären. Allem ich trat allemal ohne Furcht drauf los, und nur begannen
sie böse und unruhig zu werdeu, duckten die Köpfe tiefer, borsteten die Haare
empor, krümmten die Rücken etwas, zogen die Schwänze trampfig unter den
Leib, knurrten oder winselten und gaben mehrere derartige Zeichen der Wuth von
sich; zugleich wurden sie aber auch wankend in ihrer Stellung und trippelten mit
den Beinen, und wenn ich nun ganz dicht herankam, so fanden sie für anständig,
sich einige Schritte zur Seite zu ziehen. Sind sie der Art aus dem Wege ge¬
drängt, so hat mau zuversichtlich die Gefahr überwunden und die Thiere ent-
muthigt; doch ist es noch immer nöthig, vorsichtig zu sein. Die beste Vorsicht aber
ist, sobald man das Nudel durchbrochen, sich gleich umzuwenden und rückwärts zu
gehen, dabei aber die Teufelsbrut sest im Auge zu behalten, bis mau ihr völlig
aus dem Gesicht gekommen ist. Bisweilen erlauben sich die Thiere, dem
Wanderer zu folgen. Sie gehen dann in zwei zerstreuten. Haufen zu beiden
Seiten des Wegs, eilen dem Menschen aber nie voraus, souderu folgen ihm uur
und halten mit ihm gleichen Schritt. stachelt sie der Hunger, so versucht wohl
bald hier bald dort Einer hervorzubrechen und es kostet Mühe, sie in Respect
zu erhalten. Wird man so verfolgt, so kommt es darauf an, sie uur so lange
von sich abzuhalten, bis mau eine lichte Stelle im Walde oder einen offenen Platz
erreicht. Wo die Finsterniß des Dickichts endet, pflegt anch ihr Muth aufzu¬
hören. Bei der Retirade darf man es nicht wagen, anders als rückwärts zu
gehen, und zwar so langsam, als möglich. Ist die Wanderung laug und müh¬
selig, so bleibt man bisweilen stehen. Die Wölfe pflegen dann mich stehen
, zu bleiben, oder sich wenigstens uur auf ihrer Stelle zu rühren. Jeder von


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[0217] etwas so Tückisches, Mordsüchtiges, ich möchte sagen, teuflisch Verbrecherisches, daß man unwillkürlich von einer Schen gefaßt wird; und mit diesem Blick starren sie die erwartete Beute unverrückt an. Sieht der Wanderer zwanzig Wolfsköpse aus dem Gebüsch hervorgucken, so sind auch gewiß die vierzig rothfnnkelnden Allgen dieser Köpfe so starr und böswillig, wie die Mündungen von einem Dutzend feindlicher Flintenläufe, auf ihn gerichtet. Ein alter Zimmermann ans Petrikau, der seines Brotes halber täglich Mor¬ gens und Abends den Waldweg zwischen Bialobrzegi nach Zajonna zu gehen hatte, war in der Gegend wegen seiner Abenteuer mit Wölfen und seiner Nuhe berühmt. Er selbst versicherte, unzählige Male auf Häuser von Wölfen ge¬ stoßen, aber nie von den Gegnern zu einem Kampfe gezwungen worden zu sein. „Sobald ich sah," erzählte der Mann, „daß mir die Canaillen den Weg abge¬ schnitten hatten, nahm ich meinen ansehnlichen Knittel fest in die rechte Hand, die Axt aber ans dem Gürtel und unter den linken Arm, und nun schritt ich scharf darauf los und stierte die Bestien so sest und verwegen an, wie immer möglich. Bis ans eine Nähe von zwanzig bis dreißig Schritten pflegten sie ihre Stellung uicht zu verändern und sich nicht zu rühren, als ob sie felsenfest in ihrem Ent¬ schlüsse wären. Allem ich trat allemal ohne Furcht drauf los, und nur begannen sie böse und unruhig zu werdeu, duckten die Köpfe tiefer, borsteten die Haare empor, krümmten die Rücken etwas, zogen die Schwänze trampfig unter den Leib, knurrten oder winselten und gaben mehrere derartige Zeichen der Wuth von sich; zugleich wurden sie aber auch wankend in ihrer Stellung und trippelten mit den Beinen, und wenn ich nun ganz dicht herankam, so fanden sie für anständig, sich einige Schritte zur Seite zu ziehen. Sind sie der Art aus dem Wege ge¬ drängt, so hat mau zuversichtlich die Gefahr überwunden und die Thiere ent- muthigt; doch ist es noch immer nöthig, vorsichtig zu sein. Die beste Vorsicht aber ist, sobald man das Nudel durchbrochen, sich gleich umzuwenden und rückwärts zu gehen, dabei aber die Teufelsbrut sest im Auge zu behalten, bis mau ihr völlig aus dem Gesicht gekommen ist. Bisweilen erlauben sich die Thiere, dem Wanderer zu folgen. Sie gehen dann in zwei zerstreuten. Haufen zu beiden Seiten des Wegs, eilen dem Menschen aber nie voraus, souderu folgen ihm uur und halten mit ihm gleichen Schritt. stachelt sie der Hunger, so versucht wohl bald hier bald dort Einer hervorzubrechen und es kostet Mühe, sie in Respect zu erhalten. Wird man so verfolgt, so kommt es darauf an, sie uur so lange von sich abzuhalten, bis mau eine lichte Stelle im Walde oder einen offenen Platz erreicht. Wo die Finsterniß des Dickichts endet, pflegt anch ihr Muth aufzu¬ hören. Bei der Retirade darf man es nicht wagen, anders als rückwärts zu gehen, und zwar so langsam, als möglich. Ist die Wanderung laug und müh¬ selig, so bleibt man bisweilen stehen. Die Wölfe pflegen dann mich stehen , zu bleiben, oder sich wenigstens uur auf ihrer Stelle zu rühren. Jeder von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/217>, abgerufen am 23.07.2024.