Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.Postillon reißt dem Beamten den Säbel ans den Händen, um die Stränge durch- Aehnliche Ereignisse kommen zwischen der Weichsel und Lithauen, wo die Deun die zu Wohnungen bestimmten Gebäude bestehen zwar aus dicken Bisweilen gelingt es, die Räuber bei dem Rande zu fangen, doch wird Postillon reißt dem Beamten den Säbel ans den Händen, um die Stränge durch- Aehnliche Ereignisse kommen zwischen der Weichsel und Lithauen, wo die Deun die zu Wohnungen bestimmten Gebäude bestehen zwar aus dicken Bisweilen gelingt es, die Räuber bei dem Rande zu fangen, doch wird <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91957"/> <p xml:id="ID_656" prev="#ID_655"> Postillon reißt dem Beamten den Säbel ans den Händen, um die Stränge durch-<lb/> zuhauen und das halb zerrissene Pferd zurückzulassen. Dies, mag er glauben,<lb/> werde die Wölfe befriedigen und die übrigen drei Pferde und Menschen retten.<lb/> Aber das unglückliche Thier rennt noch, es bietet, von Schmerzen gemartert, alle<lb/> seine Kräfte auf. Die Fahrt wird rasend schnell; der Postillon, mit Durchschlagen<lb/> der Stränge beschäftigt und ans den Weg nicht achtend, wird von seinem schmalen<lb/> Sitze geschleudert, eine Strecke geschleift und bleibt endlich überfahren und besin¬<lb/> nungslos deu Wölfen zur Beute liegen. Man hat nie wieder etwas von ihm<lb/> gesehen, auch seinen Körper nicht gefunden. — Ein Theil der Wölfe war bei den<lb/> Körpern des Postillons und des Pferdes zurückgeblieben. Vier indeß begleiteten<lb/> den Schlitten bis in das Dorf Uchnin, wo mehrere Bauern die vou Furcht rasen¬<lb/> den Pferde aufhielten, zwei Wölfe mit den Aexten niederschlugen und die letzten<lb/> beiden zur Flucht nöthigten. Die Dame starb einige Wochen darauf in War¬<lb/> schau, wo sie geheilt werdeu sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_657"> Aehnliche Ereignisse kommen zwischen der Weichsel und Lithauen, wo die<lb/> wildeu Sumpfwälder sich befinden, in jedem harten Winter vor. Die Thiere sind<lb/> dort, auf ihre Meuge trotzend, so dreist, daß sie an Hellem Tage in die Ort¬<lb/> schaften, ja selbst in die Gehöfte, die freilich durch ihre elenden Barrieren nicht<lb/> geschützt sind, bringen, und Hausthiere rauben oder was sie sonst finden. Selbst<lb/> in den größern Städten schenen sie sich nicht Besuche zu machen und in Siedlce<lb/> holten sie einst mitten in der Stadt — allerdings bei Nachtzeit — einen<lb/> Hund vou der Kette weg. Daß sie in die Ställe einbrechen und schreckliche<lb/> Verheerungen anrichten, ist gewöhnlich. Sie Pflegen sich nnter der Wand des<lb/> Stalles dnrch die Erde zu wühlen, und leider gelingt dies nur zu leicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_658"> Deun die zu Wohnungen bestimmten Gebäude bestehen zwar aus dicken<lb/> finsteren Bohlen, die mit den scharfen Kanten gut ans einander gefügt und im<lb/> Innern des Gebäudes mit Kalk verkleidet sind, die Wände der Ställe dagegen<lb/> sind aus langen finsteren Stangen gebant, die mit ihren Enden in die Falze<lb/> ansteche stehender Säulen eingelassen sind. So gleichen die Ställe den Vogel-<lb/> bauern. Die dünnen Stämme lassen sich nach allen Seiten hin biegen und ver¬<lb/> gönnen leicht deu Eintritt. Die Wölfe aber machen nur zu gern von einer so<lb/> freundlichen Nachgiebigkeit Gebrauch. Zwar bedient man sich der Vorsicht, diese<lb/> Stangenwände durch angelegte Mistmasseu für die Winterzeit massiv zu machen,<lb/> doch ist der leichte Mist nicht das beste Material, Polens dummdreiste Wölfe<lb/> abzuhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_659" next="#ID_660"> Bisweilen gelingt es, die Räuber bei dem Rande zu fangen, doch wird<lb/> dies selten geschehen, ehe sie Unheil angerichtet haben. Jn Romza, dem Dorfe<lb/> eines Herrn v. Patritowski, brachen gerade in der Nacht, welche ich auf<lb/> dem Gute verweilte, fünf Wölfe dnrch die schlechte Wand eines Stalles, in dem<lb/> sich über dreihundert Stück Schafe befanden. Der Lärm, welcher in d^in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
Postillon reißt dem Beamten den Säbel ans den Händen, um die Stränge durch-
zuhauen und das halb zerrissene Pferd zurückzulassen. Dies, mag er glauben,
werde die Wölfe befriedigen und die übrigen drei Pferde und Menschen retten.
Aber das unglückliche Thier rennt noch, es bietet, von Schmerzen gemartert, alle
seine Kräfte auf. Die Fahrt wird rasend schnell; der Postillon, mit Durchschlagen
der Stränge beschäftigt und ans den Weg nicht achtend, wird von seinem schmalen
Sitze geschleudert, eine Strecke geschleift und bleibt endlich überfahren und besin¬
nungslos deu Wölfen zur Beute liegen. Man hat nie wieder etwas von ihm
gesehen, auch seinen Körper nicht gefunden. — Ein Theil der Wölfe war bei den
Körpern des Postillons und des Pferdes zurückgeblieben. Vier indeß begleiteten
den Schlitten bis in das Dorf Uchnin, wo mehrere Bauern die vou Furcht rasen¬
den Pferde aufhielten, zwei Wölfe mit den Aexten niederschlugen und die letzten
beiden zur Flucht nöthigten. Die Dame starb einige Wochen darauf in War¬
schau, wo sie geheilt werdeu sollte.
Aehnliche Ereignisse kommen zwischen der Weichsel und Lithauen, wo die
wildeu Sumpfwälder sich befinden, in jedem harten Winter vor. Die Thiere sind
dort, auf ihre Meuge trotzend, so dreist, daß sie an Hellem Tage in die Ort¬
schaften, ja selbst in die Gehöfte, die freilich durch ihre elenden Barrieren nicht
geschützt sind, bringen, und Hausthiere rauben oder was sie sonst finden. Selbst
in den größern Städten schenen sie sich nicht Besuche zu machen und in Siedlce
holten sie einst mitten in der Stadt — allerdings bei Nachtzeit — einen
Hund vou der Kette weg. Daß sie in die Ställe einbrechen und schreckliche
Verheerungen anrichten, ist gewöhnlich. Sie Pflegen sich nnter der Wand des
Stalles dnrch die Erde zu wühlen, und leider gelingt dies nur zu leicht.
Deun die zu Wohnungen bestimmten Gebäude bestehen zwar aus dicken
finsteren Bohlen, die mit den scharfen Kanten gut ans einander gefügt und im
Innern des Gebäudes mit Kalk verkleidet sind, die Wände der Ställe dagegen
sind aus langen finsteren Stangen gebant, die mit ihren Enden in die Falze
ansteche stehender Säulen eingelassen sind. So gleichen die Ställe den Vogel-
bauern. Die dünnen Stämme lassen sich nach allen Seiten hin biegen und ver¬
gönnen leicht deu Eintritt. Die Wölfe aber machen nur zu gern von einer so
freundlichen Nachgiebigkeit Gebrauch. Zwar bedient man sich der Vorsicht, diese
Stangenwände durch angelegte Mistmasseu für die Winterzeit massiv zu machen,
doch ist der leichte Mist nicht das beste Material, Polens dummdreiste Wölfe
abzuhalten.
Bisweilen gelingt es, die Räuber bei dem Rande zu fangen, doch wird
dies selten geschehen, ehe sie Unheil angerichtet haben. Jn Romza, dem Dorfe
eines Herrn v. Patritowski, brachen gerade in der Nacht, welche ich auf
dem Gute verweilte, fünf Wölfe dnrch die schlechte Wand eines Stalles, in dem
sich über dreihundert Stück Schafe befanden. Der Lärm, welcher in d^in
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