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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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bar macht, indem sie dem Selbstregiment der Provinzen mehr überläßt; welche
haushälterisch, vorsichtig, calcnlirend selbst ihre Meliorationen überwacht. Die
gegenwärtige Regierung aber gleicht einem Dilettanten in der Landwirthschaft,
welcher mit geringem Capital und vielen Theorien ein großes verwüstetes Gut
übernimmt und alle Kräfte anspannt, dasselbe schnell in die Höhe zu bringen und
einen Reinertrag zu gewinnen. Emsig und rastlos unternimmt er alle möglichen
Verbesserungen, wirft Capital auf Capital in die unergiebigen Aecker, verändert
und verstört alles Herkömmliche, welches an sich wirklich schlechter ist, als das
was er einführen will, und hat zuletzt sich und seine Fluren trotz aller Mühe,
allem guten Willen doch ruinirt, nicht verbessert, weil ihm Ruhe, Consequenz und
Sparsamkeit fehlten. Der Kaiser schwärmt für sein Heer, und Millionen über
Millionen werden für das elegante Aussehen, die imposante Masse rücksichtslos
ausgegeben; der Justizminister fordert große Summen für die schnellste Umfor¬
mung der Rechtspflege; der Minister des Innern nicht weniger für die Germa-
nisirung Ungarns durch deutsche Beamte; der Ministerpräsident nicht weniger für
die Erhebung Oestreichs im Ausland; für ungeheure Festungsbauten, lange Ei-
senbahnen, Stromregnlirungen werden colossale Summen ohne Bedenken ausge¬
worfen. Ueberall wird geändert, gebessert, reformirt, und überall flüchtig, scho¬
nungslos, mit Dilettanteneifer, ohne daß ein leitender Geist Zusammenhang und
das rechte Verhältniß in die einzelnen Reformen brächte. Zu dieser Art von
Beamtenrefvrm fehlen uns Arbeitskraft und Capital, sie ruinirt uns gerade durch
ihren guten Willen.

Die neue Vereinigung Oestreichs mit Deutschland aber trägt dazu bei, das
gegenwärtige verderbliche System zu befestigen, sie droht uns unsere einzige Ret¬
tung: verständige Provinzialv erfassungeu, schleunige Einberu¬
fung des Reichstags, Regulirung der Staatsschuld und Verwal¬
tung durch Mithilfe der Völker hinauszuschieben, oder doch die guten Folgen
dieser Maßregeln zu Paralysiren.

Die Befriedigung unseres Ehrgeizes, welcher nach alten Traditionen das
Principal über Deutschland durchzusetzen strebt, zwingt uns, ein Militärstaat zu
bleiben. Wir übernehmen Antheil und' Verpflichtung bei allen Kämpfen und
Verwickelungen, an denen die nächste Zukunft Deutschlands reich zu werden ver¬
spricht; wir werden in fremden Staaten zu pacifieiren, vielleicht anzugreifen und
zu vertheidigen haben. Die Nebenbuhlerschaft des kriegerischen Preußens wird
uns trotz aller Friedenspolitik zwingen, ein starkes Gegengewicht gegen dasselbe
in eiuer selbst Preußen imponirenden und stets kampsbereiten Armee zu conserviren,
welche uns bei weitem mehr kostet, als den Nebenbuhler, dessen eigenthümliche
militärische Organisation ihm ein starkes Heer anch bei sehr mäßigem Budget
erlaubt. Die Augen unserer Regenten werden mehr auf die Intriguen der denk-


bar macht, indem sie dem Selbstregiment der Provinzen mehr überläßt; welche
haushälterisch, vorsichtig, calcnlirend selbst ihre Meliorationen überwacht. Die
gegenwärtige Regierung aber gleicht einem Dilettanten in der Landwirthschaft,
welcher mit geringem Capital und vielen Theorien ein großes verwüstetes Gut
übernimmt und alle Kräfte anspannt, dasselbe schnell in die Höhe zu bringen und
einen Reinertrag zu gewinnen. Emsig und rastlos unternimmt er alle möglichen
Verbesserungen, wirft Capital auf Capital in die unergiebigen Aecker, verändert
und verstört alles Herkömmliche, welches an sich wirklich schlechter ist, als das
was er einführen will, und hat zuletzt sich und seine Fluren trotz aller Mühe,
allem guten Willen doch ruinirt, nicht verbessert, weil ihm Ruhe, Consequenz und
Sparsamkeit fehlten. Der Kaiser schwärmt für sein Heer, und Millionen über
Millionen werden für das elegante Aussehen, die imposante Masse rücksichtslos
ausgegeben; der Justizminister fordert große Summen für die schnellste Umfor¬
mung der Rechtspflege; der Minister des Innern nicht weniger für die Germa-
nisirung Ungarns durch deutsche Beamte; der Ministerpräsident nicht weniger für
die Erhebung Oestreichs im Ausland; für ungeheure Festungsbauten, lange Ei-
senbahnen, Stromregnlirungen werden colossale Summen ohne Bedenken ausge¬
worfen. Ueberall wird geändert, gebessert, reformirt, und überall flüchtig, scho¬
nungslos, mit Dilettanteneifer, ohne daß ein leitender Geist Zusammenhang und
das rechte Verhältniß in die einzelnen Reformen brächte. Zu dieser Art von
Beamtenrefvrm fehlen uns Arbeitskraft und Capital, sie ruinirt uns gerade durch
ihren guten Willen.

Die neue Vereinigung Oestreichs mit Deutschland aber trägt dazu bei, das
gegenwärtige verderbliche System zu befestigen, sie droht uns unsere einzige Ret¬
tung: verständige Provinzialv erfassungeu, schleunige Einberu¬
fung des Reichstags, Regulirung der Staatsschuld und Verwal¬
tung durch Mithilfe der Völker hinauszuschieben, oder doch die guten Folgen
dieser Maßregeln zu Paralysiren.

Die Befriedigung unseres Ehrgeizes, welcher nach alten Traditionen das
Principal über Deutschland durchzusetzen strebt, zwingt uns, ein Militärstaat zu
bleiben. Wir übernehmen Antheil und' Verpflichtung bei allen Kämpfen und
Verwickelungen, an denen die nächste Zukunft Deutschlands reich zu werden ver¬
spricht; wir werden in fremden Staaten zu pacifieiren, vielleicht anzugreifen und
zu vertheidigen haben. Die Nebenbuhlerschaft des kriegerischen Preußens wird
uns trotz aller Friedenspolitik zwingen, ein starkes Gegengewicht gegen dasselbe
in eiuer selbst Preußen imponirenden und stets kampsbereiten Armee zu conserviren,
welche uns bei weitem mehr kostet, als den Nebenbuhler, dessen eigenthümliche
militärische Organisation ihm ein starkes Heer anch bei sehr mäßigem Budget
erlaubt. Die Augen unserer Regenten werden mehr auf die Intriguen der denk-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/20>, abgerufen am 20.06.2024.