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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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die jetzt bereits ein Viertheil ihres Werthes beträgt, seit drei Jahren eine ge¬
heimnißvolle Lähmung unseres Verkehrs, Vertheuerung unserer Bedürfnisse, Un¬
sicherheit im Erwerb, Demoralisation des Geldhandels und kleinen Verkehrs.
Wir fahren auf unruhigen Wogen daher mit dem Leck am Boden des Schiffes,
hören die Dämonen der Vernichtung nnter uns stöhnen, und sehen täglich an dem
Zollmesser der Börse unsern Untergang immer näher und immer drohender vor
Anger. Der Credit des Staates ist vernichtet, die Ausgaben übersteigen jähr¬
lich die Einnahmen um eine ungeheure Summe, deren Höhe die Regierung
nicht einmal bekannt zu macheu wagt. Die gegenwärtige Regierung befolgt Prin¬
cipien, welche es ihr unmöglich mandelt die Ausgaben bedeutend zu verringern,
sie kann die Trümmer des alten Oestreich nur durch militärische Despotie zu einem
centralisirten Beamtenstaat verwandeln, sie kann dazu ein ungeheures Heer und
Cohorten vou besoldeten Beamten nicht entbehren; sie muß dies Alles thun gegen
den Willen der Völker, deren Widerstand sie erst dnrch offenen zweijährigen
Krieg gebrochen hat; sie muß Anleihe ans Allleihe machen, dnrch immer neue
Allsgabe von Papierzetteln den Werth derselben immer mehr herunterdrücken, sie muß
dies Alles thun wieder gegen den Willen der Völker, welche durch dies fingirte lind
geliehene Geld im Zwange erhalten werden. Und so bedeutet das gegenwärtige
Princip der Regierung für Oestreich: Fortdauernde Verringerung der productiven
Kraft des Laudes, Verarmung der Volker, ein gefährlicher Staatsbankerott,
Schwäche und organische Auflösung des Kaiserstaates.

Es ist wahr, die Kraft eiues Volkes ist unermeßlich, und wenn unsere Ne¬
gierung auch durch die nächsten zehn Jahr jährlich ungefähr 50 Millionen mehr
kostet, als sie einnimmt, unser Staat könnte den Abgang ertragen, wenn die
Schwäche und Auszehrung uicht schon so tief in seinem Leben säße. Die
verminderten Nutzheerdcu Ungarns können in vier bis fünf Jahren wieder her¬
gestellt sein; aber die furchtbare Stockung in der Agricultur, welche durch die
despotische Aufhebung der bäuerlichen Dienste und servitutem bei uus eingetreten
ist, wird wohl erst nach einem Menschenalter einer neuen und kräftigeren Production
durch kleineren Grundbesitz Naum geben, lind eben so lange mag es dauern, bis
die wohlthätigen Folgen der projectirten Zolleinigung neuen gesunden Aufschwung
in unserem Verkehröleben hervorbringen. Es ist unserer sanguinischen Natur
eigen, sich über Werth lind Wirkung dieser Hilfsmittel zu täuschen, und plötzliche
Rettung von Maßregeln zu erwarten, welche im günstigen Fall nur langsam lind
lei,e wirkell können. Es ist unmöglich, daß wir bei dem gegenwärtigen Negie-
rmlgssystem in den nächstell zehn Jahren Einnahme lind Allsgabe balancirt sehn,
es ist unmöglich, daß wir in unserer Lage ein jährliches Deficit-von 40-50
Millionen so lange ertragen. Uns kann nnr eine Regierung retten, welche mit
einem bei weitem kleineren Budget den Staat zu lenken vermag; eine Regierung,
welche den Militäretat um die Hälfte verringert, die Administration weniger kost-


die jetzt bereits ein Viertheil ihres Werthes beträgt, seit drei Jahren eine ge¬
heimnißvolle Lähmung unseres Verkehrs, Vertheuerung unserer Bedürfnisse, Un¬
sicherheit im Erwerb, Demoralisation des Geldhandels und kleinen Verkehrs.
Wir fahren auf unruhigen Wogen daher mit dem Leck am Boden des Schiffes,
hören die Dämonen der Vernichtung nnter uns stöhnen, und sehen täglich an dem
Zollmesser der Börse unsern Untergang immer näher und immer drohender vor
Anger. Der Credit des Staates ist vernichtet, die Ausgaben übersteigen jähr¬
lich die Einnahmen um eine ungeheure Summe, deren Höhe die Regierung
nicht einmal bekannt zu macheu wagt. Die gegenwärtige Regierung befolgt Prin¬
cipien, welche es ihr unmöglich mandelt die Ausgaben bedeutend zu verringern,
sie kann die Trümmer des alten Oestreich nur durch militärische Despotie zu einem
centralisirten Beamtenstaat verwandeln, sie kann dazu ein ungeheures Heer und
Cohorten vou besoldeten Beamten nicht entbehren; sie muß dies Alles thun gegen
den Willen der Völker, deren Widerstand sie erst dnrch offenen zweijährigen
Krieg gebrochen hat; sie muß Anleihe ans Allleihe machen, dnrch immer neue
Allsgabe von Papierzetteln den Werth derselben immer mehr herunterdrücken, sie muß
dies Alles thun wieder gegen den Willen der Völker, welche durch dies fingirte lind
geliehene Geld im Zwange erhalten werden. Und so bedeutet das gegenwärtige
Princip der Regierung für Oestreich: Fortdauernde Verringerung der productiven
Kraft des Laudes, Verarmung der Volker, ein gefährlicher Staatsbankerott,
Schwäche und organische Auflösung des Kaiserstaates.

Es ist wahr, die Kraft eiues Volkes ist unermeßlich, und wenn unsere Ne¬
gierung auch durch die nächsten zehn Jahr jährlich ungefähr 50 Millionen mehr
kostet, als sie einnimmt, unser Staat könnte den Abgang ertragen, wenn die
Schwäche und Auszehrung uicht schon so tief in seinem Leben säße. Die
verminderten Nutzheerdcu Ungarns können in vier bis fünf Jahren wieder her¬
gestellt sein; aber die furchtbare Stockung in der Agricultur, welche durch die
despotische Aufhebung der bäuerlichen Dienste und servitutem bei uus eingetreten
ist, wird wohl erst nach einem Menschenalter einer neuen und kräftigeren Production
durch kleineren Grundbesitz Naum geben, lind eben so lange mag es dauern, bis
die wohlthätigen Folgen der projectirten Zolleinigung neuen gesunden Aufschwung
in unserem Verkehröleben hervorbringen. Es ist unserer sanguinischen Natur
eigen, sich über Werth lind Wirkung dieser Hilfsmittel zu täuschen, und plötzliche
Rettung von Maßregeln zu erwarten, welche im günstigen Fall nur langsam lind
lei,e wirkell können. Es ist unmöglich, daß wir bei dem gegenwärtigen Negie-
rmlgssystem in den nächstell zehn Jahren Einnahme lind Allsgabe balancirt sehn,
es ist unmöglich, daß wir in unserer Lage ein jährliches Deficit-von 40-50
Millionen so lange ertragen. Uns kann nnr eine Regierung retten, welche mit
einem bei weitem kleineren Budget den Staat zu lenken vermag; eine Regierung,
welche den Militäretat um die Hälfte verringert, die Administration weniger kost-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/19>, abgerufen am 20.06.2024.