Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.schen Politik gelenkt, als unsere eigenen schmerzlichen Wunden vertragen, die alten Aber noch mehr. Ein Theil der östreichischen Völker ist der Vereinigung Feruer ist wahrscheinlich -- und unsere Finanzmänner hoffen es -- daß die Aus diesen Gründen freuen wir uns nicht des Bundes vou Dresden, Grenzvoten. 1. 1851.^
schen Politik gelenkt, als unsere eigenen schmerzlichen Wunden vertragen, die alten Aber noch mehr. Ein Theil der östreichischen Völker ist der Vereinigung Feruer ist wahrscheinlich — und unsere Finanzmänner hoffen es — daß die Aus diesen Gründen freuen wir uns nicht des Bundes vou Dresden, Grenzvoten. 1. 1851.^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91758"/> <p xml:id="ID_29" prev="#ID_28"> schen Politik gelenkt, als unsere eigenen schmerzlichen Wunden vertragen, die alten<lb/> dynastischen Wünsche des regierenden Hauses erhalten eine anch für unsere Ent¬<lb/> wickelung bedenkliche Kräftigung. Die Regierung zwingt uns größer und stärker<lb/> zu scheinen, als wir gegenwärtig sind, und die Völker müssen diesen falschen<lb/> Schein theuer bezahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_30"> Aber noch mehr. Ein Theil der östreichischen Völker ist der Vereinigung<lb/> mit Deutschland entschieden abgeneigt; schon ihr Widerstand würde bei einer Zu-<lb/> sammenberufung des Reichstags patriotische Opfer erschweren, vielleicht unmöglich<lb/> machen. Und wie soll ein Reichstag, wie soll jede Art von Volksvertretung<lb/> neben der Bundesregierung bei uus zu Leben und Wirksamkeit kommen? Die<lb/> Regierung, schou jetzt hochfahrend und rücksichtslos, wird als Mitglied, vielleicht<lb/> als Führerin eines deutschen Völkerbundes ihren eigenen Völkern gegenüber in<lb/> der nächsten Zeit ganz andere Sprache führen und viel weniger geneigt sein, un¬<lb/> sern Bedürfnissen Concessionen zu macheu, als wenn sie allein, ohne Rückhalt und<lb/> fremde Hilfstruppen ihren unzufriedenen Bürgern gegenübersteht. Schon in der<lb/> nächsten Zukunft, bevor noch der verhältnißmäßig größere Liberalismus Deutsch-<lb/> lands seine guten Wirkungen auf uns ausgeübt hätte, muß das Selbstgefühl der<lb/> Regierungen uns verderblich werdeu.</p><lb/> <p xml:id="ID_31"> Feruer ist wahrscheinlich — und unsere Finanzmänner hoffen es — daß die<lb/> momentane Erhöhung unseres Ansehens und die glänzende Rolle, welche wir als<lb/> Pacificatoren Deutschlands spielen dürfen, der Negierung ein neues Anlehn<lb/> möglich machen und deu Cours unseres Papiergeldes auf ewige Wochen in die<lb/> Höhe treiben wird. Selbst diese beiden an sich guten Erfolge siud für uus ein<lb/> Unglück, weil sie unsrer Regierung die Aussicht gewähren, auf einem Wege, an<lb/> dessen Ende jedes Unheil liegt, noch länger fortzugehen, ohne unsere Lage in<lb/> Wirklichkeit zu verbessern. Im Gegentheil wird dadurch die Hilfe von Neuem<lb/> in Ungewisse unberechenbare Zukunft hinausgeschoben und die Zeit verhältnißmä¬<lb/> ßiger Ruhe, innern und äußern Friedens wird vorübergehen, ohne uus etwas<lb/> Anderes zu bringen, als Staatsbaukerott und Ruin unseres ganzen Besitzstandes<lb/> schon im Anfang eines künftigen Krieges.</p><lb/> <p xml:id="ID_32"> Aus diesen Gründen freuen wir uns nicht des Bundes vou Dresden,<lb/> wir freisinnige Männer, welche ihr Vaterland besser lieben, als Viele der „gut¬<lb/> gesinnten" Bürger, welche um uns herum auf das Wohl des Ministeriums jodeln<lb/> und die Becher leeren. Und währeud die Geige singt und die Pauke im Wirbel<lb/> dröhnt, richtet sich in Wien am Sylvesterabend mancher Blick zu Se. Stephans-<lb/> Thurm und der kaiserlichen Burg empor, um welche sich in der Mitternachtsstunde<lb/> in Nebel gehüllt die Geister lagern, welche im nächsten Jahr die Luft der Douau-<lb/> stadt erfüllen und unsere Herzen bedrücken werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzvoten. 1. 1851.^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
schen Politik gelenkt, als unsere eigenen schmerzlichen Wunden vertragen, die alten
dynastischen Wünsche des regierenden Hauses erhalten eine anch für unsere Ent¬
wickelung bedenkliche Kräftigung. Die Regierung zwingt uns größer und stärker
zu scheinen, als wir gegenwärtig sind, und die Völker müssen diesen falschen
Schein theuer bezahlen.
Aber noch mehr. Ein Theil der östreichischen Völker ist der Vereinigung
mit Deutschland entschieden abgeneigt; schon ihr Widerstand würde bei einer Zu-
sammenberufung des Reichstags patriotische Opfer erschweren, vielleicht unmöglich
machen. Und wie soll ein Reichstag, wie soll jede Art von Volksvertretung
neben der Bundesregierung bei uus zu Leben und Wirksamkeit kommen? Die
Regierung, schou jetzt hochfahrend und rücksichtslos, wird als Mitglied, vielleicht
als Führerin eines deutschen Völkerbundes ihren eigenen Völkern gegenüber in
der nächsten Zeit ganz andere Sprache führen und viel weniger geneigt sein, un¬
sern Bedürfnissen Concessionen zu macheu, als wenn sie allein, ohne Rückhalt und
fremde Hilfstruppen ihren unzufriedenen Bürgern gegenübersteht. Schon in der
nächsten Zukunft, bevor noch der verhältnißmäßig größere Liberalismus Deutsch-
lands seine guten Wirkungen auf uns ausgeübt hätte, muß das Selbstgefühl der
Regierungen uns verderblich werdeu.
Feruer ist wahrscheinlich — und unsere Finanzmänner hoffen es — daß die
momentane Erhöhung unseres Ansehens und die glänzende Rolle, welche wir als
Pacificatoren Deutschlands spielen dürfen, der Negierung ein neues Anlehn
möglich machen und deu Cours unseres Papiergeldes auf ewige Wochen in die
Höhe treiben wird. Selbst diese beiden an sich guten Erfolge siud für uus ein
Unglück, weil sie unsrer Regierung die Aussicht gewähren, auf einem Wege, an
dessen Ende jedes Unheil liegt, noch länger fortzugehen, ohne unsere Lage in
Wirklichkeit zu verbessern. Im Gegentheil wird dadurch die Hilfe von Neuem
in Ungewisse unberechenbare Zukunft hinausgeschoben und die Zeit verhältnißmä¬
ßiger Ruhe, innern und äußern Friedens wird vorübergehen, ohne uus etwas
Anderes zu bringen, als Staatsbaukerott und Ruin unseres ganzen Besitzstandes
schon im Anfang eines künftigen Krieges.
Aus diesen Gründen freuen wir uns nicht des Bundes vou Dresden,
wir freisinnige Männer, welche ihr Vaterland besser lieben, als Viele der „gut¬
gesinnten" Bürger, welche um uns herum auf das Wohl des Ministeriums jodeln
und die Becher leeren. Und währeud die Geige singt und die Pauke im Wirbel
dröhnt, richtet sich in Wien am Sylvesterabend mancher Blick zu Se. Stephans-
Thurm und der kaiserlichen Burg empor, um welche sich in der Mitternachtsstunde
in Nebel gehüllt die Geister lagern, welche im nächsten Jahr die Luft der Douau-
stadt erfüllen und unsere Herzen bedrücken werden.
Grenzvoten. 1. 1851.^
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