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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Ermessen thun, sondern bringen nur das zur Ausübung, was vom finnischen
Meerbusen herab commandirt wird.

Bald wird das polnische Ministerium selbst in diesem jämmerlichen Verhält¬
nisse aufgehört haben, und bereits ist Alles für die Aufhebung desselben einge¬
leitet. Die Schritte, die zu diesem Zwecke geschehen sind, haben natürlich so
manchen nicht ganz gefühl- und gewissenlosen Merhet en -- und deren gibt
es doch in Polen noch genug -- tief entrüstet. Einer der- bedeutendsten unter
diesen Mißvergnügten ist der Graf August Potocki. Nicht die Verletzung, welche,
wie bekannt, vor einigen Jahren seine Familie durch das Schicksal eines seiner
Verwandten erfahren, sondern einzig und allein die zu weit gehenden rnsstschen
Pläne haben ihn veranlaßt, seine sämmtlichen Staatsämter und Staatswürden
niederzulegen und sich ganz vou deu öffentlichen Geschäften zurückzuziehen.

Seit diesem Ereigniß ist er anch im Schlosse sehr selten geworden, höchstens
am Namenstage des Fürsten Paskiewicz und bei ähnlichen Gelegenheiten, die sich
nicht gut ignoriren lassen, steht man ihn. Paskiewicz dagegen scheint zu fühlen,
wie gefährlich es für die Regierung ist, sich solche Männer zu Feinden zu macheu,
und erweist sich ihm, wo es sich nur in geschickter Weise thun läßt, sehr freund¬
lich. Graf August Potocki ist bekanntlich einer der reichsten Männer in Polen
und Rußland, in Polen unbedingt der reichste. Schon sein väterliches Erbe
bestand in fast unermeßlichen Besitzungen, und eine Mitgift von noch größerem
Umfang bat ihm seine Gemahlin zugebracht. Dieselbe ist eine geborene Gräfin
Brauicka und gilt in Warschau für eine stolze, aber doch liebenswürdige Dame.

Die Besitzungen des Grafen Potocki erstrecken sich dnrch Polen, Südrußland,
Podolien und Wolynien. Zu seinem Eigenthum gehört das berühmte, nach fran¬
zösischem Styl erbauete Wilanow, der beliebteste Wallfahrtsort der Warschauer,
der, nebenbei bemerkt, die einzige beachtenswerthe Bildergalerie in Polen enthält,
seitdem die des Fürsten Czartoryiski zu Pulawy dem Staate dnrch Confiscation
verfallen und nach Petersburg geschafft wordeu ist. Mau gibt die Zahl der Po-
tockischeu Unterthanen, d. h. der ans seinen Besitzungen angesessenen und ihm
nach Landesbrauch verpflichteten Personell ans einige Hnnderttanscil.de an und be¬
hauptet, daß er aus seinen eigenen Unterthanen ein Heer von dreißig- bis vier-
zigtausend Mann herstellen kann. Das mag übertrieben heilt, unbestreitbar ist,
daß August Potocki ein polnischer Herr ist, dessen freundliche Gesinnung der russischen
Regierung durchaus uicht gleichgültig sein kann, zumal da es scheint, daß er seiue
Kräfte mit gesunder Politik zu organisiren bestrebt ist. Er sucht nämlich
seine Besitzungen mehr und mehr zu concentriren, verkauft oder vertauscht, wo es
sich irgend thun läßt, die weit versprengten Theile seines Territoriums und er¬
weitert dieses da, wo sich die größte Masse desselben befindet, nämlich in Süd-
rußland und Podolien.

Früher spielte er eine hervorragende Rolle in den Gesellschaften des Statt-


Ermessen thun, sondern bringen nur das zur Ausübung, was vom finnischen
Meerbusen herab commandirt wird.

Bald wird das polnische Ministerium selbst in diesem jämmerlichen Verhält¬
nisse aufgehört haben, und bereits ist Alles für die Aufhebung desselben einge¬
leitet. Die Schritte, die zu diesem Zwecke geschehen sind, haben natürlich so
manchen nicht ganz gefühl- und gewissenlosen Merhet en — und deren gibt
es doch in Polen noch genug — tief entrüstet. Einer der- bedeutendsten unter
diesen Mißvergnügten ist der Graf August Potocki. Nicht die Verletzung, welche,
wie bekannt, vor einigen Jahren seine Familie durch das Schicksal eines seiner
Verwandten erfahren, sondern einzig und allein die zu weit gehenden rnsstschen
Pläne haben ihn veranlaßt, seine sämmtlichen Staatsämter und Staatswürden
niederzulegen und sich ganz vou deu öffentlichen Geschäften zurückzuziehen.

Seit diesem Ereigniß ist er anch im Schlosse sehr selten geworden, höchstens
am Namenstage des Fürsten Paskiewicz und bei ähnlichen Gelegenheiten, die sich
nicht gut ignoriren lassen, steht man ihn. Paskiewicz dagegen scheint zu fühlen,
wie gefährlich es für die Regierung ist, sich solche Männer zu Feinden zu macheu,
und erweist sich ihm, wo es sich nur in geschickter Weise thun läßt, sehr freund¬
lich. Graf August Potocki ist bekanntlich einer der reichsten Männer in Polen
und Rußland, in Polen unbedingt der reichste. Schon sein väterliches Erbe
bestand in fast unermeßlichen Besitzungen, und eine Mitgift von noch größerem
Umfang bat ihm seine Gemahlin zugebracht. Dieselbe ist eine geborene Gräfin
Brauicka und gilt in Warschau für eine stolze, aber doch liebenswürdige Dame.

Die Besitzungen des Grafen Potocki erstrecken sich dnrch Polen, Südrußland,
Podolien und Wolynien. Zu seinem Eigenthum gehört das berühmte, nach fran¬
zösischem Styl erbauete Wilanow, der beliebteste Wallfahrtsort der Warschauer,
der, nebenbei bemerkt, die einzige beachtenswerthe Bildergalerie in Polen enthält,
seitdem die des Fürsten Czartoryiski zu Pulawy dem Staate dnrch Confiscation
verfallen und nach Petersburg geschafft wordeu ist. Mau gibt die Zahl der Po-
tockischeu Unterthanen, d. h. der ans seinen Besitzungen angesessenen und ihm
nach Landesbrauch verpflichteten Personell ans einige Hnnderttanscil.de an und be¬
hauptet, daß er aus seinen eigenen Unterthanen ein Heer von dreißig- bis vier-
zigtausend Mann herstellen kann. Das mag übertrieben heilt, unbestreitbar ist,
daß August Potocki ein polnischer Herr ist, dessen freundliche Gesinnung der russischen
Regierung durchaus uicht gleichgültig sein kann, zumal da es scheint, daß er seiue
Kräfte mit gesunder Politik zu organisiren bestrebt ist. Er sucht nämlich
seine Besitzungen mehr und mehr zu concentriren, verkauft oder vertauscht, wo es
sich irgend thun läßt, die weit versprengten Theile seines Territoriums und er¬
weitert dieses da, wo sich die größte Masse desselben befindet, nämlich in Süd-
rußland und Podolien.

Früher spielte er eine hervorragende Rolle in den Gesellschaften des Statt-


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[0193] Ermessen thun, sondern bringen nur das zur Ausübung, was vom finnischen Meerbusen herab commandirt wird. Bald wird das polnische Ministerium selbst in diesem jämmerlichen Verhält¬ nisse aufgehört haben, und bereits ist Alles für die Aufhebung desselben einge¬ leitet. Die Schritte, die zu diesem Zwecke geschehen sind, haben natürlich so manchen nicht ganz gefühl- und gewissenlosen Merhet en — und deren gibt es doch in Polen noch genug — tief entrüstet. Einer der- bedeutendsten unter diesen Mißvergnügten ist der Graf August Potocki. Nicht die Verletzung, welche, wie bekannt, vor einigen Jahren seine Familie durch das Schicksal eines seiner Verwandten erfahren, sondern einzig und allein die zu weit gehenden rnsstschen Pläne haben ihn veranlaßt, seine sämmtlichen Staatsämter und Staatswürden niederzulegen und sich ganz vou deu öffentlichen Geschäften zurückzuziehen. Seit diesem Ereigniß ist er anch im Schlosse sehr selten geworden, höchstens am Namenstage des Fürsten Paskiewicz und bei ähnlichen Gelegenheiten, die sich nicht gut ignoriren lassen, steht man ihn. Paskiewicz dagegen scheint zu fühlen, wie gefährlich es für die Regierung ist, sich solche Männer zu Feinden zu macheu, und erweist sich ihm, wo es sich nur in geschickter Weise thun läßt, sehr freund¬ lich. Graf August Potocki ist bekanntlich einer der reichsten Männer in Polen und Rußland, in Polen unbedingt der reichste. Schon sein väterliches Erbe bestand in fast unermeßlichen Besitzungen, und eine Mitgift von noch größerem Umfang bat ihm seine Gemahlin zugebracht. Dieselbe ist eine geborene Gräfin Brauicka und gilt in Warschau für eine stolze, aber doch liebenswürdige Dame. Die Besitzungen des Grafen Potocki erstrecken sich dnrch Polen, Südrußland, Podolien und Wolynien. Zu seinem Eigenthum gehört das berühmte, nach fran¬ zösischem Styl erbauete Wilanow, der beliebteste Wallfahrtsort der Warschauer, der, nebenbei bemerkt, die einzige beachtenswerthe Bildergalerie in Polen enthält, seitdem die des Fürsten Czartoryiski zu Pulawy dem Staate dnrch Confiscation verfallen und nach Petersburg geschafft wordeu ist. Mau gibt die Zahl der Po- tockischeu Unterthanen, d. h. der ans seinen Besitzungen angesessenen und ihm nach Landesbrauch verpflichteten Personell ans einige Hnnderttanscil.de an und be¬ hauptet, daß er aus seinen eigenen Unterthanen ein Heer von dreißig- bis vier- zigtausend Mann herstellen kann. Das mag übertrieben heilt, unbestreitbar ist, daß August Potocki ein polnischer Herr ist, dessen freundliche Gesinnung der russischen Regierung durchaus uicht gleichgültig sein kann, zumal da es scheint, daß er seiue Kräfte mit gesunder Politik zu organisiren bestrebt ist. Er sucht nämlich seine Besitzungen mehr und mehr zu concentriren, verkauft oder vertauscht, wo es sich irgend thun läßt, die weit versprengten Theile seines Territoriums und er¬ weitert dieses da, wo sich die größte Masse desselben befindet, nämlich in Süd- rußland und Podolien. Früher spielte er eine hervorragende Rolle in den Gesellschaften des Statt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/193>, abgerufen am 27.06.2024.