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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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auch sie unwiderstehlich durch diese ConsegnenM fortgerissen und alünälig
ebenso in einen gewissen nicht übermäßigen Liberalismus hineingeführt wer¬
den dürften, wie sie vom Herbst 18-58 bis jetzt durch die politische Lage Oest¬
reichs in den Despotismus gezogen wordeu siud; und ebenso möglich ist, daß ein
großer Theil der Conservativen, welche jetzt den Nuhm des Kaiserhauses in dem
Principal über Deutschland sehen, sehr bald in heftige Opposition gegen dies
Bündniß gedrängt werden müssen: Die Priester, die Aristokraten, die regieren¬
den Militärs.

Sehr gewichtige Gründe hat der liberale Oestreicher, sich über den Bund
mit Deutschland zu freuen; und in der That ist dies Gefühl hier in manchem
patriotischen Herzen zu finden; woher kommt es doch, daß ich die Stirnen mei¬
ner Freunde heut umwölkt sehe und daß sie mit Sorge und Mißtrauen von
dem Bund sprechen, nnr wenige, aber nicht die schlechtesten Männer in der
Donaustadt? Woher kommt es, daß der Wein uns heut bitter schmeckt und das
neue Jahr uns j> finster anstarrt? -- Nicht deshalb, weil wir Bruck's Zoll-
eiuiguugspläne für ein Unglück halten. So groß auch die Gefahren sind, welche
einzelnen Industriezweigen beim Fallen der Zollschranken drohen, im Ganzen
und Großen wäre die Zolleiuiguug, wenn die deutschen Staaten sich dazu dispo-
niren ließen, für uus ein Glück, auch für unsere Industrie und die productive
Kraft des Staates. Aber Oestreich ist kein Staat, welchem vergönnt ist, sich
durch eine langsame Entwickelung seiner Kraft, durch ein leises, freundschaftliches An¬
lehnen an benachbarte Brnderstaaten zu Nuhe, Behagen und Wohlstand zu
erheben; wir haben nicht mehr Zeit auf die allmälige geistige und politische Be¬
freiung durch deutschen Einfluß zu hoffen. Es ist etwas schadhaft an unserm
Bau, das schnelle Hilfe fordert, wenn wir uns, unsern Besitz und unsere Zu¬
kunft retten sollen, und diese Rettung droht der Bund mit Deutschland zu ver¬
zögern.

- Im Neujahr 1849 stand das Agio des Silbers auf 107, des Goldes auf
116; im Neujahr 1830 das Silber auf 111, das Gold auf 120; zum Neujahr
1851 steht Silber auf 128, Gold auf 131. Damals im Neujahr 1849 erwartete
man Wiederherstellung der gewöhnlichen Course von Beendigung des italienischen
und ungarischen Kampfes. Italien nud Ungarn wurden besiegt, der Werth der
Metalle saut auf einen Augenblick, um sogleich höher zu steigen als zur Zeit des
Kriegs. Im Neujahr 1850 erwartete man Heil von einem Friedensjahre und der
Nuhe des Staates. Es war ein Friedeusjahr und Nuhe war wie auf einem
Kirchhofe, und doch stieg der Werth des Silbers in diesem Jahre, bevor man
an ein gefährliches Zerwürfniß mit Preußen dachte, auf 122, und als die Kriegs¬
gerüchte kamen, fuhr er empor bis weit über 128. Seit drei Jahren eine
langsame, unheimliche Vertheuerung des Verkehrsmittels mit dem Ausland, seit
drei Jahren eine unaufhaltsame Verminderung unserer productiven Capitalien,


auch sie unwiderstehlich durch diese ConsegnenM fortgerissen und alünälig
ebenso in einen gewissen nicht übermäßigen Liberalismus hineingeführt wer¬
den dürften, wie sie vom Herbst 18-58 bis jetzt durch die politische Lage Oest¬
reichs in den Despotismus gezogen wordeu siud; und ebenso möglich ist, daß ein
großer Theil der Conservativen, welche jetzt den Nuhm des Kaiserhauses in dem
Principal über Deutschland sehen, sehr bald in heftige Opposition gegen dies
Bündniß gedrängt werden müssen: Die Priester, die Aristokraten, die regieren¬
den Militärs.

Sehr gewichtige Gründe hat der liberale Oestreicher, sich über den Bund
mit Deutschland zu freuen; und in der That ist dies Gefühl hier in manchem
patriotischen Herzen zu finden; woher kommt es doch, daß ich die Stirnen mei¬
ner Freunde heut umwölkt sehe und daß sie mit Sorge und Mißtrauen von
dem Bund sprechen, nnr wenige, aber nicht die schlechtesten Männer in der
Donaustadt? Woher kommt es, daß der Wein uns heut bitter schmeckt und das
neue Jahr uns j> finster anstarrt? — Nicht deshalb, weil wir Bruck's Zoll-
eiuiguugspläne für ein Unglück halten. So groß auch die Gefahren sind, welche
einzelnen Industriezweigen beim Fallen der Zollschranken drohen, im Ganzen
und Großen wäre die Zolleiuiguug, wenn die deutschen Staaten sich dazu dispo-
niren ließen, für uus ein Glück, auch für unsere Industrie und die productive
Kraft des Staates. Aber Oestreich ist kein Staat, welchem vergönnt ist, sich
durch eine langsame Entwickelung seiner Kraft, durch ein leises, freundschaftliches An¬
lehnen an benachbarte Brnderstaaten zu Nuhe, Behagen und Wohlstand zu
erheben; wir haben nicht mehr Zeit auf die allmälige geistige und politische Be¬
freiung durch deutschen Einfluß zu hoffen. Es ist etwas schadhaft an unserm
Bau, das schnelle Hilfe fordert, wenn wir uns, unsern Besitz und unsere Zu¬
kunft retten sollen, und diese Rettung droht der Bund mit Deutschland zu ver¬
zögern.

- Im Neujahr 1849 stand das Agio des Silbers auf 107, des Goldes auf
116; im Neujahr 1830 das Silber auf 111, das Gold auf 120; zum Neujahr
1851 steht Silber auf 128, Gold auf 131. Damals im Neujahr 1849 erwartete
man Wiederherstellung der gewöhnlichen Course von Beendigung des italienischen
und ungarischen Kampfes. Italien nud Ungarn wurden besiegt, der Werth der
Metalle saut auf einen Augenblick, um sogleich höher zu steigen als zur Zeit des
Kriegs. Im Neujahr 1850 erwartete man Heil von einem Friedensjahre und der
Nuhe des Staates. Es war ein Friedeusjahr und Nuhe war wie auf einem
Kirchhofe, und doch stieg der Werth des Silbers in diesem Jahre, bevor man
an ein gefährliches Zerwürfniß mit Preußen dachte, auf 122, und als die Kriegs¬
gerüchte kamen, fuhr er empor bis weit über 128. Seit drei Jahren eine
langsame, unheimliche Vertheuerung des Verkehrsmittels mit dem Ausland, seit
drei Jahren eine unaufhaltsame Verminderung unserer productiven Capitalien,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/18>, abgerufen am 04.07.2024.