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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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teilen, mit denen der Officier eines Nevolutionsheeres stets zu kämpfen hat, mit
einer unsicheren, ja verzweifelten Stellung. Das Schaffot, ja selbst der Galgen
ist das Ende vieler dieser Männer gewesen, Andere irren jetzt heimathslos als
dürftige Flüchtlinge umher, aber ihre Namen werdeu bleiben in der Kriegsgeschichte
Oestreichs und in den Erinnerungen ihrer Volksstämme. Ungarische, polnische
und italienische Officiere wird man fortan seltener in der östreichischen Armee
erblicken, denn noch lebhafter wird man in der Kaiserburg zu Wien fürchten, daß
sie ihre Schwerter bei künftiger günstiger Gelegenheit gegen dieselbe ziehen
könnten. Grade die mit allem Glänze ausgestatteten, dnrch Vorrechte jeder Art
begünstigten ungarischen und italienischen Nobelgarden sind die Pflanzschule der
Nevolutionsofficiere gewesen.

Jeue heimathslosen Officiere aus ganz Enropa dagegen, deren Oestreich so
viele zählt, siud die treuesten, willfährigsten Diener des kaiserlichen Willens.
Sie sind nnr Soldaten, haben kein anderes Vaterland als ihre Kasernen, kein
anderes Streben als das der Auszeichnung und schnellen Beförderung im Dienste.
Würdige Nachkommen jener alten Lanzkuechtführer, die heute hier, morgen
dafür kämpften, wie die Lanne der Kriegsgöttin, der sie folgten, dies forderte,
haben sie noch heut den Piccolomini, Bretter, Gallas gleich ihre Fortune und
ihre Interessen an Habsburgs Fahnen gehängt. Die meisten der Generäle Oest¬
reichs, die sich in letzter Zeit einen Namen erworben, sind Ausländer, Haynan,
Melden (ein Baier), d'Aspre, Schönhals, Heß, Neischach, Götz, Ramberg,
Hentzi, der Vertheidiger von Ofen, Wallmoden, n. f. w. Das Proletariat unter
unserm deutschen Adel aber kann sich in nächster Zeit der Hoffnung hingeben,
seine Söhne, ohne schwieriges Examen, in den Subalternofficierstellen der östrei¬
chischen Armee versorgt zu sehen.

Eben so verschieden wie die Abstammung der östreichischen Officiere, ist auch die
Bildung derselben. Es dienen in der Armee eine Menge der gebildetsten, wohlunter¬
richtetsten Männer, die jedem andern Officiercorps zur höchsten Ehre gereichen würden,
daneben aber auch viele, die einen so äußerst genügen Grad geistiger Ausbildung
besitzen, wie man ihn in keinem andern Heere, cnHer dem russischen, noch findet.
In Preußen werden mehrere strenge Prüfungen gefordert, bevor Jemand zum
Range eines Officiers gelangt, in allen andern deutschen Armeen hat man dies mehr
oder weniger glücklich nachgeahmt; in Oestreich ist dies immer noch nicht der
Fall. Außer bei der Artillerie, den Ingenieuren, Sappeuren, Pionieren, wo
beim Aufrücken zu jedem höheren Grade sehr strenge Prüfungen gefordert werden,
findet in der östreichischen Armee noch kein^Officiersexamen statt. Wenn Jemand
nur .nothdürftig lesen nud schreiben kann, so genügt dies, hat er sonst gute Pro-
tection, ihn zum Officier zu macheu. Diese geringen Ansprüche an theoretisches Wissen
machen den kaiserlichen Dienst bei einer großen Zahl unserer deutschen Junker sehr
beliebt. Jeder preußische, hannoversche, sächsische Cadett, der im Officierscxamen


teilen, mit denen der Officier eines Nevolutionsheeres stets zu kämpfen hat, mit
einer unsicheren, ja verzweifelten Stellung. Das Schaffot, ja selbst der Galgen
ist das Ende vieler dieser Männer gewesen, Andere irren jetzt heimathslos als
dürftige Flüchtlinge umher, aber ihre Namen werdeu bleiben in der Kriegsgeschichte
Oestreichs und in den Erinnerungen ihrer Volksstämme. Ungarische, polnische
und italienische Officiere wird man fortan seltener in der östreichischen Armee
erblicken, denn noch lebhafter wird man in der Kaiserburg zu Wien fürchten, daß
sie ihre Schwerter bei künftiger günstiger Gelegenheit gegen dieselbe ziehen
könnten. Grade die mit allem Glänze ausgestatteten, dnrch Vorrechte jeder Art
begünstigten ungarischen und italienischen Nobelgarden sind die Pflanzschule der
Nevolutionsofficiere gewesen.

Jeue heimathslosen Officiere aus ganz Enropa dagegen, deren Oestreich so
viele zählt, siud die treuesten, willfährigsten Diener des kaiserlichen Willens.
Sie sind nnr Soldaten, haben kein anderes Vaterland als ihre Kasernen, kein
anderes Streben als das der Auszeichnung und schnellen Beförderung im Dienste.
Würdige Nachkommen jener alten Lanzkuechtführer, die heute hier, morgen
dafür kämpften, wie die Lanne der Kriegsgöttin, der sie folgten, dies forderte,
haben sie noch heut den Piccolomini, Bretter, Gallas gleich ihre Fortune und
ihre Interessen an Habsburgs Fahnen gehängt. Die meisten der Generäle Oest¬
reichs, die sich in letzter Zeit einen Namen erworben, sind Ausländer, Haynan,
Melden (ein Baier), d'Aspre, Schönhals, Heß, Neischach, Götz, Ramberg,
Hentzi, der Vertheidiger von Ofen, Wallmoden, n. f. w. Das Proletariat unter
unserm deutschen Adel aber kann sich in nächster Zeit der Hoffnung hingeben,
seine Söhne, ohne schwieriges Examen, in den Subalternofficierstellen der östrei¬
chischen Armee versorgt zu sehen.

Eben so verschieden wie die Abstammung der östreichischen Officiere, ist auch die
Bildung derselben. Es dienen in der Armee eine Menge der gebildetsten, wohlunter¬
richtetsten Männer, die jedem andern Officiercorps zur höchsten Ehre gereichen würden,
daneben aber auch viele, die einen so äußerst genügen Grad geistiger Ausbildung
besitzen, wie man ihn in keinem andern Heere, cnHer dem russischen, noch findet.
In Preußen werden mehrere strenge Prüfungen gefordert, bevor Jemand zum
Range eines Officiers gelangt, in allen andern deutschen Armeen hat man dies mehr
oder weniger glücklich nachgeahmt; in Oestreich ist dies immer noch nicht der
Fall. Außer bei der Artillerie, den Ingenieuren, Sappeuren, Pionieren, wo
beim Aufrücken zu jedem höheren Grade sehr strenge Prüfungen gefordert werden,
findet in der östreichischen Armee noch kein^Officiersexamen statt. Wenn Jemand
nur .nothdürftig lesen nud schreiben kann, so genügt dies, hat er sonst gute Pro-
tection, ihn zum Officier zu macheu. Diese geringen Ansprüche an theoretisches Wissen
machen den kaiserlichen Dienst bei einer großen Zahl unserer deutschen Junker sehr
beliebt. Jeder preußische, hannoversche, sächsische Cadett, der im Officierscxamen


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[0158] teilen, mit denen der Officier eines Nevolutionsheeres stets zu kämpfen hat, mit einer unsicheren, ja verzweifelten Stellung. Das Schaffot, ja selbst der Galgen ist das Ende vieler dieser Männer gewesen, Andere irren jetzt heimathslos als dürftige Flüchtlinge umher, aber ihre Namen werdeu bleiben in der Kriegsgeschichte Oestreichs und in den Erinnerungen ihrer Volksstämme. Ungarische, polnische und italienische Officiere wird man fortan seltener in der östreichischen Armee erblicken, denn noch lebhafter wird man in der Kaiserburg zu Wien fürchten, daß sie ihre Schwerter bei künftiger günstiger Gelegenheit gegen dieselbe ziehen könnten. Grade die mit allem Glänze ausgestatteten, dnrch Vorrechte jeder Art begünstigten ungarischen und italienischen Nobelgarden sind die Pflanzschule der Nevolutionsofficiere gewesen. Jeue heimathslosen Officiere aus ganz Enropa dagegen, deren Oestreich so viele zählt, siud die treuesten, willfährigsten Diener des kaiserlichen Willens. Sie sind nnr Soldaten, haben kein anderes Vaterland als ihre Kasernen, kein anderes Streben als das der Auszeichnung und schnellen Beförderung im Dienste. Würdige Nachkommen jener alten Lanzkuechtführer, die heute hier, morgen dafür kämpften, wie die Lanne der Kriegsgöttin, der sie folgten, dies forderte, haben sie noch heut den Piccolomini, Bretter, Gallas gleich ihre Fortune und ihre Interessen an Habsburgs Fahnen gehängt. Die meisten der Generäle Oest¬ reichs, die sich in letzter Zeit einen Namen erworben, sind Ausländer, Haynan, Melden (ein Baier), d'Aspre, Schönhals, Heß, Neischach, Götz, Ramberg, Hentzi, der Vertheidiger von Ofen, Wallmoden, n. f. w. Das Proletariat unter unserm deutschen Adel aber kann sich in nächster Zeit der Hoffnung hingeben, seine Söhne, ohne schwieriges Examen, in den Subalternofficierstellen der östrei¬ chischen Armee versorgt zu sehen. Eben so verschieden wie die Abstammung der östreichischen Officiere, ist auch die Bildung derselben. Es dienen in der Armee eine Menge der gebildetsten, wohlunter¬ richtetsten Männer, die jedem andern Officiercorps zur höchsten Ehre gereichen würden, daneben aber auch viele, die einen so äußerst genügen Grad geistiger Ausbildung besitzen, wie man ihn in keinem andern Heere, cnHer dem russischen, noch findet. In Preußen werden mehrere strenge Prüfungen gefordert, bevor Jemand zum Range eines Officiers gelangt, in allen andern deutschen Armeen hat man dies mehr oder weniger glücklich nachgeahmt; in Oestreich ist dies immer noch nicht der Fall. Außer bei der Artillerie, den Ingenieuren, Sappeuren, Pionieren, wo beim Aufrücken zu jedem höheren Grade sehr strenge Prüfungen gefordert werden, findet in der östreichischen Armee noch kein^Officiersexamen statt. Wenn Jemand nur .nothdürftig lesen nud schreiben kann, so genügt dies, hat er sonst gute Pro- tection, ihn zum Officier zu macheu. Diese geringen Ansprüche an theoretisches Wissen machen den kaiserlichen Dienst bei einer großen Zahl unserer deutschen Junker sehr beliebt. Jeder preußische, hannoversche, sächsische Cadett, der im Officierscxamen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/158>, abgerufen am 04.07.2024.