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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Die k. k. östreichische Armee.
n.
Das Officiercorps.

Ebenso verschiedenartig zusammengesetzt und wieder künstlich zu einem festen
Körper verschmolzen, wie die ganze östreichische Armee, ist das Officiercorps
derselben.

In der preußischen, französischen, dänischen und englischen Armee sind die
Officiere im Allgemeinen Sohne desselben Landes, an Bildung, Sitten, Dent-
und Empfindungsweise einander so gleich, als die individuellen Eigenthümlichkeiten
der Einzelnen in einem gebildeten Volke dies überhaupt erlauben; in dem östrei¬
chischen Heer haben nicht allein sämmtliche so verschiedene Volksstämme ihr Contin¬
gent zum Officiercorps geliefert, mau hat sogar, um die Reihen ja recht bunt
zu macheu, sehr häufig uoch zu Ausländern aus jeder Nationalität gegriffen.
Deutsche Edelleute aus allen uusern Kleinstaaten, die zu Hause keine Prüfungen
bestehen mochten oder keine Aussicht aus Carriere hatten; zahlreiche französische
Legitimisten ans vornehmen Familien, die nach dem Jahr 1830 in der östreichi¬
schen Armee die letzte Zuflucht der Legitimität sahen; junge Engländer, deren Mittel
uicht ausreichten, ihnen daheim ein Osficierspatent zu kaufen, oder die gern einige
Jahre ans dem Continent verleben wollen, erwarben durch Protection und durch
einige Tausend Gulden leicht eine kaiserliche Officiersstelle. Dazu kommen noch
viele Wallonen aus deu früher östreichischen Provinzen, Italiener aus der ganzen
Halbinsel, Schweizer, besonders aus deu Urkautoueu, die vou ihren Freunden, den
allmächtigen Jesuiten protegirt wurden, dazu noch Schweden, Dänen, ja selbst
Spanier und Portugiesen. Ich habe Officiercorps östreichischer Cavalerieregi-
menter gekannt, wo kaum die Hälfte aus Eingebornen des weitläufigen Kaiserstaates
bestand. Man hat von jeher den Eintritt von Fremden, besonders Sprößlingen
aristokratischer Familien zu begünstigen gesucht und wird dies jetzt wahrscheinlich
uoch viel mehr thun. Den eingebornen Landeskindern aus den selbstständigeren
Stämmen, welche dem östreichischen Scepter gehorchen, traute man nie so ganz.
Der Erfolg der letzten Jahre hat gezeigt, daß diese Besorgniß nur zu gegründet
war. Das feste Band der engen Kameradschaft, des abgeschlossenen Corpsgei-
steö, womit man das östreichische Officiercorps so künstlich zusammenzubinden
strebt, zerriß im Augenblick, wo es galt, wie leichtes Spinngeweb. Ihre teil¬
weise glänzenden, gesicherten Stellungen im Heere, die Aussicht auf Beförderung,
Orden, und was sonst der Kaiser hätte bieten können, vertauschten eine große
Anzahl unbedenklich mit all den tausendfachen Schwierigkeiten und Widerwärtig-


Grenzboten. 1. I8SI. 19
Die k. k. östreichische Armee.
n.
Das Officiercorps.

Ebenso verschiedenartig zusammengesetzt und wieder künstlich zu einem festen
Körper verschmolzen, wie die ganze östreichische Armee, ist das Officiercorps
derselben.

In der preußischen, französischen, dänischen und englischen Armee sind die
Officiere im Allgemeinen Sohne desselben Landes, an Bildung, Sitten, Dent-
und Empfindungsweise einander so gleich, als die individuellen Eigenthümlichkeiten
der Einzelnen in einem gebildeten Volke dies überhaupt erlauben; in dem östrei¬
chischen Heer haben nicht allein sämmtliche so verschiedene Volksstämme ihr Contin¬
gent zum Officiercorps geliefert, mau hat sogar, um die Reihen ja recht bunt
zu macheu, sehr häufig uoch zu Ausländern aus jeder Nationalität gegriffen.
Deutsche Edelleute aus allen uusern Kleinstaaten, die zu Hause keine Prüfungen
bestehen mochten oder keine Aussicht aus Carriere hatten; zahlreiche französische
Legitimisten ans vornehmen Familien, die nach dem Jahr 1830 in der östreichi¬
schen Armee die letzte Zuflucht der Legitimität sahen; junge Engländer, deren Mittel
uicht ausreichten, ihnen daheim ein Osficierspatent zu kaufen, oder die gern einige
Jahre ans dem Continent verleben wollen, erwarben durch Protection und durch
einige Tausend Gulden leicht eine kaiserliche Officiersstelle. Dazu kommen noch
viele Wallonen aus deu früher östreichischen Provinzen, Italiener aus der ganzen
Halbinsel, Schweizer, besonders aus deu Urkautoueu, die vou ihren Freunden, den
allmächtigen Jesuiten protegirt wurden, dazu noch Schweden, Dänen, ja selbst
Spanier und Portugiesen. Ich habe Officiercorps östreichischer Cavalerieregi-
menter gekannt, wo kaum die Hälfte aus Eingebornen des weitläufigen Kaiserstaates
bestand. Man hat von jeher den Eintritt von Fremden, besonders Sprößlingen
aristokratischer Familien zu begünstigen gesucht und wird dies jetzt wahrscheinlich
uoch viel mehr thun. Den eingebornen Landeskindern aus den selbstständigeren
Stämmen, welche dem östreichischen Scepter gehorchen, traute man nie so ganz.
Der Erfolg der letzten Jahre hat gezeigt, daß diese Besorgniß nur zu gegründet
war. Das feste Band der engen Kameradschaft, des abgeschlossenen Corpsgei-
steö, womit man das östreichische Officiercorps so künstlich zusammenzubinden
strebt, zerriß im Augenblick, wo es galt, wie leichtes Spinngeweb. Ihre teil¬
weise glänzenden, gesicherten Stellungen im Heere, die Aussicht auf Beförderung,
Orden, und was sonst der Kaiser hätte bieten können, vertauschten eine große
Anzahl unbedenklich mit all den tausendfachen Schwierigkeiten und Widerwärtig-


Grenzboten. 1. I8SI. 19
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[0157] Die k. k. östreichische Armee. n. Das Officiercorps. Ebenso verschiedenartig zusammengesetzt und wieder künstlich zu einem festen Körper verschmolzen, wie die ganze östreichische Armee, ist das Officiercorps derselben. In der preußischen, französischen, dänischen und englischen Armee sind die Officiere im Allgemeinen Sohne desselben Landes, an Bildung, Sitten, Dent- und Empfindungsweise einander so gleich, als die individuellen Eigenthümlichkeiten der Einzelnen in einem gebildeten Volke dies überhaupt erlauben; in dem östrei¬ chischen Heer haben nicht allein sämmtliche so verschiedene Volksstämme ihr Contin¬ gent zum Officiercorps geliefert, mau hat sogar, um die Reihen ja recht bunt zu macheu, sehr häufig uoch zu Ausländern aus jeder Nationalität gegriffen. Deutsche Edelleute aus allen uusern Kleinstaaten, die zu Hause keine Prüfungen bestehen mochten oder keine Aussicht aus Carriere hatten; zahlreiche französische Legitimisten ans vornehmen Familien, die nach dem Jahr 1830 in der östreichi¬ schen Armee die letzte Zuflucht der Legitimität sahen; junge Engländer, deren Mittel uicht ausreichten, ihnen daheim ein Osficierspatent zu kaufen, oder die gern einige Jahre ans dem Continent verleben wollen, erwarben durch Protection und durch einige Tausend Gulden leicht eine kaiserliche Officiersstelle. Dazu kommen noch viele Wallonen aus deu früher östreichischen Provinzen, Italiener aus der ganzen Halbinsel, Schweizer, besonders aus deu Urkautoueu, die vou ihren Freunden, den allmächtigen Jesuiten protegirt wurden, dazu noch Schweden, Dänen, ja selbst Spanier und Portugiesen. Ich habe Officiercorps östreichischer Cavalerieregi- menter gekannt, wo kaum die Hälfte aus Eingebornen des weitläufigen Kaiserstaates bestand. Man hat von jeher den Eintritt von Fremden, besonders Sprößlingen aristokratischer Familien zu begünstigen gesucht und wird dies jetzt wahrscheinlich uoch viel mehr thun. Den eingebornen Landeskindern aus den selbstständigeren Stämmen, welche dem östreichischen Scepter gehorchen, traute man nie so ganz. Der Erfolg der letzten Jahre hat gezeigt, daß diese Besorgniß nur zu gegründet war. Das feste Band der engen Kameradschaft, des abgeschlossenen Corpsgei- steö, womit man das östreichische Officiercorps so künstlich zusammenzubinden strebt, zerriß im Augenblick, wo es galt, wie leichtes Spinngeweb. Ihre teil¬ weise glänzenden, gesicherten Stellungen im Heere, die Aussicht auf Beförderung, Orden, und was sonst der Kaiser hätte bieten können, vertauschten eine große Anzahl unbedenklich mit all den tausendfachen Schwierigkeiten und Widerwärtig- Grenzboten. 1. I8SI. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/157>, abgerufen am 27.06.2024.