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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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sentimentale Teufel, wie Bertram ni Meyerbeers Robert, muß man sich schon
gewöhnen.

Derselbe Gegensatz zwischen der dämonisch-heidnischen und der englisch¬
christlichen Welt ist in dem folgenden Stück, der Tannhäuser, dargestellt, und
zwar trotz der sonstigen Theorien Wagners zu Gunsten des Letztern entschieden.
Goethe hat in seiner Walpurgisnacht mehr Muth gezeigt. -- Im Uebrigen hat
Wagner in diesem Stuck einen glücklichen Wurf gethan. Die Musik ist klar und
verhältnißmäßig leicht geschrieben, sie ist in den meisten Fällen mit bescheidenen
Mitteln ausführbar, es ist hier das erste Mal, daß Einen beim Anhören von
Wagner's Musik ein wohlthuendes Gefühl überkommt. Das Buch verknüpft den
Sängerkrieg auf der Wartburg mit der Sage vom Tannhäuser und der Venus
im Horselberge, es ist der bekannten, sehr poetisch gedachten Novelle von Eichen¬
dorf: das Marmorbild, nachgebildet, sowol im Inhalt, wie in der Haltung deö
Tons, mit Hinzunahme des Tieck'schen Mährchens vom Tannhäuser und gespen¬
stischen Reminiscenzen ans Heine. Die Bearbeitung ist aber sehr geschickt.

Die Bühne stellt das Innere des VennSberges dar, in dessen fernstem sicht¬
barem Hintergrunde sich ein bläulicher See ausdehnt, in ihm badende Gestalten
von Najaden, an seinen Ufern Sirenen. Im Vordergrunde liegt Venus, vor
ihr kniend, das Haupt in ihrem Schooße, Tannhäuser. Es tanzen Nymphen,
liebende Paare sind an den Seiten der Grotten gelagert, Bachantinnen kommen
im wilden Tanze einhergebranst und durchziehen mit trunkenen Geberden die
Gruppen der Nymphen. Dazu ertönt der lockende Gesang der Sirenen; der
Tanz erhebt sich zu immer größerem Ungestüm. Der bachantischer Wuth folgt
eine Erschlaffung, die tanzenden Gruppen nehmen ruhige Stellungen ein, die
Bachantinnen verschwinden. Es senkt sich ein Dust herab, der die Gruppen der
nun in Schlaf versinkendem in rosige Wolken hüllt; der sichtbare Theil der
Bühne beschränkt sich aus den Raum, in dem Tannhäuser und Venus in ihrer
frühern Stellung verharren. Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre
er aus einem Traume ans. Venus sucht ihm den Inhalt dieses Traumes schmei¬
chelnd zu entlocken; sie ist über seine Traurigkeit besorgt, deren Grund sie nicht
begreift. Tannhäuser gesteht ihr seine Sehnsucht nach der Oberwelt; er möchte
die Sonue, des Himmels freundliche Gestirnesehen; er verlangt nach dem grünen
Halm der Wiese, nach dem lauten Schlage der Nachtigall. Er besingt mit halber
Scheu ihre Liebe, die, nur Göttern geweiht, ihm, dem Sterblichen, zu Theil geworden.


sentimentale Teufel, wie Bertram ni Meyerbeers Robert, muß man sich schon
gewöhnen.

Derselbe Gegensatz zwischen der dämonisch-heidnischen und der englisch¬
christlichen Welt ist in dem folgenden Stück, der Tannhäuser, dargestellt, und
zwar trotz der sonstigen Theorien Wagners zu Gunsten des Letztern entschieden.
Goethe hat in seiner Walpurgisnacht mehr Muth gezeigt. — Im Uebrigen hat
Wagner in diesem Stuck einen glücklichen Wurf gethan. Die Musik ist klar und
verhältnißmäßig leicht geschrieben, sie ist in den meisten Fällen mit bescheidenen
Mitteln ausführbar, es ist hier das erste Mal, daß Einen beim Anhören von
Wagner's Musik ein wohlthuendes Gefühl überkommt. Das Buch verknüpft den
Sängerkrieg auf der Wartburg mit der Sage vom Tannhäuser und der Venus
im Horselberge, es ist der bekannten, sehr poetisch gedachten Novelle von Eichen¬
dorf: das Marmorbild, nachgebildet, sowol im Inhalt, wie in der Haltung deö
Tons, mit Hinzunahme des Tieck'schen Mährchens vom Tannhäuser und gespen¬
stischen Reminiscenzen ans Heine. Die Bearbeitung ist aber sehr geschickt.

Die Bühne stellt das Innere des VennSberges dar, in dessen fernstem sicht¬
barem Hintergrunde sich ein bläulicher See ausdehnt, in ihm badende Gestalten
von Najaden, an seinen Ufern Sirenen. Im Vordergrunde liegt Venus, vor
ihr kniend, das Haupt in ihrem Schooße, Tannhäuser. Es tanzen Nymphen,
liebende Paare sind an den Seiten der Grotten gelagert, Bachantinnen kommen
im wilden Tanze einhergebranst und durchziehen mit trunkenen Geberden die
Gruppen der Nymphen. Dazu ertönt der lockende Gesang der Sirenen; der
Tanz erhebt sich zu immer größerem Ungestüm. Der bachantischer Wuth folgt
eine Erschlaffung, die tanzenden Gruppen nehmen ruhige Stellungen ein, die
Bachantinnen verschwinden. Es senkt sich ein Dust herab, der die Gruppen der
nun in Schlaf versinkendem in rosige Wolken hüllt; der sichtbare Theil der
Bühne beschränkt sich aus den Raum, in dem Tannhäuser und Venus in ihrer
frühern Stellung verharren. Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre
er aus einem Traume ans. Venus sucht ihm den Inhalt dieses Traumes schmei¬
chelnd zu entlocken; sie ist über seine Traurigkeit besorgt, deren Grund sie nicht
begreift. Tannhäuser gesteht ihr seine Sehnsucht nach der Oberwelt; er möchte
die Sonue, des Himmels freundliche Gestirnesehen; er verlangt nach dem grünen
Halm der Wiese, nach dem lauten Schlage der Nachtigall. Er besingt mit halber
Scheu ihre Liebe, die, nur Göttern geweiht, ihm, dem Sterblichen, zu Theil geworden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/422>, abgerufen am 27.07.2024.