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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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macht es sich zur heiligen Aufgabe, ihn von seinem grausamen Schicksale zu er¬
lösen. Der Holländer nimmt ihre aufopfernde Liebe nicht an, sondern eilt an
den Bord seines Schiffes, das vom Lande abstößt uuter dem Ertönen jenes wilden
"Jo --hoe" Rufs, des charakteristische,! musikalischen Motivs für das Erscheinen
des verfluchten Schiffes und der in ihm weilenden Mannschaft. Scuta eilt ihm
nach und stürzt sich mit dem Worten: "Preis' Deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh' ich, Dir treu bis zum Tod" in das Meer, aus dem dann die ver¬
klärten Gestalten des Holländers und seiner Braut zum Himmel emporschweben.
Wie die Färbung des ganzen sujets eine düstere, so bewegt sich auch die Musik
vom Anfange bis an den Schluß in gleichen Klängen der Schwermuth und der
Trauer. Die beiden Hauptfiguren, der Holländer und Scuta, sind musikalisch sehr gut
gezeichnet, weniger gelungen ist die deö Erik, dem zuweilen ein frivoleres Element
beigemischt ist. Die Chöre sind ohne Ausnahme von großer dramatischer Wir¬
kung, besonders sind die des dritten Actes sehr bezeichnend sür die Situationen. Die
Matrosen und Mädchen am Lande verspotten die Mannschaft des Holländers,
welche, in dem Raume ihres düstern Schiffes verborgen, todt zu sein scheinen,
und auch durch die Verhöhnung sich nicht angetrieben fühlen, ein Zeichen des
Lebens von sich zu geben. Der Uebermuth der Matrosen steigert sich noch mehr,
als die Mädchen sich entfernen. Sie fordern die Mannschaft des Holländers auf,
an ihrem Trinkgelage Theil zu nehmen. Das Meer ist unruhig, der Sturm erhebt
sich, die Norwegischen Matrosen, erst so übermüthig, erblassen vor Schreck. Da
ertönen von dem gespenstischen Schiffe unheimliche Töne, welche das Auftreten der
Mannschaft des Holländers ankündigen. Es erklingt von daher ein wilder
Chorreigen y> moll, "/g), in dessen Brausen hinein die Klänge des Matrosenlieds
ertönen, das schon früher in der Oper vou ihnen gesungen wurde. Die beiden
Chöre sind gut aus einander gehalten und geben ein charakteristisches Bild für die
ganze Handlung. -- Ueber die Intentionen kann sich die Kritik durchaus lobend er¬
klären; leider wird die Freude dadurch verbittert, daß man nur wenigen leicht
geschaffenen Melodien begegnet, daß man so vielen Stellen den Schweiß und die
Mühe der Erzeugung anmerkt. Die Oper hat in Dresden weniger Glück ge¬
macht, als der Rienzi, woran bedeutende Schuld das düstere Sujet trägt, das
gar keine freundlichen Momente enthält. Auch die eruste Musik vermochte das
Publicum nicht anzuziehen; es fand keine Trivialitäten aus der Italienischen
und Französischen Schule, mit denen der Rienzi gleichsam zur Erholung hier und
da ausgeschmückt war.

Der romantische Stoff ist nicht gerade eine neue Erfindung. Hans Hel¬
ling und der Vampyr konnten als Vorbilder gelten. Zwar ist es etwas
melancholisch, wenn die Handlung sich um eine Art Gespenst dreht, und daher
auch im Uebrigen voll unheimlicher Motive ist, aber an sich ist der Gegeuscch der
dämonischen Welt gegen die menschlich idyllische nicht unpoetisch. An edle oder


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macht es sich zur heiligen Aufgabe, ihn von seinem grausamen Schicksale zu er¬
lösen. Der Holländer nimmt ihre aufopfernde Liebe nicht an, sondern eilt an
den Bord seines Schiffes, das vom Lande abstößt uuter dem Ertönen jenes wilden
„Jo —hoe" Rufs, des charakteristische,! musikalischen Motivs für das Erscheinen
des verfluchten Schiffes und der in ihm weilenden Mannschaft. Scuta eilt ihm
nach und stürzt sich mit dem Worten: „Preis' Deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh' ich, Dir treu bis zum Tod" in das Meer, aus dem dann die ver¬
klärten Gestalten des Holländers und seiner Braut zum Himmel emporschweben.
Wie die Färbung des ganzen sujets eine düstere, so bewegt sich auch die Musik
vom Anfange bis an den Schluß in gleichen Klängen der Schwermuth und der
Trauer. Die beiden Hauptfiguren, der Holländer und Scuta, sind musikalisch sehr gut
gezeichnet, weniger gelungen ist die deö Erik, dem zuweilen ein frivoleres Element
beigemischt ist. Die Chöre sind ohne Ausnahme von großer dramatischer Wir¬
kung, besonders sind die des dritten Actes sehr bezeichnend sür die Situationen. Die
Matrosen und Mädchen am Lande verspotten die Mannschaft des Holländers,
welche, in dem Raume ihres düstern Schiffes verborgen, todt zu sein scheinen,
und auch durch die Verhöhnung sich nicht angetrieben fühlen, ein Zeichen des
Lebens von sich zu geben. Der Uebermuth der Matrosen steigert sich noch mehr,
als die Mädchen sich entfernen. Sie fordern die Mannschaft des Holländers auf,
an ihrem Trinkgelage Theil zu nehmen. Das Meer ist unruhig, der Sturm erhebt
sich, die Norwegischen Matrosen, erst so übermüthig, erblassen vor Schreck. Da
ertönen von dem gespenstischen Schiffe unheimliche Töne, welche das Auftreten der
Mannschaft des Holländers ankündigen. Es erklingt von daher ein wilder
Chorreigen y> moll, «/g), in dessen Brausen hinein die Klänge des Matrosenlieds
ertönen, das schon früher in der Oper vou ihnen gesungen wurde. Die beiden
Chöre sind gut aus einander gehalten und geben ein charakteristisches Bild für die
ganze Handlung. — Ueber die Intentionen kann sich die Kritik durchaus lobend er¬
klären; leider wird die Freude dadurch verbittert, daß man nur wenigen leicht
geschaffenen Melodien begegnet, daß man so vielen Stellen den Schweiß und die
Mühe der Erzeugung anmerkt. Die Oper hat in Dresden weniger Glück ge¬
macht, als der Rienzi, woran bedeutende Schuld das düstere Sujet trägt, das
gar keine freundlichen Momente enthält. Auch die eruste Musik vermochte das
Publicum nicht anzuziehen; es fand keine Trivialitäten aus der Italienischen
und Französischen Schule, mit denen der Rienzi gleichsam zur Erholung hier und
da ausgeschmückt war.

Der romantische Stoff ist nicht gerade eine neue Erfindung. Hans Hel¬
ling und der Vampyr konnten als Vorbilder gelten. Zwar ist es etwas
melancholisch, wenn die Handlung sich um eine Art Gespenst dreht, und daher
auch im Uebrigen voll unheimlicher Motive ist, aber an sich ist der Gegeuscch der
dämonischen Welt gegen die menschlich idyllische nicht unpoetisch. An edle oder


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[0421] macht es sich zur heiligen Aufgabe, ihn von seinem grausamen Schicksale zu er¬ lösen. Der Holländer nimmt ihre aufopfernde Liebe nicht an, sondern eilt an den Bord seines Schiffes, das vom Lande abstößt uuter dem Ertönen jenes wilden „Jo —hoe" Rufs, des charakteristische,! musikalischen Motivs für das Erscheinen des verfluchten Schiffes und der in ihm weilenden Mannschaft. Scuta eilt ihm nach und stürzt sich mit dem Worten: „Preis' Deinen Engel und sein Gebot! Hier steh' ich, Dir treu bis zum Tod" in das Meer, aus dem dann die ver¬ klärten Gestalten des Holländers und seiner Braut zum Himmel emporschweben. Wie die Färbung des ganzen sujets eine düstere, so bewegt sich auch die Musik vom Anfange bis an den Schluß in gleichen Klängen der Schwermuth und der Trauer. Die beiden Hauptfiguren, der Holländer und Scuta, sind musikalisch sehr gut gezeichnet, weniger gelungen ist die deö Erik, dem zuweilen ein frivoleres Element beigemischt ist. Die Chöre sind ohne Ausnahme von großer dramatischer Wir¬ kung, besonders sind die des dritten Actes sehr bezeichnend sür die Situationen. Die Matrosen und Mädchen am Lande verspotten die Mannschaft des Holländers, welche, in dem Raume ihres düstern Schiffes verborgen, todt zu sein scheinen, und auch durch die Verhöhnung sich nicht angetrieben fühlen, ein Zeichen des Lebens von sich zu geben. Der Uebermuth der Matrosen steigert sich noch mehr, als die Mädchen sich entfernen. Sie fordern die Mannschaft des Holländers auf, an ihrem Trinkgelage Theil zu nehmen. Das Meer ist unruhig, der Sturm erhebt sich, die Norwegischen Matrosen, erst so übermüthig, erblassen vor Schreck. Da ertönen von dem gespenstischen Schiffe unheimliche Töne, welche das Auftreten der Mannschaft des Holländers ankündigen. Es erklingt von daher ein wilder Chorreigen y> moll, «/g), in dessen Brausen hinein die Klänge des Matrosenlieds ertönen, das schon früher in der Oper vou ihnen gesungen wurde. Die beiden Chöre sind gut aus einander gehalten und geben ein charakteristisches Bild für die ganze Handlung. — Ueber die Intentionen kann sich die Kritik durchaus lobend er¬ klären; leider wird die Freude dadurch verbittert, daß man nur wenigen leicht geschaffenen Melodien begegnet, daß man so vielen Stellen den Schweiß und die Mühe der Erzeugung anmerkt. Die Oper hat in Dresden weniger Glück ge¬ macht, als der Rienzi, woran bedeutende Schuld das düstere Sujet trägt, das gar keine freundlichen Momente enthält. Auch die eruste Musik vermochte das Publicum nicht anzuziehen; es fand keine Trivialitäten aus der Italienischen und Französischen Schule, mit denen der Rienzi gleichsam zur Erholung hier und da ausgeschmückt war. Der romantische Stoff ist nicht gerade eine neue Erfindung. Hans Hel¬ ling und der Vampyr konnten als Vorbilder gelten. Zwar ist es etwas melancholisch, wenn die Handlung sich um eine Art Gespenst dreht, und daher auch im Uebrigen voll unheimlicher Motive ist, aber an sich ist der Gegeuscch der dämonischen Welt gegen die menschlich idyllische nicht unpoetisch. An edle oder Grenzboten. II. I8SI. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/421>, abgerufen am 27.07.2024.