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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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großen Contraste zwischen den verschiedenen Geschlechtern der Nobili, der
Geistlichkeit und dem durch Rienzi vertretenen Volk gaben hinreichende Veran¬
lassung zur Entfaltung scenischen Pompes und zur Ausstellung großer Massen.
Die Dresdner Bühne bedürfte zur Ausrüstung dieser Oper einer ziemlich langen
Zeit, und sie erschien dann mit brillanterer Scenerie und sorgfältigeren Arrange¬
ment, als die Hugenotten, die damals in Dresden noch nen waren. Sän¬
ger, Musiker, Tänzer und Maler waren in einer fieberhaften Thätigkeit. Die
Oper war so lang, daß sie auf zwei Abende vertheilt werden mußte. Sie wan¬
derte nachher uoch über mehrere größere Bühnen Deutschlands, aber mit entschie¬
den ungünstigem Erfolg, so daß dem Eingang der spätern Opern Wagner's
dadurch unendliche Hindernisse in den Weg gelegt wurden.

Schon in der nächsten Oper, die kurze Zeit darauf folgte, dem fliegenden
Holländer, zeigte Wagner, daß er eben so experimentirte, als seine Nebenbuhler.
Meyerbeer war von der romantischen Oper zur historischen übergegangen, Wagner
machte den umgekehrten Weg. Von der scharf gezeichneten Person des Volks-
tribunen wandte er sich zu Heilige", Teufeln und Gespenstern.

In der Musik des Fliegenden Holländers war ein großer Fortschritt
nicht zu verkennen; die rohe Effecthascherei war einer solidem Kunst gewichen,
und die kleinen Erfolge, welche sie erreichte, waren künstlerischer Natur. Die
Fabel des Stückes ist übereinstimmend mit der alten Sage. Ein Holländischer
Seefahrer hatte ein Cap im Ocean umsegeln wollen. Widrige Winde halten ihn
davon ab, und er, darüber erzürnt, schwort bei den Mächten der Hölle, daß er
von seinem Vorhaben in Ewigkeit nicht ablassen wolle. Da nimmt ihn der Böse
beim Wort und verdammt ihn dazu, das Meer ohne Ruh' und Rast zu durch-
schweifen. Alle sieben Jahre darf er an das Land gehen, um ein Weib zu freien,
und erst nachdem er eins gefunden, die ihm feste Treue hält, wird er von seinen
Irrfahrten erlöst sein. Das Mädchen, das ihm untren wird, kommt in die Hölle.
Wagner ist dem Unglückseliger ein rettender Gott geworden; er hat ihm in Scuta,
der Tochter des Norwegischen Seefahrers Daland, ein Weib zugewiesen, das durch
die leidende Schwermut!) des Holländers, der bei Daland nach einer abermals
abgelaufenen siebenjährigen Frist einkehrt, bewogen wird, ihm ihre Hand zuzu¬
sagen, ohne daß sie zu ahnen im Stande ist, welchem unglückseligen Manne sie
ihr Leben geopfert hat. Der Jäger Erik, Scuta's früherer Geliebter, erinnert
sie an das ihm gegebene Versprechen der Treue, er fleht sie zu wiederholten Malen
an, das Bündniß mit dem finstern Manne aufzulösen. In einem dieser Augen¬
blicke überrascht der Holländer die Beiden und in dem Wahne, Scuta sei ihm
treulos, will er fliehen, um von Neuem durch lange Jahre den Fluch des'Him¬
mels zu tragen. Scuta's Schicksal ist mit dem seinigen noch nicht eng verflochten,
weil sie noch nicht vor dem Altare des Ewigen ihm Treue gelobt hat, aber sie
ist entschlossen, ihr Schicksal von dem ihres Verlobten nicht mehr zu trennen; sie


großen Contraste zwischen den verschiedenen Geschlechtern der Nobili, der
Geistlichkeit und dem durch Rienzi vertretenen Volk gaben hinreichende Veran¬
lassung zur Entfaltung scenischen Pompes und zur Ausstellung großer Massen.
Die Dresdner Bühne bedürfte zur Ausrüstung dieser Oper einer ziemlich langen
Zeit, und sie erschien dann mit brillanterer Scenerie und sorgfältigeren Arrange¬
ment, als die Hugenotten, die damals in Dresden noch nen waren. Sän¬
ger, Musiker, Tänzer und Maler waren in einer fieberhaften Thätigkeit. Die
Oper war so lang, daß sie auf zwei Abende vertheilt werden mußte. Sie wan¬
derte nachher uoch über mehrere größere Bühnen Deutschlands, aber mit entschie¬
den ungünstigem Erfolg, so daß dem Eingang der spätern Opern Wagner's
dadurch unendliche Hindernisse in den Weg gelegt wurden.

Schon in der nächsten Oper, die kurze Zeit darauf folgte, dem fliegenden
Holländer, zeigte Wagner, daß er eben so experimentirte, als seine Nebenbuhler.
Meyerbeer war von der romantischen Oper zur historischen übergegangen, Wagner
machte den umgekehrten Weg. Von der scharf gezeichneten Person des Volks-
tribunen wandte er sich zu Heilige», Teufeln und Gespenstern.

In der Musik des Fliegenden Holländers war ein großer Fortschritt
nicht zu verkennen; die rohe Effecthascherei war einer solidem Kunst gewichen,
und die kleinen Erfolge, welche sie erreichte, waren künstlerischer Natur. Die
Fabel des Stückes ist übereinstimmend mit der alten Sage. Ein Holländischer
Seefahrer hatte ein Cap im Ocean umsegeln wollen. Widrige Winde halten ihn
davon ab, und er, darüber erzürnt, schwort bei den Mächten der Hölle, daß er
von seinem Vorhaben in Ewigkeit nicht ablassen wolle. Da nimmt ihn der Böse
beim Wort und verdammt ihn dazu, das Meer ohne Ruh' und Rast zu durch-
schweifen. Alle sieben Jahre darf er an das Land gehen, um ein Weib zu freien,
und erst nachdem er eins gefunden, die ihm feste Treue hält, wird er von seinen
Irrfahrten erlöst sein. Das Mädchen, das ihm untren wird, kommt in die Hölle.
Wagner ist dem Unglückseliger ein rettender Gott geworden; er hat ihm in Scuta,
der Tochter des Norwegischen Seefahrers Daland, ein Weib zugewiesen, das durch
die leidende Schwermut!) des Holländers, der bei Daland nach einer abermals
abgelaufenen siebenjährigen Frist einkehrt, bewogen wird, ihm ihre Hand zuzu¬
sagen, ohne daß sie zu ahnen im Stande ist, welchem unglückseligen Manne sie
ihr Leben geopfert hat. Der Jäger Erik, Scuta's früherer Geliebter, erinnert
sie an das ihm gegebene Versprechen der Treue, er fleht sie zu wiederholten Malen
an, das Bündniß mit dem finstern Manne aufzulösen. In einem dieser Augen¬
blicke überrascht der Holländer die Beiden und in dem Wahne, Scuta sei ihm
treulos, will er fliehen, um von Neuem durch lange Jahre den Fluch des'Him¬
mels zu tragen. Scuta's Schicksal ist mit dem seinigen noch nicht eng verflochten,
weil sie noch nicht vor dem Altare des Ewigen ihm Treue gelobt hat, aber sie
ist entschlossen, ihr Schicksal von dem ihres Verlobten nicht mehr zu trennen; sie


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[0420] großen Contraste zwischen den verschiedenen Geschlechtern der Nobili, der Geistlichkeit und dem durch Rienzi vertretenen Volk gaben hinreichende Veran¬ lassung zur Entfaltung scenischen Pompes und zur Ausstellung großer Massen. Die Dresdner Bühne bedürfte zur Ausrüstung dieser Oper einer ziemlich langen Zeit, und sie erschien dann mit brillanterer Scenerie und sorgfältigeren Arrange¬ ment, als die Hugenotten, die damals in Dresden noch nen waren. Sän¬ ger, Musiker, Tänzer und Maler waren in einer fieberhaften Thätigkeit. Die Oper war so lang, daß sie auf zwei Abende vertheilt werden mußte. Sie wan¬ derte nachher uoch über mehrere größere Bühnen Deutschlands, aber mit entschie¬ den ungünstigem Erfolg, so daß dem Eingang der spätern Opern Wagner's dadurch unendliche Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Schon in der nächsten Oper, die kurze Zeit darauf folgte, dem fliegenden Holländer, zeigte Wagner, daß er eben so experimentirte, als seine Nebenbuhler. Meyerbeer war von der romantischen Oper zur historischen übergegangen, Wagner machte den umgekehrten Weg. Von der scharf gezeichneten Person des Volks- tribunen wandte er sich zu Heilige», Teufeln und Gespenstern. In der Musik des Fliegenden Holländers war ein großer Fortschritt nicht zu verkennen; die rohe Effecthascherei war einer solidem Kunst gewichen, und die kleinen Erfolge, welche sie erreichte, waren künstlerischer Natur. Die Fabel des Stückes ist übereinstimmend mit der alten Sage. Ein Holländischer Seefahrer hatte ein Cap im Ocean umsegeln wollen. Widrige Winde halten ihn davon ab, und er, darüber erzürnt, schwort bei den Mächten der Hölle, daß er von seinem Vorhaben in Ewigkeit nicht ablassen wolle. Da nimmt ihn der Böse beim Wort und verdammt ihn dazu, das Meer ohne Ruh' und Rast zu durch- schweifen. Alle sieben Jahre darf er an das Land gehen, um ein Weib zu freien, und erst nachdem er eins gefunden, die ihm feste Treue hält, wird er von seinen Irrfahrten erlöst sein. Das Mädchen, das ihm untren wird, kommt in die Hölle. Wagner ist dem Unglückseliger ein rettender Gott geworden; er hat ihm in Scuta, der Tochter des Norwegischen Seefahrers Daland, ein Weib zugewiesen, das durch die leidende Schwermut!) des Holländers, der bei Daland nach einer abermals abgelaufenen siebenjährigen Frist einkehrt, bewogen wird, ihm ihre Hand zuzu¬ sagen, ohne daß sie zu ahnen im Stande ist, welchem unglückseligen Manne sie ihr Leben geopfert hat. Der Jäger Erik, Scuta's früherer Geliebter, erinnert sie an das ihm gegebene Versprechen der Treue, er fleht sie zu wiederholten Malen an, das Bündniß mit dem finstern Manne aufzulösen. In einem dieser Augen¬ blicke überrascht der Holländer die Beiden und in dem Wahne, Scuta sei ihm treulos, will er fliehen, um von Neuem durch lange Jahre den Fluch des'Him¬ mels zu tragen. Scuta's Schicksal ist mit dem seinigen noch nicht eng verflochten, weil sie noch nicht vor dem Altare des Ewigen ihm Treue gelobt hat, aber sie ist entschlossen, ihr Schicksal von dem ihres Verlobten nicht mehr zu trennen; sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/420>, abgerufen am 27.07.2024.