Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.als wohlhabende Hausmutter ein Vierducatcnstück am Halse trug, während die Ich machte meinen Begleiter in Deutscher Sprache auf das schone Mädchenpaar als wohlhabende Hausmutter ein Vierducatcnstück am Halse trug, während die Ich machte meinen Begleiter in Deutscher Sprache auf das schone Mädchenpaar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91586"/> <p xml:id="ID_1071" prev="#ID_1070"> als wohlhabende Hausmutter ein Vierducatcnstück am Halse trug, während die<lb/> Andern Glasperlen, rothe Korallen, Silbermünzen und dergl. als Schmuck zur<lb/> Schau trugen. — Wir waren damals zu sehr mit unsrer mißlichen Lage beschäftigt,<lb/> um näher ans die Sondirnng dieser höchst interessanten Gruppe einzugehen, doch<lb/> sind uns sowol unter den Junggesellen als unter den Mädchen höchst anziehende,<lb/> ja selbst schöne Gestalten und Gesichter aufgefallen. Besonders lieb sahen zwei<lb/> Mädchen aus, die sich vertraulich an unsre Wirthin gelehnt hatten, und uuter<lb/> ihren langen Wimpern schwarze Blitze hervorschießen ließen. Der glänzend-schwarze,<lb/> dichte Haarwuchs war gescheitelt und in zwei bis ans Knie reichende Zöpfe ge¬<lb/> zwängt, an deren Enden bunte Seidenbänder eingeflochten waren; doch die ur¬<lb/> sprüngliche Lockeufvrm widerstand den Zähnen des Kammes, und das Haar bildete<lb/> eine wellenförmige Linie an Stirn und Wangen, deren dunkler, aber lebensfrischer<lb/> und seiner Teint von einer nur schwachen, aber gleichmäßigen Nöthe durchwoben<lb/> war; der Wuchs war, wie fast bei allen jungen Zigeunerinnen, schlank und schmäch¬<lb/> tig, die bloßen Hände und Füße klein und zart geformt, und das an der Hüfte<lb/> stramm angezogene Hemd ließ einen Busen errathen, wie sich ihn die Griechen<lb/> an ihrer Hebe dachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1072" next="#ID_1073"> Ich machte meinen Begleiter in Deutscher Sprache auf das schone Mädchenpaar<lb/> aufmerksam, und da bei dieser Gelegenheit sowol meine als meines Freundes<lb/> Blicke nach ihnen hinschweiften, so errieth unsere Barcsa Neue bald den Gegenstand<lb/> unsers Gesprächs, und sich nach den etwas verlege» blickenden Mädchen wendend<lb/> sagte sie mit einer den ältern Zigeunerinnen besonders eigenen Verschmitztheit:<lb/> „Diese ist meine Tochter und diese meine Nichte; Sie sind eben auch Zwei, meine<lb/> schönen, goldenen Herrchen, und konnte» sie also heirathen; wollen Sie sie, so<lb/> solle» Sie sie zur Stelle haben; der Braten für heute Mittag steht schou im<lb/> Ofen, ein Bißchen Weinlein ist auch im Hanse, für Musik brauche» wir nicht zu<lb/> sorgen, und der Pfaff ist zu jeder Stunde zu haben, wenn's ihm nur vom Kaisers<lb/> Bild (Geld) anbefohlen wird. Ihnen — setzte sie zu mir gewendet hinzu —<lb/> gebe ich meine Tochter, weil Sie so schönes schwarzes Haar haben; Ihr blonder<lb/> Reisegefährte, dessen Großvater wenigstens ein Schwab gewesen sein muß, wird<lb/> sich mit meiner Nichte begnügen; sie ist ein gutes Mädchen, und kann gut stricken,<lb/> nähe» und sticken, aber wenn sie eine» halbe» Tag mit u»s im Knkurutzfeld —<lb/> Maisfeld — gräbt, bekommt sie Uebelkeite». Sie hat eine herrliche Kehle, singt<lb/> aber nur traurige Lieder, und wenn sie ihr Lieblingslicdchen:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_26" type="poem"> <l/> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
als wohlhabende Hausmutter ein Vierducatcnstück am Halse trug, während die
Andern Glasperlen, rothe Korallen, Silbermünzen und dergl. als Schmuck zur
Schau trugen. — Wir waren damals zu sehr mit unsrer mißlichen Lage beschäftigt,
um näher ans die Sondirnng dieser höchst interessanten Gruppe einzugehen, doch
sind uns sowol unter den Junggesellen als unter den Mädchen höchst anziehende,
ja selbst schöne Gestalten und Gesichter aufgefallen. Besonders lieb sahen zwei
Mädchen aus, die sich vertraulich an unsre Wirthin gelehnt hatten, und uuter
ihren langen Wimpern schwarze Blitze hervorschießen ließen. Der glänzend-schwarze,
dichte Haarwuchs war gescheitelt und in zwei bis ans Knie reichende Zöpfe ge¬
zwängt, an deren Enden bunte Seidenbänder eingeflochten waren; doch die ur¬
sprüngliche Lockeufvrm widerstand den Zähnen des Kammes, und das Haar bildete
eine wellenförmige Linie an Stirn und Wangen, deren dunkler, aber lebensfrischer
und seiner Teint von einer nur schwachen, aber gleichmäßigen Nöthe durchwoben
war; der Wuchs war, wie fast bei allen jungen Zigeunerinnen, schlank und schmäch¬
tig, die bloßen Hände und Füße klein und zart geformt, und das an der Hüfte
stramm angezogene Hemd ließ einen Busen errathen, wie sich ihn die Griechen
an ihrer Hebe dachten.
Ich machte meinen Begleiter in Deutscher Sprache auf das schone Mädchenpaar
aufmerksam, und da bei dieser Gelegenheit sowol meine als meines Freundes
Blicke nach ihnen hinschweiften, so errieth unsere Barcsa Neue bald den Gegenstand
unsers Gesprächs, und sich nach den etwas verlege» blickenden Mädchen wendend
sagte sie mit einer den ältern Zigeunerinnen besonders eigenen Verschmitztheit:
„Diese ist meine Tochter und diese meine Nichte; Sie sind eben auch Zwei, meine
schönen, goldenen Herrchen, und konnte» sie also heirathen; wollen Sie sie, so
solle» Sie sie zur Stelle haben; der Braten für heute Mittag steht schou im
Ofen, ein Bißchen Weinlein ist auch im Hanse, für Musik brauche» wir nicht zu
sorgen, und der Pfaff ist zu jeder Stunde zu haben, wenn's ihm nur vom Kaisers
Bild (Geld) anbefohlen wird. Ihnen — setzte sie zu mir gewendet hinzu —
gebe ich meine Tochter, weil Sie so schönes schwarzes Haar haben; Ihr blonder
Reisegefährte, dessen Großvater wenigstens ein Schwab gewesen sein muß, wird
sich mit meiner Nichte begnügen; sie ist ein gutes Mädchen, und kann gut stricken,
nähe» und sticken, aber wenn sie eine» halbe» Tag mit u»s im Knkurutzfeld —
Maisfeld — gräbt, bekommt sie Uebelkeite». Sie hat eine herrliche Kehle, singt
aber nur traurige Lieder, und wenn sie ihr Lieblingslicdchen:
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