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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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abgesungen hat, da kommen ihr die Thränen, als hätte sie zwei Löffel Paprika
(Spanischen Pfeffer) verschluckt, oder als hätte sie eine" Mann, der täglich betrunken
nach Hanse kommt, und einige Baßgeigcnbogen an ihrem Buckel zerbricht." Die
Gesellschaft schlug über diesen Witz eine gellende Lache ans, aber das getroffene
Mädchen ließ ihre langen Wimpern wie einen Vorhang vor den feuchten Angen
niederfallen, und ich war eben im Begriff, ihr etwas Angenehmes zu sagen, als
unser ersehnter 8ipos bäesi erschien, in Gesellschaft eines anmuthigen, bürgerlich
gekleideten Knaben, der sich beim ersten Anblick als zur Race der Kolonie gehörend
kundgab, und eines andern jungen Mannes, den jeder Ungar, der einst selbst den
gelehrten Staub eines Gymnasiums, Lyceums oder Kollegiums eingeathmet hat,
als Ungarischen Studenten erkennen mußte. Später erfuhren wir, daß der Knabe
der hoffnungsvolle Sprößling unsers Fuhrmanns und seiner Fran, der junge
Mann aber ein Student sei, der dem jungen Sipos in der Ungarischen und La¬
teinischen Grammatik und in der Kenntniß der Musiknoteu Unterricht ertheilt, wofür
er jeden Monat zwei Gulden Schein -- 16 Neugroschen -- und Sonntags den
Mittagstisch bekommt.

Nachdem Marczi erfuhr, was uns zu ihm geführt, lud er uns ein, in seine
Wohnung zu treten, und wir waren erstaunt über die bürgerliche Nettigkeit, welche
hier mit einem nur den sogenannten wohlhabenden Philistern eigenen Comfort
gepaart war, nnr fehlte dem Ganzen etwas Geschmack im Arrangement und die
Voraussetzung, daß dies Alles von den Bewohnern wirklich als Bedürfniß gefühlt
und auch benützt wird. --

Nachdem wir uns niedergesetzt hatten, zog ich meine Meerschaumpfeife, eines
der letzten Ueberbleibsel einer bessern Zeit, hervor, und verlangte Feuer; aber
die ganze Familie war so beschäftigt mit Bewunderung meiner Pfeife, daß ich
dreimal meine Bitte wiederholen mußte, um Feuer zu erhalten. Am Meisten
war Lady Barcsa von meiner Pfeife bezaubert. "Hei! süßer gnädiger Herr" --
sagte sie -- "wenn Sie mir diese Pfeife schenken, so brauchen Sie sich nie vor
mir zu fürchten" -- eine gewöhnliche Redensart der Ungarischen Bauern --
"und obendrein würde ich Sie noch ewig lieben." Diese drollige Zugabe er¬
regte wieder allgemeine Heiterkeit, aber mir kam noch hinterdrein die Idee,
durch meine Pfeife, die zwar 12 Gulden Münze uuter Brüdern werth war, für
die ich aber in der damaligen Noth an Oestreichischen Gelde kaum die Hälfte be¬
kommen hätte, den Mangel unsrer dürftigen Börse zu ersetzen. Ich stellte so¬
gleich die Frage, ob Vetter Marczi geneigt wäre, einen Tauschhandel mit seiner
Führe nach Ketskemit ans meine Pfeife einzugehen? Marczi kratzte sich hinter



Aus einem beim Volke sehr beliebten Gedichte Petöfi's.

abgesungen hat, da kommen ihr die Thränen, als hätte sie zwei Löffel Paprika
(Spanischen Pfeffer) verschluckt, oder als hätte sie eine» Mann, der täglich betrunken
nach Hanse kommt, und einige Baßgeigcnbogen an ihrem Buckel zerbricht." Die
Gesellschaft schlug über diesen Witz eine gellende Lache ans, aber das getroffene
Mädchen ließ ihre langen Wimpern wie einen Vorhang vor den feuchten Angen
niederfallen, und ich war eben im Begriff, ihr etwas Angenehmes zu sagen, als
unser ersehnter 8ipos bäesi erschien, in Gesellschaft eines anmuthigen, bürgerlich
gekleideten Knaben, der sich beim ersten Anblick als zur Race der Kolonie gehörend
kundgab, und eines andern jungen Mannes, den jeder Ungar, der einst selbst den
gelehrten Staub eines Gymnasiums, Lyceums oder Kollegiums eingeathmet hat,
als Ungarischen Studenten erkennen mußte. Später erfuhren wir, daß der Knabe
der hoffnungsvolle Sprößling unsers Fuhrmanns und seiner Fran, der junge
Mann aber ein Student sei, der dem jungen Sipos in der Ungarischen und La¬
teinischen Grammatik und in der Kenntniß der Musiknoteu Unterricht ertheilt, wofür
er jeden Monat zwei Gulden Schein — 16 Neugroschen — und Sonntags den
Mittagstisch bekommt.

Nachdem Marczi erfuhr, was uns zu ihm geführt, lud er uns ein, in seine
Wohnung zu treten, und wir waren erstaunt über die bürgerliche Nettigkeit, welche
hier mit einem nur den sogenannten wohlhabenden Philistern eigenen Comfort
gepaart war, nnr fehlte dem Ganzen etwas Geschmack im Arrangement und die
Voraussetzung, daß dies Alles von den Bewohnern wirklich als Bedürfniß gefühlt
und auch benützt wird. —

Nachdem wir uns niedergesetzt hatten, zog ich meine Meerschaumpfeife, eines
der letzten Ueberbleibsel einer bessern Zeit, hervor, und verlangte Feuer; aber
die ganze Familie war so beschäftigt mit Bewunderung meiner Pfeife, daß ich
dreimal meine Bitte wiederholen mußte, um Feuer zu erhalten. Am Meisten
war Lady Barcsa von meiner Pfeife bezaubert. „Hei! süßer gnädiger Herr" —
sagte sie — „wenn Sie mir diese Pfeife schenken, so brauchen Sie sich nie vor
mir zu fürchten" — eine gewöhnliche Redensart der Ungarischen Bauern —
„und obendrein würde ich Sie noch ewig lieben." Diese drollige Zugabe er¬
regte wieder allgemeine Heiterkeit, aber mir kam noch hinterdrein die Idee,
durch meine Pfeife, die zwar 12 Gulden Münze uuter Brüdern werth war, für
die ich aber in der damaligen Noth an Oestreichischen Gelde kaum die Hälfte be¬
kommen hätte, den Mangel unsrer dürftigen Börse zu ersetzen. Ich stellte so¬
gleich die Frage, ob Vetter Marczi geneigt wäre, einen Tauschhandel mit seiner
Führe nach Ketskemit ans meine Pfeife einzugehen? Marczi kratzte sich hinter



Aus einem beim Volke sehr beliebten Gedichte Petöfi's.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/394>, abgerufen am 01.09.2024.