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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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wird. Allerdings ist das Aussehen einheimischer Cigarren, zumal der Bremer,
zuweilen so schön, wie das der besten legitimen. Da man aber der Cigarre
eben so wenig ins Herz sehen kann, wie dem Menschen, so nimmt man dort sehr
selten theuren Havanneser Tabak zur Einlage, sondern das Blatt von Kuba,
Domingo, Portorico n. s. w.

Zu den tiefsten Geheimnissen der Schöpfung gehört dem weisen Raucher
mich der Umstand, daß. gerade auf dieser Insel Cuba, in der Mitte zwischen
Nord- und Südamerika nud in so unbilliger Entfernung 'von Deutschland die
unterirdischen Gnomen in geisterhaften Kesseln den Tabakssaft am Besten und
Künstlichsten abkochen. ES ist dies eine Thatsache, welche so wenig Widerspruch
verträgt, daß es keinem civilisirten Erdbewohner, selbst dem Yankee, nicht einfällt,
die souveraine Herrschaft der Havanna!) zu bezweifeln. Jetzt, wo der Nvrdame-
nkauer auch die Hand nach der Havamiah ausstreckt, um die dortigen Cigarren
mit größerer Bequemlichkeit rauchen zu können, ist es doppelt an der Zeit, einen
Blick auf diese Capitale des Rauches, die Beherrscherin aller Männerherzen zu
werfen. Durch furchtbare Forts verschanzt, liegt der Hafen und die weiße Stadt
vor den Ankommenden als eine der größten Schönheiten der tropischen Meere,
und graciös und hochmüthig gegen Fremde ist sie auch, als eine echte Creolenschönheit.
Wen das gelbe Fieber dort nicht wegrafft, und das sehr theure Leben nicht zur
Flucht zwingt, nud wem uicht etwa bei Nacht auf den allerdings schmuzigen und
winkeligen Straßen ein unbekannter Meuchelmörder die Cigarre ausgehen macht,
der kauu dort seinen Himmel finden, denn in den Straßen der Havanna!) sind
'"ehr Cigarreuläden und Tabaquerieu, als in eiuer Deutschen Stadt Specerei¬
laden und Bierstuben. Die Tabaqueria ist ein kleiner Raum, nach der Straße
ganz offen, darin ein Tisch, ein halbes Dnjzeud Stühle und ein Topf Wasser.
Ans den Stühlen sitzen schmilzige Neger mit welligem Costum, welche die Cigarren
Mit mehr Schnelligkeit als Sauberkeit rollen. Es ist ihnen verboten, die Enden
derselben mit ihrem Speichel zu befeuchten, was sie deshalb auch nicht immer
Hinter der Stadt erhebt sich der Boden der Provinz Havanna!), in deren
weiten Thalebenen die Plantagen der holden Blätter liegen. Unter allen Tabaks-
bezirken ist der berühmteste der Thalgrund, die on;"u <l'ad^o. Das Blatt dieser
^cgend hat dem Havannesertabak seinen Weltruhm verschafft, und gilt noch bellte
für das beste. Leider ist die Gegend uicht groß, und nur kleine Quantitäten
^nimm in den überseeischen Handel; um so erfreulicher ist die Pietät, mit wel-
cher die Cigarrensabrikanten der ganzen Welt auf Kisten mit dem verschiedensten
^"halt, ja sogar über Deutsche Brnderblätter, Pfälzer nud Ohlauer, unermüdlich
das Zauberwort vuoUu ä'ab^" schreiben. -- Biele Plantagcnbefitzer der Havanna!)
sind selbst Fabrikanten. Andere Fabriken kaufen die Ernten der Grundbesitzer,
zunächst in der Provinz Havannah, dann aus den übrigen Theilen der Insel Cuba,
von der Ost- und.Westküste, und viele legitime Cigarren, welche in Deutschland


wird. Allerdings ist das Aussehen einheimischer Cigarren, zumal der Bremer,
zuweilen so schön, wie das der besten legitimen. Da man aber der Cigarre
eben so wenig ins Herz sehen kann, wie dem Menschen, so nimmt man dort sehr
selten theuren Havanneser Tabak zur Einlage, sondern das Blatt von Kuba,
Domingo, Portorico n. s. w.

Zu den tiefsten Geheimnissen der Schöpfung gehört dem weisen Raucher
mich der Umstand, daß. gerade auf dieser Insel Cuba, in der Mitte zwischen
Nord- und Südamerika nud in so unbilliger Entfernung 'von Deutschland die
unterirdischen Gnomen in geisterhaften Kesseln den Tabakssaft am Besten und
Künstlichsten abkochen. ES ist dies eine Thatsache, welche so wenig Widerspruch
verträgt, daß es keinem civilisirten Erdbewohner, selbst dem Yankee, nicht einfällt,
die souveraine Herrschaft der Havanna!) zu bezweifeln. Jetzt, wo der Nvrdame-
nkauer auch die Hand nach der Havamiah ausstreckt, um die dortigen Cigarren
mit größerer Bequemlichkeit rauchen zu können, ist es doppelt an der Zeit, einen
Blick auf diese Capitale des Rauches, die Beherrscherin aller Männerherzen zu
werfen. Durch furchtbare Forts verschanzt, liegt der Hafen und die weiße Stadt
vor den Ankommenden als eine der größten Schönheiten der tropischen Meere,
und graciös und hochmüthig gegen Fremde ist sie auch, als eine echte Creolenschönheit.
Wen das gelbe Fieber dort nicht wegrafft, und das sehr theure Leben nicht zur
Flucht zwingt, nud wem uicht etwa bei Nacht auf den allerdings schmuzigen und
winkeligen Straßen ein unbekannter Meuchelmörder die Cigarre ausgehen macht,
der kauu dort seinen Himmel finden, denn in den Straßen der Havanna!) sind
'»ehr Cigarreuläden und Tabaquerieu, als in eiuer Deutschen Stadt Specerei¬
laden und Bierstuben. Die Tabaqueria ist ein kleiner Raum, nach der Straße
ganz offen, darin ein Tisch, ein halbes Dnjzeud Stühle und ein Topf Wasser.
Ans den Stühlen sitzen schmilzige Neger mit welligem Costum, welche die Cigarren
Mit mehr Schnelligkeit als Sauberkeit rollen. Es ist ihnen verboten, die Enden
derselben mit ihrem Speichel zu befeuchten, was sie deshalb auch nicht immer
Hinter der Stadt erhebt sich der Boden der Provinz Havanna!), in deren
weiten Thalebenen die Plantagen der holden Blätter liegen. Unter allen Tabaks-
bezirken ist der berühmteste der Thalgrund, die on;»u <l'ad^o. Das Blatt dieser
^cgend hat dem Havannesertabak seinen Weltruhm verschafft, und gilt noch bellte
für das beste. Leider ist die Gegend uicht groß, und nur kleine Quantitäten
^nimm in den überseeischen Handel; um so erfreulicher ist die Pietät, mit wel-
cher die Cigarrensabrikanten der ganzen Welt auf Kisten mit dem verschiedensten
^"halt, ja sogar über Deutsche Brnderblätter, Pfälzer nud Ohlauer, unermüdlich
das Zauberwort vuoUu ä'ab^» schreiben. — Biele Plantagcnbefitzer der Havanna!)
sind selbst Fabrikanten. Andere Fabriken kaufen die Ernten der Grundbesitzer,
zunächst in der Provinz Havannah, dann aus den übrigen Theilen der Insel Cuba,
von der Ost- und.Westküste, und viele legitime Cigarren, welche in Deutschland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/91>, abgerufen am 23.07.2024.