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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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eingeführt werden, bestehen ans einem Gemisch von Havanna!,- und Cnbablätterm,,
oft ans letzteren allein. Das Wickeln der Cigarren geschieht allgemein dnrch
Neger und Mulatten, Männer und Frauen. Unter den Europäischen Rauchern
gehen dunkle Sage", daß die Negermädchen der Havanna!), schon gebadet und
parfumirt, für ihre Gebieter die Vegueros auf ihren schwarzen Beinchen von der
Hüfte abwärts zu rollen Pflegen, und daß alte Negerinnen, nicht gebadet und nicht
parfumirt, dasselbe an unsren Cigarren thun. Dabei ist viel Uebertreibung. Jo
Allgemeinen werden die Cigarren dort gerollt, wie bei uns, und der Unterschied
in der Reinlichkeit ist keinenfalls übermäßig groß. Die Namen der besseren Fa¬
briken sind auf der ganzen Erde bekannt, und wenn ein Berliner einem Indianer
von den Sandwichsinseln etwa an der Küste von Grönland begegnet, so darf
er nur das Wort "Cabannas" aussprechen, und der Sandwich wird wohlwollend
grinsen und fühlen, daß ihn ein Bruderhand mit Herrn Buffey verbindet.
Der Cigarreuhandel in Havannah ist ein Kommissionshandel, die Kaufleute der
Havanna!) sind Commissivnairc von Häusern der ganzen Welt, welche nach den
Bestellungen ihrer entfernten Geschäftsfreunde bei den Fabrikanten einkaufen. So
scheint der Handel mit den Havanncser Cigarren ziemlich einfach, da aber zu große
Einfachheit bei der Große und Wichtigkeit, des Gegenstandes unwürdig wäre,
so hat ein gütiges Geschick dafür gesorgt, daß alle Coquetterie und launische Mode,
welche in den Frauenherzen dieser heißen Zone wuchert, auch in das Cigarren¬
geschäft der Mäuner sich eingedrängt hat. Die Namen der Fabriken und der
Sorten und die Formen der Cigarren sind 'in einem steten Wechsel begriffe"'
dessen innere Gesetze für den gemeinen Menschenverstand schwer zu ergründen sind-

Die Havanncser Cigarre hat einen dreifachen Namen, den ersten nach der
Fabrik, den zweiten nach ihrer Form und Güte, den dritten nach ihrer Farbe.
Ans der Farbe schließt der Raucher zuerst ans den Charakter der Cigarren, "ut
der Fabrikant bezeichnet deshalb sorgfältig die Farbe an den Seiten der Kiste.
Cigarren derselben Fabrik, derselben Form und Nummer sind in Geschmack und
Geruch noch sehr verschieden. Von dem milden Strohgelb bis zur gewaltigen
Schwarzbraun laufen die Schattirungen des Havannahblattes, und jede Schattirung
hat ihre eigenen Reize. Das Blatt der hellsten gelben Cigarre ist dünner,
weniger ölig, vom zartesten Aroma, aber es ist anch weniger dauerhaft, se"^'
Gährungöproccsse sind nicht kräftig, und seine Nachreife ist in kurzer Zeit voll¬
bracht; eS erreicht in wenig Jahren den Höhepunkt seiner Güte, und wird von
da ab allmählich geruch- und inhaltloser, bis zuletzt ein faber Srrohgeschmack den
Menschen daran erinnert, daß auch der höchsten Schönheit der Erde die Unser
liebtest versagt ist. Ju den Jahren ihrer Jugend aber ist diese schnell alternde
Cigarre die am Meisten begehrte und am Höchsten bezahlte; und wer aufgesorder
wird, eine, kostbare Regalia zu bewundern, welche ziemlich nichtssagend Schneck'
der möge nicht vergessen, daß diese Cigarre eine Zeit der Bortresslichkeit here?


eingeführt werden, bestehen ans einem Gemisch von Havanna!,- und Cnbablätterm,,
oft ans letzteren allein. Das Wickeln der Cigarren geschieht allgemein dnrch
Neger und Mulatten, Männer und Frauen. Unter den Europäischen Rauchern
gehen dunkle Sage», daß die Negermädchen der Havanna!), schon gebadet und
parfumirt, für ihre Gebieter die Vegueros auf ihren schwarzen Beinchen von der
Hüfte abwärts zu rollen Pflegen, und daß alte Negerinnen, nicht gebadet und nicht
parfumirt, dasselbe an unsren Cigarren thun. Dabei ist viel Uebertreibung. Jo
Allgemeinen werden die Cigarren dort gerollt, wie bei uns, und der Unterschied
in der Reinlichkeit ist keinenfalls übermäßig groß. Die Namen der besseren Fa¬
briken sind auf der ganzen Erde bekannt, und wenn ein Berliner einem Indianer
von den Sandwichsinseln etwa an der Küste von Grönland begegnet, so darf
er nur das Wort „Cabannas" aussprechen, und der Sandwich wird wohlwollend
grinsen und fühlen, daß ihn ein Bruderhand mit Herrn Buffey verbindet.
Der Cigarreuhandel in Havannah ist ein Kommissionshandel, die Kaufleute der
Havanna!) sind Commissivnairc von Häusern der ganzen Welt, welche nach den
Bestellungen ihrer entfernten Geschäftsfreunde bei den Fabrikanten einkaufen. So
scheint der Handel mit den Havanncser Cigarren ziemlich einfach, da aber zu große
Einfachheit bei der Große und Wichtigkeit, des Gegenstandes unwürdig wäre,
so hat ein gütiges Geschick dafür gesorgt, daß alle Coquetterie und launische Mode,
welche in den Frauenherzen dieser heißen Zone wuchert, auch in das Cigarren¬
geschäft der Mäuner sich eingedrängt hat. Die Namen der Fabriken und der
Sorten und die Formen der Cigarren sind 'in einem steten Wechsel begriffe»'
dessen innere Gesetze für den gemeinen Menschenverstand schwer zu ergründen sind-

Die Havanncser Cigarre hat einen dreifachen Namen, den ersten nach der
Fabrik, den zweiten nach ihrer Form und Güte, den dritten nach ihrer Farbe.
Ans der Farbe schließt der Raucher zuerst ans den Charakter der Cigarren, »ut
der Fabrikant bezeichnet deshalb sorgfältig die Farbe an den Seiten der Kiste.
Cigarren derselben Fabrik, derselben Form und Nummer sind in Geschmack und
Geruch noch sehr verschieden. Von dem milden Strohgelb bis zur gewaltigen
Schwarzbraun laufen die Schattirungen des Havannahblattes, und jede Schattirung
hat ihre eigenen Reize. Das Blatt der hellsten gelben Cigarre ist dünner,
weniger ölig, vom zartesten Aroma, aber es ist anch weniger dauerhaft, se"^'
Gährungöproccsse sind nicht kräftig, und seine Nachreife ist in kurzer Zeit voll¬
bracht; eS erreicht in wenig Jahren den Höhepunkt seiner Güte, und wird von
da ab allmählich geruch- und inhaltloser, bis zuletzt ein faber Srrohgeschmack den
Menschen daran erinnert, daß auch der höchsten Schönheit der Erde die Unser
liebtest versagt ist. Ju den Jahren ihrer Jugend aber ist diese schnell alternde
Cigarre die am Meisten begehrte und am Höchsten bezahlte; und wer aufgesorder
wird, eine, kostbare Regalia zu bewundern, welche ziemlich nichtssagend Schneck'
der möge nicht vergessen, daß diese Cigarre eine Zeit der Bortresslichkeit here?


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[0092] eingeführt werden, bestehen ans einem Gemisch von Havanna!,- und Cnbablätterm,, oft ans letzteren allein. Das Wickeln der Cigarren geschieht allgemein dnrch Neger und Mulatten, Männer und Frauen. Unter den Europäischen Rauchern gehen dunkle Sage», daß die Negermädchen der Havanna!), schon gebadet und parfumirt, für ihre Gebieter die Vegueros auf ihren schwarzen Beinchen von der Hüfte abwärts zu rollen Pflegen, und daß alte Negerinnen, nicht gebadet und nicht parfumirt, dasselbe an unsren Cigarren thun. Dabei ist viel Uebertreibung. Jo Allgemeinen werden die Cigarren dort gerollt, wie bei uns, und der Unterschied in der Reinlichkeit ist keinenfalls übermäßig groß. Die Namen der besseren Fa¬ briken sind auf der ganzen Erde bekannt, und wenn ein Berliner einem Indianer von den Sandwichsinseln etwa an der Küste von Grönland begegnet, so darf er nur das Wort „Cabannas" aussprechen, und der Sandwich wird wohlwollend grinsen und fühlen, daß ihn ein Bruderhand mit Herrn Buffey verbindet. Der Cigarreuhandel in Havannah ist ein Kommissionshandel, die Kaufleute der Havanna!) sind Commissivnairc von Häusern der ganzen Welt, welche nach den Bestellungen ihrer entfernten Geschäftsfreunde bei den Fabrikanten einkaufen. So scheint der Handel mit den Havanncser Cigarren ziemlich einfach, da aber zu große Einfachheit bei der Große und Wichtigkeit, des Gegenstandes unwürdig wäre, so hat ein gütiges Geschick dafür gesorgt, daß alle Coquetterie und launische Mode, welche in den Frauenherzen dieser heißen Zone wuchert, auch in das Cigarren¬ geschäft der Mäuner sich eingedrängt hat. Die Namen der Fabriken und der Sorten und die Formen der Cigarren sind 'in einem steten Wechsel begriffe»' dessen innere Gesetze für den gemeinen Menschenverstand schwer zu ergründen sind- Die Havanncser Cigarre hat einen dreifachen Namen, den ersten nach der Fabrik, den zweiten nach ihrer Form und Güte, den dritten nach ihrer Farbe. Ans der Farbe schließt der Raucher zuerst ans den Charakter der Cigarren, »ut der Fabrikant bezeichnet deshalb sorgfältig die Farbe an den Seiten der Kiste. Cigarren derselben Fabrik, derselben Form und Nummer sind in Geschmack und Geruch noch sehr verschieden. Von dem milden Strohgelb bis zur gewaltigen Schwarzbraun laufen die Schattirungen des Havannahblattes, und jede Schattirung hat ihre eigenen Reize. Das Blatt der hellsten gelben Cigarre ist dünner, weniger ölig, vom zartesten Aroma, aber es ist anch weniger dauerhaft, se"^' Gährungöproccsse sind nicht kräftig, und seine Nachreife ist in kurzer Zeit voll¬ bracht; eS erreicht in wenig Jahren den Höhepunkt seiner Güte, und wird von da ab allmählich geruch- und inhaltloser, bis zuletzt ein faber Srrohgeschmack den Menschen daran erinnert, daß auch der höchsten Schönheit der Erde die Unser liebtest versagt ist. Ju den Jahren ihrer Jugend aber ist diese schnell alternde Cigarre die am Meisten begehrte und am Höchsten bezahlte; und wer aufgesorder wird, eine, kostbare Regalia zu bewundern, welche ziemlich nichtssagend Schneck' der möge nicht vergessen, daß diese Cigarre eine Zeit der Bortresslichkeit here?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/92>, abgerufen am 23.07.2024.