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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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schwer, die gelben zu süßlich, die schweren werden in Amerika zum Kautabak, in
Europa zum Schnupftabak verwendet, und bei der Cigarrenfabrikation werden starke
mit milderen Blättern gemischt. Die Regien von Oestreich und Frankreich sind
wegen der Billigkeit und Kraft der Blätter eifrige Abnehmer geworden. In
Frankreich werden die Nordamerikanischen Sorten häufig mit Java, in Oestreich
mit Ungarischen Tabak vereinigt. -- Die Staude von Brasilien hat ein großes,
schönes Blatt, aber sie wird dort noch sorglos behandelt; auf dem schweren Boden
der Thäler ist sie ölig und beißend, ans den Bergen oft weich und gehaltlos.
Die Brasilianer Cigarren, welche schlecht gewickelt sind, wagen sich noch wenig in
den Weltverkehr. ' Bei den Cigarren unsrer Fabriken aber ist das Tabaksblatt
von Brasilien eine billige Einlage, und dringt als Rauch- und Schnupftabak
von Bahia auch selbstständig in die Nase" der Europäer. Der Deutsche An¬
siedler in Brasilien hat der Väter Brauch bewahrt, und raucht aus einer kleinen
Rohrpfeife feingeschnittene schwarze, stark gegohrene Blätter, sich an dem beißen¬
den Geschmacke erfreuend. -- Auch in Asten gedeihen wohlbekannte Arten, sie haben
die Tugenden und Fehler von Emporkömmlingen. Die Staude vou Java, die
große blonde Schönheit unter den'Blättern, von leichtem Wesen, hat doch eine"
merkwürdigen Erdgeschmack und einen durchaus nicht aristokratischen Geruch, wie
uach dem Gewürzläden, an den man sich erst gewöhnen muß. Der Holländer
liebt sie als Cigarre, bei uns wird sie als Deckblatt vielfach verbraucht. Die
Blätter vou Manilla haben trotz aller Reize einen schlechten Charakter, sie
verführen durch ihren sammtenen grauen Mulattenteint und die feurige Energie
ihres Blutes, aber sie intriguiren hinterlistig gegen unsre" Magen und die Organe
des Athmens. Die Manilla-Cigarren haben zur Einlage lange Blätter, welche
nicht so gewickelt werden, wie in der Havanna!), der Mantel wird mit dem Saft
einer Gummipflauze darum befestigt, die mau fälschlich für Opium hielt, weil sie
anch berauscht. Das Fabrikat bildet so eine lauge, konische Rolle, drei bis
viermal länger, als gewöhnliche Cigarren; diese Rolle wird in mehrere Theile
zerschnitten, und diese Theile als Milm, 5<zouucl^ dorein sortirt; die prun" ^
das dickere Ende. Auch in China existirt in aller Stille ein großer Tabakbau.
Das Blatt wird geraucht ans Köpfen vou der Größe eines Fingerhutes,
welche ans Mettallcvmposition gemacht sind; der Rauchtabak besteht aus schwarzen
Fäden, welche sehr berauschen, weil sie durch eine scharfe Sauce, wahrscheinlich
Opium, vergiftet werde".e

Die Europäische" Tabake habe" leider kein Glück i" der Welt, uur wenig
stehen in dem Rufe der Respectabilität, sie haben oft ein hübsches Aussehen, aber
sie leide" an viele" Unarte": die eine" sind rohe, erdige Ackerliiechte, andere haben
einen Fnselgeschmack wie Eckensteher, noch andere sind süßlich und sentimental
wie verkümmerte Fräulein. Ihre vielfache Berweudung macht sie einflußreich, und
da sie fast alle eine gewisse Gutmüthigkeit besitzen, so möge ihr Rauch immerhin durch


schwer, die gelben zu süßlich, die schweren werden in Amerika zum Kautabak, in
Europa zum Schnupftabak verwendet, und bei der Cigarrenfabrikation werden starke
mit milderen Blättern gemischt. Die Regien von Oestreich und Frankreich sind
wegen der Billigkeit und Kraft der Blätter eifrige Abnehmer geworden. In
Frankreich werden die Nordamerikanischen Sorten häufig mit Java, in Oestreich
mit Ungarischen Tabak vereinigt. — Die Staude von Brasilien hat ein großes,
schönes Blatt, aber sie wird dort noch sorglos behandelt; auf dem schweren Boden
der Thäler ist sie ölig und beißend, ans den Bergen oft weich und gehaltlos.
Die Brasilianer Cigarren, welche schlecht gewickelt sind, wagen sich noch wenig in
den Weltverkehr. ' Bei den Cigarren unsrer Fabriken aber ist das Tabaksblatt
von Brasilien eine billige Einlage, und dringt als Rauch- und Schnupftabak
von Bahia auch selbstständig in die Nase» der Europäer. Der Deutsche An¬
siedler in Brasilien hat der Väter Brauch bewahrt, und raucht aus einer kleinen
Rohrpfeife feingeschnittene schwarze, stark gegohrene Blätter, sich an dem beißen¬
den Geschmacke erfreuend. — Auch in Asten gedeihen wohlbekannte Arten, sie haben
die Tugenden und Fehler von Emporkömmlingen. Die Staude vou Java, die
große blonde Schönheit unter den'Blättern, von leichtem Wesen, hat doch eine»
merkwürdigen Erdgeschmack und einen durchaus nicht aristokratischen Geruch, wie
uach dem Gewürzläden, an den man sich erst gewöhnen muß. Der Holländer
liebt sie als Cigarre, bei uns wird sie als Deckblatt vielfach verbraucht. Die
Blätter vou Manilla haben trotz aller Reize einen schlechten Charakter, sie
verführen durch ihren sammtenen grauen Mulattenteint und die feurige Energie
ihres Blutes, aber sie intriguiren hinterlistig gegen unsre» Magen und die Organe
des Athmens. Die Manilla-Cigarren haben zur Einlage lange Blätter, welche
nicht so gewickelt werden, wie in der Havanna!), der Mantel wird mit dem Saft
einer Gummipflauze darum befestigt, die mau fälschlich für Opium hielt, weil sie
anch berauscht. Das Fabrikat bildet so eine lauge, konische Rolle, drei bis
viermal länger, als gewöhnliche Cigarren; diese Rolle wird in mehrere Theile
zerschnitten, und diese Theile als Milm, 5<zouucl^ dorein sortirt; die prun» ^
das dickere Ende. Auch in China existirt in aller Stille ein großer Tabakbau.
Das Blatt wird geraucht ans Köpfen vou der Größe eines Fingerhutes,
welche ans Mettallcvmposition gemacht sind; der Rauchtabak besteht aus schwarzen
Fäden, welche sehr berauschen, weil sie durch eine scharfe Sauce, wahrscheinlich
Opium, vergiftet werde».e

Die Europäische» Tabake habe» leider kein Glück i» der Welt, uur wenig
stehen in dem Rufe der Respectabilität, sie haben oft ein hübsches Aussehen, aber
sie leide» an viele» Unarte»: die eine» sind rohe, erdige Ackerliiechte, andere haben
einen Fnselgeschmack wie Eckensteher, noch andere sind süßlich und sentimental
wie verkümmerte Fräulein. Ihre vielfache Berweudung macht sie einflußreich, und
da sie fast alle eine gewisse Gutmüthigkeit besitzen, so möge ihr Rauch immerhin durch


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[0088] schwer, die gelben zu süßlich, die schweren werden in Amerika zum Kautabak, in Europa zum Schnupftabak verwendet, und bei der Cigarrenfabrikation werden starke mit milderen Blättern gemischt. Die Regien von Oestreich und Frankreich sind wegen der Billigkeit und Kraft der Blätter eifrige Abnehmer geworden. In Frankreich werden die Nordamerikanischen Sorten häufig mit Java, in Oestreich mit Ungarischen Tabak vereinigt. — Die Staude von Brasilien hat ein großes, schönes Blatt, aber sie wird dort noch sorglos behandelt; auf dem schweren Boden der Thäler ist sie ölig und beißend, ans den Bergen oft weich und gehaltlos. Die Brasilianer Cigarren, welche schlecht gewickelt sind, wagen sich noch wenig in den Weltverkehr. ' Bei den Cigarren unsrer Fabriken aber ist das Tabaksblatt von Brasilien eine billige Einlage, und dringt als Rauch- und Schnupftabak von Bahia auch selbstständig in die Nase» der Europäer. Der Deutsche An¬ siedler in Brasilien hat der Väter Brauch bewahrt, und raucht aus einer kleinen Rohrpfeife feingeschnittene schwarze, stark gegohrene Blätter, sich an dem beißen¬ den Geschmacke erfreuend. — Auch in Asten gedeihen wohlbekannte Arten, sie haben die Tugenden und Fehler von Emporkömmlingen. Die Staude vou Java, die große blonde Schönheit unter den'Blättern, von leichtem Wesen, hat doch eine» merkwürdigen Erdgeschmack und einen durchaus nicht aristokratischen Geruch, wie uach dem Gewürzläden, an den man sich erst gewöhnen muß. Der Holländer liebt sie als Cigarre, bei uns wird sie als Deckblatt vielfach verbraucht. Die Blätter vou Manilla haben trotz aller Reize einen schlechten Charakter, sie verführen durch ihren sammtenen grauen Mulattenteint und die feurige Energie ihres Blutes, aber sie intriguiren hinterlistig gegen unsre» Magen und die Organe des Athmens. Die Manilla-Cigarren haben zur Einlage lange Blätter, welche nicht so gewickelt werden, wie in der Havanna!), der Mantel wird mit dem Saft einer Gummipflauze darum befestigt, die mau fälschlich für Opium hielt, weil sie anch berauscht. Das Fabrikat bildet so eine lauge, konische Rolle, drei bis viermal länger, als gewöhnliche Cigarren; diese Rolle wird in mehrere Theile zerschnitten, und diese Theile als Milm, 5<zouucl^ dorein sortirt; die prun» ^ das dickere Ende. Auch in China existirt in aller Stille ein großer Tabakbau. Das Blatt wird geraucht ans Köpfen vou der Größe eines Fingerhutes, welche ans Mettallcvmposition gemacht sind; der Rauchtabak besteht aus schwarzen Fäden, welche sehr berauschen, weil sie durch eine scharfe Sauce, wahrscheinlich Opium, vergiftet werde».e Die Europäische» Tabake habe» leider kein Glück i» der Welt, uur wenig stehen in dem Rufe der Respectabilität, sie haben oft ein hübsches Aussehen, aber sie leide» an viele» Unarte»: die eine» sind rohe, erdige Ackerliiechte, andere haben einen Fnselgeschmack wie Eckensteher, noch andere sind süßlich und sentimental wie verkümmerte Fräulein. Ihre vielfache Berweudung macht sie einflußreich, und da sie fast alle eine gewisse Gutmüthigkeit besitzen, so möge ihr Rauch immerhin durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/88>, abgerufen am 23.07.2024.