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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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drei Viertel ihrer Länge ohne sich zu biegen in die Höhe heben ließ; aber uner¬
bittlich wurde die Crcwate bei Seite gelegt, wenn nicht jedes Fältchen an seinem
Orte war, oder der Knoten nicht ans den ersten Wurf gelang. Ost sah man
den Bedienten mit ganzen Annen voll zurückgelegter Halstücher aus dem Ankleide-
zimmer kommen, und einmal, als Brummell als Gast auf einem Landsitze bei
London in seineu Versuchen, sich das Halstuch mit gewohnter Kunst umzulegen, so
unglücklich war, daß er seinen ganzen mitgebrachten Vorrath erschöpfte, mußte er
seinen Bedienten mit Postpferden nach der Stadt schicken, um aus seiner dortigen
Garderobe den Verlust zu ersetzen. Brummells Biograph, der Capitain Jesse,
beschreibt uns die eben so mühsame als amüsante Operation des Cravatennmlegcns.
"Der Hemdkragen war so groß, daß er, ehe er umgelegt war, den Kopf und
das Gesicht ganz versteckte, und das weiße Halstuch war mindestens einen Fuß
hoch. Die Operation sing mit dem Hemdkragen an, der umgebogen wurde; dann
drückte Brummell, vor dem Spiegel stehend, und das Kinn so hoch als möglich hal¬
tend, durch sanftes und wiederholtes Drücken mit der untern Kinnlade die Cravate
ans das gehörige Maß zusammen, wobei die zierlichen Falten, welche sich dabei
um deu Hals legte", ihre Gestalt durch deu umgeschlagenen Hemdkragen erhielten."
Die große Kunst, welche Brummell auf das Halstuchumbindcn verwendete, fand
zahlreiche Bewunderer, und früh bei seiner Toilette sah er sich oftmals von seinen
hochgcbornen Freunden und Nachahmern umgeben, welche ihm seine Kunst abzu¬
lernen bemüht waren. Selbst der Prinz von Wales verschmäht es nicht, zuweilen
zu erscheinen. Bekanntlich strebte der Thronfolger nach dem Ruhme, nicht nur
der Erste im Lande, sondern auch der Erste unter den Dandies zu sein. Auf
seine Garderobe verwendete er ungeheure Summen; nach seinem Tode wurde sie
versteigert und gab einen Ertrag von 1ü,000 Pfd. Lord Chesterfield kaufte für
220 Pfd. einen Mantel, der neu 800 Pfd. gekostet hatte.

Brummell besaß auch uoch andere Eigenschaften, die ihn ganz zum Mann
der Gesellschaft machten. Er zeichnete leidlich, musicirte und machte Verse, und
war ein ausgezeichneter Tänzer. Ein unerschöpflicher guter Humor machte ihn
zu einem vortrefflichen Gesellschafter. Daher war er in den besten und erclusivsten
Kreisen ger" gesehen: in Brighton bei dem Prinzen von Wales, in Belvoir bei
dem Herzog von Rutland, in Wobnru bei dem Herzog von Bedford, in Chatsworth
bei dem Herzog von Devonshire. Als Sportsman war er nicht ausgezeichnet;
die Sorge für seine Cravate mußte ihn so starken Bewegungen abgeneigt machen;
doch konnte er sich als Reiter mit Anstand sehen lassen. Seine Pferde waren
immer so schmuck und so geleckt wie ihr Herr. Die Sorge dafür überließ er
übrigens ganz seinem Grvom, welcher seine Pferde taufte, verkaufte und bannt
tauschte ohne ihn zu fragen. Brummell bekümmerte sich nicht im mindesten darum,
wenn er nur immer gut beritten war.

Brummells Portrait ist in mehrere auch aus dem Continente bekannte Romane


drei Viertel ihrer Länge ohne sich zu biegen in die Höhe heben ließ; aber uner¬
bittlich wurde die Crcwate bei Seite gelegt, wenn nicht jedes Fältchen an seinem
Orte war, oder der Knoten nicht ans den ersten Wurf gelang. Ost sah man
den Bedienten mit ganzen Annen voll zurückgelegter Halstücher aus dem Ankleide-
zimmer kommen, und einmal, als Brummell als Gast auf einem Landsitze bei
London in seineu Versuchen, sich das Halstuch mit gewohnter Kunst umzulegen, so
unglücklich war, daß er seinen ganzen mitgebrachten Vorrath erschöpfte, mußte er
seinen Bedienten mit Postpferden nach der Stadt schicken, um aus seiner dortigen
Garderobe den Verlust zu ersetzen. Brummells Biograph, der Capitain Jesse,
beschreibt uns die eben so mühsame als amüsante Operation des Cravatennmlegcns.
„Der Hemdkragen war so groß, daß er, ehe er umgelegt war, den Kopf und
das Gesicht ganz versteckte, und das weiße Halstuch war mindestens einen Fuß
hoch. Die Operation sing mit dem Hemdkragen an, der umgebogen wurde; dann
drückte Brummell, vor dem Spiegel stehend, und das Kinn so hoch als möglich hal¬
tend, durch sanftes und wiederholtes Drücken mit der untern Kinnlade die Cravate
ans das gehörige Maß zusammen, wobei die zierlichen Falten, welche sich dabei
um deu Hals legte», ihre Gestalt durch deu umgeschlagenen Hemdkragen erhielten."
Die große Kunst, welche Brummell auf das Halstuchumbindcn verwendete, fand
zahlreiche Bewunderer, und früh bei seiner Toilette sah er sich oftmals von seinen
hochgcbornen Freunden und Nachahmern umgeben, welche ihm seine Kunst abzu¬
lernen bemüht waren. Selbst der Prinz von Wales verschmäht es nicht, zuweilen
zu erscheinen. Bekanntlich strebte der Thronfolger nach dem Ruhme, nicht nur
der Erste im Lande, sondern auch der Erste unter den Dandies zu sein. Auf
seine Garderobe verwendete er ungeheure Summen; nach seinem Tode wurde sie
versteigert und gab einen Ertrag von 1ü,000 Pfd. Lord Chesterfield kaufte für
220 Pfd. einen Mantel, der neu 800 Pfd. gekostet hatte.

Brummell besaß auch uoch andere Eigenschaften, die ihn ganz zum Mann
der Gesellschaft machten. Er zeichnete leidlich, musicirte und machte Verse, und
war ein ausgezeichneter Tänzer. Ein unerschöpflicher guter Humor machte ihn
zu einem vortrefflichen Gesellschafter. Daher war er in den besten und erclusivsten
Kreisen ger» gesehen: in Brighton bei dem Prinzen von Wales, in Belvoir bei
dem Herzog von Rutland, in Wobnru bei dem Herzog von Bedford, in Chatsworth
bei dem Herzog von Devonshire. Als Sportsman war er nicht ausgezeichnet;
die Sorge für seine Cravate mußte ihn so starken Bewegungen abgeneigt machen;
doch konnte er sich als Reiter mit Anstand sehen lassen. Seine Pferde waren
immer so schmuck und so geleckt wie ihr Herr. Die Sorge dafür überließ er
übrigens ganz seinem Grvom, welcher seine Pferde taufte, verkaufte und bannt
tauschte ohne ihn zu fragen. Brummell bekümmerte sich nicht im mindesten darum,
wenn er nur immer gut beritten war.

Brummells Portrait ist in mehrere auch aus dem Continente bekannte Romane


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[0422] drei Viertel ihrer Länge ohne sich zu biegen in die Höhe heben ließ; aber uner¬ bittlich wurde die Crcwate bei Seite gelegt, wenn nicht jedes Fältchen an seinem Orte war, oder der Knoten nicht ans den ersten Wurf gelang. Ost sah man den Bedienten mit ganzen Annen voll zurückgelegter Halstücher aus dem Ankleide- zimmer kommen, und einmal, als Brummell als Gast auf einem Landsitze bei London in seineu Versuchen, sich das Halstuch mit gewohnter Kunst umzulegen, so unglücklich war, daß er seinen ganzen mitgebrachten Vorrath erschöpfte, mußte er seinen Bedienten mit Postpferden nach der Stadt schicken, um aus seiner dortigen Garderobe den Verlust zu ersetzen. Brummells Biograph, der Capitain Jesse, beschreibt uns die eben so mühsame als amüsante Operation des Cravatennmlegcns. „Der Hemdkragen war so groß, daß er, ehe er umgelegt war, den Kopf und das Gesicht ganz versteckte, und das weiße Halstuch war mindestens einen Fuß hoch. Die Operation sing mit dem Hemdkragen an, der umgebogen wurde; dann drückte Brummell, vor dem Spiegel stehend, und das Kinn so hoch als möglich hal¬ tend, durch sanftes und wiederholtes Drücken mit der untern Kinnlade die Cravate ans das gehörige Maß zusammen, wobei die zierlichen Falten, welche sich dabei um deu Hals legte», ihre Gestalt durch deu umgeschlagenen Hemdkragen erhielten." Die große Kunst, welche Brummell auf das Halstuchumbindcn verwendete, fand zahlreiche Bewunderer, und früh bei seiner Toilette sah er sich oftmals von seinen hochgcbornen Freunden und Nachahmern umgeben, welche ihm seine Kunst abzu¬ lernen bemüht waren. Selbst der Prinz von Wales verschmäht es nicht, zuweilen zu erscheinen. Bekanntlich strebte der Thronfolger nach dem Ruhme, nicht nur der Erste im Lande, sondern auch der Erste unter den Dandies zu sein. Auf seine Garderobe verwendete er ungeheure Summen; nach seinem Tode wurde sie versteigert und gab einen Ertrag von 1ü,000 Pfd. Lord Chesterfield kaufte für 220 Pfd. einen Mantel, der neu 800 Pfd. gekostet hatte. Brummell besaß auch uoch andere Eigenschaften, die ihn ganz zum Mann der Gesellschaft machten. Er zeichnete leidlich, musicirte und machte Verse, und war ein ausgezeichneter Tänzer. Ein unerschöpflicher guter Humor machte ihn zu einem vortrefflichen Gesellschafter. Daher war er in den besten und erclusivsten Kreisen ger» gesehen: in Brighton bei dem Prinzen von Wales, in Belvoir bei dem Herzog von Rutland, in Wobnru bei dem Herzog von Bedford, in Chatsworth bei dem Herzog von Devonshire. Als Sportsman war er nicht ausgezeichnet; die Sorge für seine Cravate mußte ihn so starken Bewegungen abgeneigt machen; doch konnte er sich als Reiter mit Anstand sehen lassen. Seine Pferde waren immer so schmuck und so geleckt wie ihr Herr. Die Sorge dafür überließ er übrigens ganz seinem Grvom, welcher seine Pferde taufte, verkaufte und bannt tauschte ohne ihn zu fragen. Brummell bekümmerte sich nicht im mindesten darum, wenn er nur immer gut beritten war. Brummells Portrait ist in mehrere auch aus dem Continente bekannte Romane

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/422>, abgerufen am 23.07.2024.