Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.Million Gulden anlegte. Die meisten deutschen Fürsten und Standesherren Million Gulden anlegte. Die meisten deutschen Fürsten und Standesherren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280955"/> <p xml:id="ID_1012" prev="#ID_1011" next="#ID_1013"> Million Gulden anlegte. Die meisten deutschen Fürsten und Standesherren<lb/> waren Beförderer des neuen Geschmacks, vorzüglich der Fürst Leopold von<lb/> Dessau, die Landgrafen Friedrich II. und Wilhelm'von Hessen-Kassel, welche<lb/> in Wilhelmshöhe den großartigsten Park in Deutschland schufen; Friedrich<lb/> Wilhelm II. von Preußen, der Charlottenburg nud den „Neuen Garten" bei<lb/> Potsdam englisch einrichten ließ; Herzog Karl August von Weimar; Gras Czer-<lb/> uiu, der Schöpfer von Schönhoven in Böhmen; Graf Heinrich v. Stollb erg-<lb/> Weruigerode; Fürst Lichtenstein, Graf Harach, Herzog Karl von Würt-<lb/> temberg-Oels; Fürst Schwarzenberg, Domherr in Salzburg n. A. in. —-<lb/> Die Sucht nach den neuen englischen oder chinesischen Gärten war in Mittel¬<lb/> europa, besonders in Deutschland, noch viel größer als früher nach den regel¬<lb/> mäßigen französischen. Es war aber nicht Mode allein, es war ein tiefer Drang<lb/> der Zeit, alle beengenden Fesseln aus dem Leben und dessen Umgebung zu ent-<lb/> fernen. Leider waren nur wenige großen Anlagen des neuen Styls in Deutsch¬<lb/> land gelungen zu nennen, die Mehrzahl war pedantisch, kleinlich und lächerlich.<lb/> Mau fand damals oft sogenannte Parks, die auf dem Raume von einigen Mor¬<lb/> gen Landes, oder noch weniger, einen künstlichen Hügel (einem colossalen Maul-<lb/> wurfshaufen gleichend), einen See (von der Größe einer Entenpfützc), euer schwachen<lb/> Bach oder stagnirenden Graben mit vielen großen Brücken, mehrere Tempel,<lb/> oft nur aus 4—6 Baumstämmen und einem Strohdach bestehend, eine Ruine,<lb/> chinesische Pavillons, eine Einsiedelei, Felsen und Grotten:c. beherbergten. Der<lb/> Garten war meistens mit einem wildverwachsenen Gebüsch von sogenanntem eng¬<lb/> lischen Gehölz bedeckt und mit vielen Korkzieherwcgcu durchzogen Anfangs hatte<lb/> man nicht den Muth, die alten regelmäßigen Anlagen ganz wegzubringen, und<lb/> glaubte schon einen englischen Garten zu haben, wenn man die vorhandenen<lb/> Gebüsche innerhalb der Hecken und Alleen mit gewundenen WcgZN durchzog, denn<lb/> diese hielt man für die Hauptsache dabei. Am vernünftigsten waren noch Die¬<lb/> jenigen, welche sich einbildeten, einen englischen Garten zu Haien, wenn sie ein<lb/> nahes Wäldchen, mit krummen Wegen durchzogen, ewige Band und ein einfaches<lb/> Häuschen anbrachten, und vielleicht noch einige steife Aussichdn durch den Wald<lb/> schlugen; denn sie verdarben doch wenigstens kein gutes Winer- oder Feldland<lb/> mit sogenanntem englischen Gehölz. Auch die größeren ab besseren Anlagen<lb/> aus dieser Zeit waren mit wunderlichen und meist kleinlich angeführten Gebäuden<lb/> überfüllt; denn es war damals eine allgemein verbreitete Meinung, daß jede<lb/> Gartenscene ein besonderes Gebäude haben müsse, um derseben den gewünschten<lb/> oder angedichteten Charakter zu verleihen. Um Wiederholungen zu vermeiden,<lb/> verfiel man aus die wunderlichsten Formen, und reihte Geüude aus allen Welt¬<lb/> gegenden zusammen. Ein gleicher Mißbrauch wurde mit Äouumenten, Statuen<lb/> u. s. w. getrieben. Wollte man eine Scene von melanch-lischen Charakter, se'<lb/> wurde eine Todtennrne oder ein anderes Symbol des Tobel ausgestellt, und einer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
Million Gulden anlegte. Die meisten deutschen Fürsten und Standesherren
waren Beförderer des neuen Geschmacks, vorzüglich der Fürst Leopold von
Dessau, die Landgrafen Friedrich II. und Wilhelm'von Hessen-Kassel, welche
in Wilhelmshöhe den großartigsten Park in Deutschland schufen; Friedrich
Wilhelm II. von Preußen, der Charlottenburg nud den „Neuen Garten" bei
Potsdam englisch einrichten ließ; Herzog Karl August von Weimar; Gras Czer-
uiu, der Schöpfer von Schönhoven in Böhmen; Graf Heinrich v. Stollb erg-
Weruigerode; Fürst Lichtenstein, Graf Harach, Herzog Karl von Würt-
temberg-Oels; Fürst Schwarzenberg, Domherr in Salzburg n. A. in. —-
Die Sucht nach den neuen englischen oder chinesischen Gärten war in Mittel¬
europa, besonders in Deutschland, noch viel größer als früher nach den regel¬
mäßigen französischen. Es war aber nicht Mode allein, es war ein tiefer Drang
der Zeit, alle beengenden Fesseln aus dem Leben und dessen Umgebung zu ent-
fernen. Leider waren nur wenige großen Anlagen des neuen Styls in Deutsch¬
land gelungen zu nennen, die Mehrzahl war pedantisch, kleinlich und lächerlich.
Mau fand damals oft sogenannte Parks, die auf dem Raume von einigen Mor¬
gen Landes, oder noch weniger, einen künstlichen Hügel (einem colossalen Maul-
wurfshaufen gleichend), einen See (von der Größe einer Entenpfützc), euer schwachen
Bach oder stagnirenden Graben mit vielen großen Brücken, mehrere Tempel,
oft nur aus 4—6 Baumstämmen und einem Strohdach bestehend, eine Ruine,
chinesische Pavillons, eine Einsiedelei, Felsen und Grotten:c. beherbergten. Der
Garten war meistens mit einem wildverwachsenen Gebüsch von sogenanntem eng¬
lischen Gehölz bedeckt und mit vielen Korkzieherwcgcu durchzogen Anfangs hatte
man nicht den Muth, die alten regelmäßigen Anlagen ganz wegzubringen, und
glaubte schon einen englischen Garten zu haben, wenn man die vorhandenen
Gebüsche innerhalb der Hecken und Alleen mit gewundenen WcgZN durchzog, denn
diese hielt man für die Hauptsache dabei. Am vernünftigsten waren noch Die¬
jenigen, welche sich einbildeten, einen englischen Garten zu Haien, wenn sie ein
nahes Wäldchen, mit krummen Wegen durchzogen, ewige Band und ein einfaches
Häuschen anbrachten, und vielleicht noch einige steife Aussichdn durch den Wald
schlugen; denn sie verdarben doch wenigstens kein gutes Winer- oder Feldland
mit sogenanntem englischen Gehölz. Auch die größeren ab besseren Anlagen
aus dieser Zeit waren mit wunderlichen und meist kleinlich angeführten Gebäuden
überfüllt; denn es war damals eine allgemein verbreitete Meinung, daß jede
Gartenscene ein besonderes Gebäude haben müsse, um derseben den gewünschten
oder angedichteten Charakter zu verleihen. Um Wiederholungen zu vermeiden,
verfiel man aus die wunderlichsten Formen, und reihte Geüude aus allen Welt¬
gegenden zusammen. Ein gleicher Mißbrauch wurde mit Äouumenten, Statuen
u. s. w. getrieben. Wollte man eine Scene von melanch-lischen Charakter, se'
wurde eine Todtennrne oder ein anderes Symbol des Tobel ausgestellt, und einer
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