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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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virde Mode machte sogleich die Runde durch Europa. Am weitesten trieben die
Holländer die Spielerei; doch stammt auch der nächste Fortschritt von ihnen
her, denn sie führten die Blumcnverzierungcn ein. Da in Holland fast jedes
größere Grundstück mit Kanälen durchschnitten ist, wobei gemauerte Terrassen
nöthig sind, so kamen diese durch die Holländer in Gebrauch, und es entstand
der sogenannte holländische Styl. Alleen und Waldpartien hatten die hollän¬
dischen Gärten selten; sie waren nichts als verkleinerte, mit Spielereien und Kanälen
überladene und mit Blumen geschmückte französische Gärten, die aber häufige
Nachahmung sanden, weil sie leichter im Kleinen auszuführen waren. -- Unter
Ludwig XV. artete der Garteugeschmack endlich in den mit Recht verrufenen
Rococo-Styl aus. Durch ihn kamen die Blumen von Porzellan, welche zuerst
im Garten der Marquise von Pompadour zu Chvissy gesehen wurden, in die
Mode. Da aber solcher Schmuck für die Meisten zu kostspielig und der natür¬
liche Blumenschmuck nun einmal verpönt war, so half man sich mit bunten Steine",
Glaöstücken, Schlacken, Muscheln und gefärbtem Sand, ans welchen Stoffen in
den gekünstelter Figuren der Parterreräume wiederum künstliche Muster gebildet
wurden, linker den Wenigen, welche sich von der verkehrten Richtung der Zeit
nicht fortreißen ließen, verdient der als Lustspieldichter mehr bekannte Charles
Rival Dnfresny"), der unter Ludwig XIV. Garteuaufseher war, genannt zu
werden. Er entwarf einen Plan zum Garten von Versailles, welcher eine natür¬
liche Landschaft vorstellte, jedoch verworfen wurde, wie es am Hofe Ludwigs
nicht anders zu erwarten war. --

In Deutschland wurden die meisten französischen Gärten in der erste"
Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt, als der Geschmack schon im Verfall war.
Als die wichtigsten sind zu nennen: Schönbrunn, Augarten und Hetzcn-
dvrf bei Wien, der Thiergarten bei Berlin, Sanssouci (jedoch später und
in einem gemischten Styl), Schwetzingen bei Manheim, Herrenhausen
bei Hannover, Nymphenburg und Schleißheim bei München, Ludwigs-
burg und Favorite bei Stuttgart, Eremitage und Phantasie bei Baireuth,
Augarten nud Wilhelmsthal bei Kassel, die Hofgarten in Durlach, Karls¬
ruhe, Pillnitz, Aschaffenburg, Würzburg, Biebrich, Brühl bei Köln,
der große Garten bei Dresden u. f. w. Die Italiener nahmen den vo"
ihrem Lande ausgegangenen Styl ebenfalls in der veränderten Gestalt begiensi
zurück, wovon die zum Theil noch bestehenden Gärten von Veneria, Vign''
la Reine, Stnpigni bei Turin, die Villa Borghese, Ludovisi, P"'"'
fili und Belvedere bei Rom, Villa Reale (die Chiaja) Caserta u"d



*) Dusreöuy hatte eine große Keschicklichtclt, Kupferstiche auszuschneiden mit daraus d>e
verschiedensten Landschaftsbilder thcatcrmäßig zusammen zu stellen. Da er Kärtner war, >
machte er einen Versuch in der Natur selbst, indem er auf dem uncl-enen Boden im Gan
des Al>b6 Pajot eine kleine Landschaft ganz auf ähnliche Weise anlegte.

virde Mode machte sogleich die Runde durch Europa. Am weitesten trieben die
Holländer die Spielerei; doch stammt auch der nächste Fortschritt von ihnen
her, denn sie führten die Blumcnverzierungcn ein. Da in Holland fast jedes
größere Grundstück mit Kanälen durchschnitten ist, wobei gemauerte Terrassen
nöthig sind, so kamen diese durch die Holländer in Gebrauch, und es entstand
der sogenannte holländische Styl. Alleen und Waldpartien hatten die hollän¬
dischen Gärten selten; sie waren nichts als verkleinerte, mit Spielereien und Kanälen
überladene und mit Blumen geschmückte französische Gärten, die aber häufige
Nachahmung sanden, weil sie leichter im Kleinen auszuführen waren. — Unter
Ludwig XV. artete der Garteugeschmack endlich in den mit Recht verrufenen
Rococo-Styl aus. Durch ihn kamen die Blumen von Porzellan, welche zuerst
im Garten der Marquise von Pompadour zu Chvissy gesehen wurden, in die
Mode. Da aber solcher Schmuck für die Meisten zu kostspielig und der natür¬
liche Blumenschmuck nun einmal verpönt war, so half man sich mit bunten Steine»,
Glaöstücken, Schlacken, Muscheln und gefärbtem Sand, ans welchen Stoffen in
den gekünstelter Figuren der Parterreräume wiederum künstliche Muster gebildet
wurden, linker den Wenigen, welche sich von der verkehrten Richtung der Zeit
nicht fortreißen ließen, verdient der als Lustspieldichter mehr bekannte Charles
Rival Dnfresny"), der unter Ludwig XIV. Garteuaufseher war, genannt zu
werden. Er entwarf einen Plan zum Garten von Versailles, welcher eine natür¬
liche Landschaft vorstellte, jedoch verworfen wurde, wie es am Hofe Ludwigs
nicht anders zu erwarten war. —

In Deutschland wurden die meisten französischen Gärten in der erste»
Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt, als der Geschmack schon im Verfall war.
Als die wichtigsten sind zu nennen: Schönbrunn, Augarten und Hetzcn-
dvrf bei Wien, der Thiergarten bei Berlin, Sanssouci (jedoch später und
in einem gemischten Styl), Schwetzingen bei Manheim, Herrenhausen
bei Hannover, Nymphenburg und Schleißheim bei München, Ludwigs-
burg und Favorite bei Stuttgart, Eremitage und Phantasie bei Baireuth,
Augarten nud Wilhelmsthal bei Kassel, die Hofgarten in Durlach, Karls¬
ruhe, Pillnitz, Aschaffenburg, Würzburg, Biebrich, Brühl bei Köln,
der große Garten bei Dresden u. f. w. Die Italiener nahmen den vo»
ihrem Lande ausgegangenen Styl ebenfalls in der veränderten Gestalt begiensi
zurück, wovon die zum Theil noch bestehenden Gärten von Veneria, Vign''
la Reine, Stnpigni bei Turin, die Villa Borghese, Ludovisi, P"'"'
fili und Belvedere bei Rom, Villa Reale (die Chiaja) Caserta u»d



*) Dusreöuy hatte eine große Keschicklichtclt, Kupferstiche auszuschneiden mit daraus d>e
verschiedensten Landschaftsbilder thcatcrmäßig zusammen zu stellen. Da er Kärtner war, >
machte er einen Versuch in der Natur selbst, indem er auf dem uncl-enen Boden im Gan
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/332>, abgerufen am 23.07.2024.