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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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thümliche dvppelfarbigeGarnirung beschränkt dieses einheitliche Grün, während an den
Fahnen, Tschakos und Helmen neben der schwarzrothgoldneu Connivenz die dop-
pelschcinigeu Krystallisationssarben nirgends fehlten. Darum ist dies minister-
tischliche Russischgrün die rechte, echte Farbe Deutscher Einheit, "nicht jener ma¬
teriellen Einheit, von welcher eine eroberungslustige Demokratie träumt, sondern
der moralischen Einheit, welche zu fordern wir unablässig bemüht sind" -- wie
die auswärtigen Mächte in ihren Procwnatioueu sich auszudrücken Pflegen. Im
blauen Banner der Vereinigten Staaten des Westens bedeutet je ein Stern einen
Staat. Wie herrlich wäre ein Russischgrünes Deutsches Banner, worin je ein
goldener Ministertisch dieselbe Bedeutung hätte. Anstatt einer Umgebung von
Ranteukräuzeu, Lorbeerzweigen und anderm nutzlosen Buschwerk könnte von ein-
wärtögcrichteten Lictorenbeilen und Birtenrnthcn, Säbeln und Haßliugeru, Ba-
yonnetten nud Kanonenläufen eine gar anmuthige Einfassung erdacht werden. . .

Doch wohin führen uns patriotische Phantasien! Ist's doch, als entstiegen
dem pythischen Vierfuß, in dessen Betrachtung wir versunken sind, alle zierlichen
Geister der segensreichen Vergangenheit, alle lockenden Gebilde der erhabensten
Zukunft. Und sie bilden Menschengestalten, bilden die Gestalten der Männer,
welche seit 1847 bis hente hier ihre Plätze fanden, oder doch hätten finden
können. Haben nun auch nicht alle von hier aus gesprochen und gekämpft, so
doch die meiste". Auch Hr. v. Abel's Gestalt begegnen wir noch nach der Me¬
morandumkrise von 1847, wenn gleich nicht mehr am Ministertische. Er sitzt in
der Reihe der Kammerrechtcn, und es war wirklich Schade, daß Fürst Oettingen-
Wallerstein dem alten Gegner weder als abermaliger Minister (Ende 1847), uoch
"is erstmaliger Führer der linken Kammcrseite (Wahl von 1849) gegenübersaß.
Aber Hr. v. Übel wich aus der Abgeordnetenkammer, ehe der Fürst den Reichö-
uuhssitz verließ, und als Derselbe das letzte vormärzliche Ministerium leitete, war
Jener noch nicht Mitglied der Kammer. Glücklicher als Beide, führt dagegen Hr.
d. Pfordten das Präsidium des Ministertisches, und kann es sorglos sogar
Augenblicke verlassen, um bei zweifelhaften Fragen als Abgeordneter des Krei¬
ses Haag in Oberbayern die Stimmen des Ministeriums, und damit dessen Krast-
Me zu verstärken.

Hr. Fürst Oettingen-Wallerstein ist der älteste von deu genannten Dreien,'
wenn auch der jüngste seines jetzigen Standpunktes, sicherlich gewandter als beide
Gegner, vielseitiger in jeder Hinsicht. Einst Vorläufer und Johannes des Abel-
schen Systems, dann von dessen Träger aufs Aergste verunglimpft, sein Gegner
'in Zweikampfe, sein Gegner als Reichsrath, sein Gegensatz als nachlolitischer und
vormärzlicher Minister, ist er jetzt Führer der von ihm erfundenen "Legaldemo¬
kratie" der Bayerischen Volksvertretung. Das tragische Element seines modernen
Auftretens liegt in der Vergangenheit und ragt schaitemverfend in seine Gegen¬
wart. Noch immer ist ihm nämlich versagt, daß er die lang verheißenen bonn-


thümliche dvppelfarbigeGarnirung beschränkt dieses einheitliche Grün, während an den
Fahnen, Tschakos und Helmen neben der schwarzrothgoldneu Connivenz die dop-
pelschcinigeu Krystallisationssarben nirgends fehlten. Darum ist dies minister-
tischliche Russischgrün die rechte, echte Farbe Deutscher Einheit, „nicht jener ma¬
teriellen Einheit, von welcher eine eroberungslustige Demokratie träumt, sondern
der moralischen Einheit, welche zu fordern wir unablässig bemüht sind" — wie
die auswärtigen Mächte in ihren Procwnatioueu sich auszudrücken Pflegen. Im
blauen Banner der Vereinigten Staaten des Westens bedeutet je ein Stern einen
Staat. Wie herrlich wäre ein Russischgrünes Deutsches Banner, worin je ein
goldener Ministertisch dieselbe Bedeutung hätte. Anstatt einer Umgebung von
Ranteukräuzeu, Lorbeerzweigen und anderm nutzlosen Buschwerk könnte von ein-
wärtögcrichteten Lictorenbeilen und Birtenrnthcn, Säbeln und Haßliugeru, Ba-
yonnetten nud Kanonenläufen eine gar anmuthige Einfassung erdacht werden. . .

Doch wohin führen uns patriotische Phantasien! Ist's doch, als entstiegen
dem pythischen Vierfuß, in dessen Betrachtung wir versunken sind, alle zierlichen
Geister der segensreichen Vergangenheit, alle lockenden Gebilde der erhabensten
Zukunft. Und sie bilden Menschengestalten, bilden die Gestalten der Männer,
welche seit 1847 bis hente hier ihre Plätze fanden, oder doch hätten finden
können. Haben nun auch nicht alle von hier aus gesprochen und gekämpft, so
doch die meiste«. Auch Hr. v. Abel's Gestalt begegnen wir noch nach der Me¬
morandumkrise von 1847, wenn gleich nicht mehr am Ministertische. Er sitzt in
der Reihe der Kammerrechtcn, und es war wirklich Schade, daß Fürst Oettingen-
Wallerstein dem alten Gegner weder als abermaliger Minister (Ende 1847), uoch
"is erstmaliger Führer der linken Kammcrseite (Wahl von 1849) gegenübersaß.
Aber Hr. v. Übel wich aus der Abgeordnetenkammer, ehe der Fürst den Reichö-
uuhssitz verließ, und als Derselbe das letzte vormärzliche Ministerium leitete, war
Jener noch nicht Mitglied der Kammer. Glücklicher als Beide, führt dagegen Hr.
d. Pfordten das Präsidium des Ministertisches, und kann es sorglos sogar
Augenblicke verlassen, um bei zweifelhaften Fragen als Abgeordneter des Krei¬
ses Haag in Oberbayern die Stimmen des Ministeriums, und damit dessen Krast-
Me zu verstärken.

Hr. Fürst Oettingen-Wallerstein ist der älteste von deu genannten Dreien,'
wenn auch der jüngste seines jetzigen Standpunktes, sicherlich gewandter als beide
Gegner, vielseitiger in jeder Hinsicht. Einst Vorläufer und Johannes des Abel-
schen Systems, dann von dessen Träger aufs Aergste verunglimpft, sein Gegner
'in Zweikampfe, sein Gegner als Reichsrath, sein Gegensatz als nachlolitischer und
vormärzlicher Minister, ist er jetzt Führer der von ihm erfundenen „Legaldemo¬
kratie" der Bayerischen Volksvertretung. Das tragische Element seines modernen
Auftretens liegt in der Vergangenheit und ragt schaitemverfend in seine Gegen¬
wart. Noch immer ist ihm nämlich versagt, daß er die lang verheißenen bonn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/23>, abgerufen am 23.07.2024.