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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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die Konsequenzen des constitutionellen Princips mit der Buudesgesetzgebung col-
lidiren, welche Nothwendigkeit die sonst von uns nicht geliebte -j-Zeitung sehr
richtig ausgeführt hat. Ans dem kirchlichen Felde endlich sind wir bis dato nur
zur Wiederkehr der Redemptoristenmissionen gekommen, während der Wunsch
eines Bayerischen Landraths aus vormärzlicher Zeit um officielle Zurückberufung
der Väter der Gesellschaft Jesu leider noch immer unerfüllt geblieben ist. Wie
wir zuerst mit der Revolution gebrochen, so wär sie auch bei uns zuerst zum
Heile Deutschlands zum Durchbruch gekommen, nämlich mit dem gloriosen Ma¬
nifest vom 1-1. Februar 1847, unterzeichnet von den damaligen Ministern v. Abel,
v. Gumppenberg, v. Friesheim und v. Schrenk....

Solche und ähnliche Gedanken beschäftigen den echten Patrioten unwillkürlich
beim Eintritt in die jetzt leeren Sitzungssäle des -I. und 2. Stockes des Mün¬
chener Ständehauses, indem er die schweigsamen Ministertische betrachtet. In
der Neichrathökammer steht der Tisch höflich eingefügt in die Sitzreihen, dicht
am Präsidentenkatheder, gegenüber den Sesseln der königlichen Prinzen. In der
Abgeordnetenkammer lehnen sich seine Stühle an die Loge der vsstciellen Jour¬
nalisten, während eine Ein- und Ausgangsthür gleich daneben sich öffnet. Wie
oft seit -I8i7 hat sich diese vor neuen Sesselinhaberu geöffnet, wie rasch sich oft¬
mals hinter ihnen geschlossen, um sie nie mehr einzulassen! Ja einmal, es war
18i7, war Fürst Wrede, später als reichsräthlicher Kämpe gegen die Juden¬
emancipation oftmals genannt, sogar alleiniger Inhaber aller Ministerstühle, wenn
auch leider nur eine Stunde lang. Und ein Glück war's, daß in dieser StMde
keine Landtagssttzung mit dringenden Interpellationen stattfand; auch er hätte
sonst diese Thür siegend und weichend durchschreiten müssen. Die moderne Zeit
berechtigte überhaupt in Bayern viel mehr Männer auf diese Stühle, als in
den anderen deutschen Vaterländern, denn man zählt der noch lebenden seit etwa
zehn Jahren mehr als ein Viertelhundert. Aber freilich sind auch weit mehr zum
Ein- und Austritt durch jene Thür berufen gewesen, als diesen Beruf positiv zu
erfüllen brauchten. Das hatte seine Gründe, wenn auch keineswegs immer par¬
lamentarische.¬

Mitten unter solchen Gedanke" über den Wechsel im menschlichen Leben be
rührt es uus erhebend, in dem Miuistertisch selber, in dem Möbel, das sprechendste
Symbol der echten Conservation, ja der Deutschen Einheit, offenbart zu sehen;
besonders nachdem nationalökonomisch-patriotische Gründe die schwarzrothgoldnen
Embleme allerwärts beseitigt und gesamtstaatliches Bewußtsein sie im belagernngs-
ständlichen Oestreich sogar als revolutivnaires Abzeichen verboten hat. Der
Bayerische Ministertisch ist grün behängen, in der obern "hohen", wie in der
"untern" Kammer. Es ist genau dasselbe Russischgrün, wie es alle Deutsche
Miuistcrtische deckt, sogar in Bückeburg und Gera; dasselbe Grün, welches vor
dem Pascha Jvchmns und Hr. Detmold sich breitete. Ja selbst keine stammeseige"-


die Konsequenzen des constitutionellen Princips mit der Buudesgesetzgebung col-
lidiren, welche Nothwendigkeit die sonst von uns nicht geliebte -j-Zeitung sehr
richtig ausgeführt hat. Ans dem kirchlichen Felde endlich sind wir bis dato nur
zur Wiederkehr der Redemptoristenmissionen gekommen, während der Wunsch
eines Bayerischen Landraths aus vormärzlicher Zeit um officielle Zurückberufung
der Väter der Gesellschaft Jesu leider noch immer unerfüllt geblieben ist. Wie
wir zuerst mit der Revolution gebrochen, so wär sie auch bei uns zuerst zum
Heile Deutschlands zum Durchbruch gekommen, nämlich mit dem gloriosen Ma¬
nifest vom 1-1. Februar 1847, unterzeichnet von den damaligen Ministern v. Abel,
v. Gumppenberg, v. Friesheim und v. Schrenk....

Solche und ähnliche Gedanken beschäftigen den echten Patrioten unwillkürlich
beim Eintritt in die jetzt leeren Sitzungssäle des -I. und 2. Stockes des Mün¬
chener Ständehauses, indem er die schweigsamen Ministertische betrachtet. In
der Neichrathökammer steht der Tisch höflich eingefügt in die Sitzreihen, dicht
am Präsidentenkatheder, gegenüber den Sesseln der königlichen Prinzen. In der
Abgeordnetenkammer lehnen sich seine Stühle an die Loge der vsstciellen Jour¬
nalisten, während eine Ein- und Ausgangsthür gleich daneben sich öffnet. Wie
oft seit -I8i7 hat sich diese vor neuen Sesselinhaberu geöffnet, wie rasch sich oft¬
mals hinter ihnen geschlossen, um sie nie mehr einzulassen! Ja einmal, es war
18i7, war Fürst Wrede, später als reichsräthlicher Kämpe gegen die Juden¬
emancipation oftmals genannt, sogar alleiniger Inhaber aller Ministerstühle, wenn
auch leider nur eine Stunde lang. Und ein Glück war's, daß in dieser StMde
keine Landtagssttzung mit dringenden Interpellationen stattfand; auch er hätte
sonst diese Thür siegend und weichend durchschreiten müssen. Die moderne Zeit
berechtigte überhaupt in Bayern viel mehr Männer auf diese Stühle, als in
den anderen deutschen Vaterländern, denn man zählt der noch lebenden seit etwa
zehn Jahren mehr als ein Viertelhundert. Aber freilich sind auch weit mehr zum
Ein- und Austritt durch jene Thür berufen gewesen, als diesen Beruf positiv zu
erfüllen brauchten. Das hatte seine Gründe, wenn auch keineswegs immer par¬
lamentarische.¬

Mitten unter solchen Gedanke» über den Wechsel im menschlichen Leben be
rührt es uus erhebend, in dem Miuistertisch selber, in dem Möbel, das sprechendste
Symbol der echten Conservation, ja der Deutschen Einheit, offenbart zu sehen;
besonders nachdem nationalökonomisch-patriotische Gründe die schwarzrothgoldnen
Embleme allerwärts beseitigt und gesamtstaatliches Bewußtsein sie im belagernngs-
ständlichen Oestreich sogar als revolutivnaires Abzeichen verboten hat. Der
Bayerische Ministertisch ist grün behängen, in der obern „hohen", wie in der
„untern" Kammer. Es ist genau dasselbe Russischgrün, wie es alle Deutsche
Miuistcrtische deckt, sogar in Bückeburg und Gera; dasselbe Grün, welches vor
dem Pascha Jvchmns und Hr. Detmold sich breitete. Ja selbst keine stammeseige"-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/22>, abgerufen am 23.07.2024.