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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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nicht Stadtverordneter mehr, aber immer noch Professor, immer noch geheimer
Archivrath und -- wenn Cichorien sich Kaffee nennen dürfen, warum nicht auch
noch Mitglied der Nationalversammlung, die Bemühungen der, trotz der selbst-
affichirten Unsterblichkeit, auch verlöschten Lampe fort; trotz Ranke, des Preußische",
trotz Preuß, des Brandenburgischen Historiographen, ernennt er sich selbst zum
vaterländischen Historiographen der Akademie, und umwindet sein Haupt mit frischem
Eichenlaubs, das, wenn er so fortfährt, noch trotz aller äisgraeo von seinem
Schädel aus seinen Busen herabfallen und dort den kreuzförmigen Lohn seines
patriotischen Strebens umziehen wird. Viel wohlthuender als seine und seines
^ Vorgängers Rede war Pinders maiäsn-spoLLk gewesen, der zuerst das Wort
genommen hatte; als liebenswürdiger, allezeit zur Hilfe bereiter, literarisch viel-
bewandcrter Bibliothekar hat er durch Rath und That die Studien Anderer
wesentlich gefördert; aber auch selbst hat er in tüchtigen Arbeiten sich als soliden
Forscher bewährt, durch Theilnahme an der großartigen Unternehmung Niebuhrs,
der Herausgabe der Byzantinischen Geschichtschreiber, durch Publication einer sorg¬
fältigen Recension des Wegevcrzeichnisses des Römischen Reichs, das den Namen
des Antoninus trägt, in Gemeinschaft mit seinem Freunde Parthey, endlich durch
eine Reihe verdienstvoller Arbeiten auf dein Gebiete der Münzkunde. Und
namentlich dnrch seine Thätigkeit ans dem letztern bietet er der Akademie eine
willkommene Ergänzung, wie Trendelenburg, der Secretair der Klasse, in seiner
eben so urbaren, als andererseits, wenn auch nicht eben auf der Oberfläche, des
Salzes nicht ermangelnden Antwortsrede ausführte: die Münzkunde sei, so sagte er
ungefähr, als die historische Archäologie zu betrachten, die einen festem Anhalt und
gleichsam ein Gegengewicht bilde gegen die labyrinthischen Jrrgänge archäologisch-
mythologischer Hypothesen -- in diesem Sinne vornämlich habe Pinder seine
Wahl aufzufassen. Ob sich wol Herr Panofka bei diesen Worten ein Wenig
getroffen gefühlt haben mag? -- doch, wenn wir recht bemerkt haben, war er
nicht einmal zugegen, und wird erst sein Theil zu denken bekommen, wenn er die
Rede seines Kollegen liest, und den Räthseln ihrer dunkeln Beziehungen und
ihrer Verhältnisse zu ihrem Urheber und zu sich selber nachspürt. Wir machen
ihn dazu im Voraus ans "den Choriamb der Deutschen Sprache" "den wackern
Cimbernsprvßling" aufmerksam, mit welchen Epithetiö der gelehrte Secretair
seiner Klasse einst in dem Gruße an Berlin von Heinrich Stieglitz ist belegt
worden, und auf die Form seines Namens Tarantalvpyrgoö, die sich aus den
für die Griechische Gesellschaft bestimmten Dedicationsexemplaren des Bekterschen
Homer befindet -- er wird es gewiß nicht daran fehlen lassen, aus diesen will¬
kommenen Daten die geistreichsten, historisch-etymologischen Combinationen zu ziehen,
und, deß sind wir sicher, durch irgeud einen kühnen salto morww in ihnen anch
die Quelle obbemeldetcr, wie es uns bedünken will, etwas schnöder Worte ent¬
decken. Dem sei, wie ihm wolle: daß Herr Pinder nicht zu den Sternen erster


nicht Stadtverordneter mehr, aber immer noch Professor, immer noch geheimer
Archivrath und — wenn Cichorien sich Kaffee nennen dürfen, warum nicht auch
noch Mitglied der Nationalversammlung, die Bemühungen der, trotz der selbst-
affichirten Unsterblichkeit, auch verlöschten Lampe fort; trotz Ranke, des Preußische»,
trotz Preuß, des Brandenburgischen Historiographen, ernennt er sich selbst zum
vaterländischen Historiographen der Akademie, und umwindet sein Haupt mit frischem
Eichenlaubs, das, wenn er so fortfährt, noch trotz aller äisgraeo von seinem
Schädel aus seinen Busen herabfallen und dort den kreuzförmigen Lohn seines
patriotischen Strebens umziehen wird. Viel wohlthuender als seine und seines
^ Vorgängers Rede war Pinders maiäsn-spoLLk gewesen, der zuerst das Wort
genommen hatte; als liebenswürdiger, allezeit zur Hilfe bereiter, literarisch viel-
bewandcrter Bibliothekar hat er durch Rath und That die Studien Anderer
wesentlich gefördert; aber auch selbst hat er in tüchtigen Arbeiten sich als soliden
Forscher bewährt, durch Theilnahme an der großartigen Unternehmung Niebuhrs,
der Herausgabe der Byzantinischen Geschichtschreiber, durch Publication einer sorg¬
fältigen Recension des Wegevcrzeichnisses des Römischen Reichs, das den Namen
des Antoninus trägt, in Gemeinschaft mit seinem Freunde Parthey, endlich durch
eine Reihe verdienstvoller Arbeiten auf dein Gebiete der Münzkunde. Und
namentlich dnrch seine Thätigkeit ans dem letztern bietet er der Akademie eine
willkommene Ergänzung, wie Trendelenburg, der Secretair der Klasse, in seiner
eben so urbaren, als andererseits, wenn auch nicht eben auf der Oberfläche, des
Salzes nicht ermangelnden Antwortsrede ausführte: die Münzkunde sei, so sagte er
ungefähr, als die historische Archäologie zu betrachten, die einen festem Anhalt und
gleichsam ein Gegengewicht bilde gegen die labyrinthischen Jrrgänge archäologisch-
mythologischer Hypothesen — in diesem Sinne vornämlich habe Pinder seine
Wahl aufzufassen. Ob sich wol Herr Panofka bei diesen Worten ein Wenig
getroffen gefühlt haben mag? — doch, wenn wir recht bemerkt haben, war er
nicht einmal zugegen, und wird erst sein Theil zu denken bekommen, wenn er die
Rede seines Kollegen liest, und den Räthseln ihrer dunkeln Beziehungen und
ihrer Verhältnisse zu ihrem Urheber und zu sich selber nachspürt. Wir machen
ihn dazu im Voraus ans „den Choriamb der Deutschen Sprache" „den wackern
Cimbernsprvßling" aufmerksam, mit welchen Epithetiö der gelehrte Secretair
seiner Klasse einst in dem Gruße an Berlin von Heinrich Stieglitz ist belegt
worden, und auf die Form seines Namens Tarantalvpyrgoö, die sich aus den
für die Griechische Gesellschaft bestimmten Dedicationsexemplaren des Bekterschen
Homer befindet — er wird es gewiß nicht daran fehlen lassen, aus diesen will¬
kommenen Daten die geistreichsten, historisch-etymologischen Combinationen zu ziehen,
und, deß sind wir sicher, durch irgeud einen kühnen salto morww in ihnen anch
die Quelle obbemeldetcr, wie es uns bedünken will, etwas schnöder Worte ent¬
decken. Dem sei, wie ihm wolle: daß Herr Pinder nicht zu den Sternen erster


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/95>, abgerufen am 02.07.2024.