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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Lachmann zu ersetzen. Die Naturwissenschaft saßt klaren Anges ihre reichen Aus¬
gaben aus und geht ihnen beharrlich und festen Schrittes entgegen; es wird hier
aus einem Gusse gearbeitet, und dem Einzelnen wird es leichter, eine selbststän¬
dige, unabhängige Bahn in seinen Bestrebungen zu verfolgen; in Philologie und
Historie sinken wir immer mehr zu Epigonen herab, wir erliegen unter der
schweren Last Dessen, was vor Jahrtausenden gethan, geschrieben, gedacht, seit
Jahrhunderten aber und aber bedacht, beschrieben, aber immer noch nicht abge¬
than ist. Nicht als ob wir den Reiz solcher Forschung verlernten, nicht als ob
wir nicht jenem Wort Chaucers seine volle Geltung ließen, das einer der edel¬
sten Forscher, das Friedrich Gottlieb Welker, als Lebenswort unter sein Bild ge¬
schrieben: "Wie ans alten Aeckern neue Saat hcrvorblüht, so geht ans alten
Büchern neue Wissenschaft hervor" -- aber "Alles hat seine Zeit", und es ist
jetzt einmal nicht die rechte Zeit der Philologie und der Historie, es ist einmal
Thatsache, daß die auf die Erkenntniß der Natur gerichtete Forschung, wie die
Sachen in diesem Angenblicke stehen, größern Reiz, weil größere Aussicht auf
wirklichen Ertrag, aus reiche und neue Erkenntniß darbietet, von dem äuße-
ren Erfolge ganz abgesehen, der nicht eben den Schlechtesten oft auch zum
Sporn dient. So hat denn die philologisch-historische Klasse der Akademie,
die Böckh und Better und Meineke, die Bopp und Schott, die Ranke ihren Mit¬
gliedern zuzählt, sich, da in erster Reihe eine Ergänzung sich nirgend darbot,
in zweiter Reihe umsehen müssen, um ihre Lücken auszufüllen. Wir wollen
keineswegs behaupten, daß ihre Wahl nicht auf verdienstvolle Männer gefallen
sei -- aber es ist Keiner darunter, dem das Siegel geistiger Macht Zeus ans
die Stirn gedrückt, Keiner, der nicht der ausschließlichen Beschäftigung mit der
Wissenschaft durch mannichfache Obliegenheiten äußerlicher Art entzogen würde;
hätte Herr Riedel nicht sich auf dem fahlen Pferde zwar zager und zahmer, aber
um so mißliebigerer Opposition getummelt, er würde gar wirklicher Rnnkel-
rübenfabrikations-Oberinspector sein; Keiner, der nicht Etwas vollbracht hätte, was,
an sich nützlich und der Anerkennung werth, nicht anch zehn Andere in ähnlicher
Weise hätten vollbringen können, kein geborener Akademiker, wie Dubois. Und
während Dubois frischweg von der Wissenschaft und seinem Verhältniß zu ihr,
von der ihn ehrenden Wahl der Akademie gesprochen hatte, während Peters, wie
es sich ziemte, außerdem der Unterstützung der Regierung sür seine wissenschaft¬
lichen Unternehmungen mit dem Ausdrucke schicklicher Dankbarkeit gedacht hatte,
schwirrten Einem jetzt die Ohren von "königlicher Huld", von der Wahl, "welche
Seine Majestät allergnädigst zu bestätigen geruht hätten", von "allerhöchsten
Stiftern" und "Hohenzollern" und "Friedrichen" -- vom großen Friedrich lW.
wurde uicht gesprochen -- kurz, man war von den freien, unabhängigen Männern
der Wissenschaft zu deu Beamten gekommen, und, wenn Herr Buschmann seinen
unterthänigsten Gefühlen als Mitglied des Trenbundes, der wol jetzt zum ersten


Lachmann zu ersetzen. Die Naturwissenschaft saßt klaren Anges ihre reichen Aus¬
gaben aus und geht ihnen beharrlich und festen Schrittes entgegen; es wird hier
aus einem Gusse gearbeitet, und dem Einzelnen wird es leichter, eine selbststän¬
dige, unabhängige Bahn in seinen Bestrebungen zu verfolgen; in Philologie und
Historie sinken wir immer mehr zu Epigonen herab, wir erliegen unter der
schweren Last Dessen, was vor Jahrtausenden gethan, geschrieben, gedacht, seit
Jahrhunderten aber und aber bedacht, beschrieben, aber immer noch nicht abge¬
than ist. Nicht als ob wir den Reiz solcher Forschung verlernten, nicht als ob
wir nicht jenem Wort Chaucers seine volle Geltung ließen, das einer der edel¬
sten Forscher, das Friedrich Gottlieb Welker, als Lebenswort unter sein Bild ge¬
schrieben: „Wie ans alten Aeckern neue Saat hcrvorblüht, so geht ans alten
Büchern neue Wissenschaft hervor" — aber „Alles hat seine Zeit", und es ist
jetzt einmal nicht die rechte Zeit der Philologie und der Historie, es ist einmal
Thatsache, daß die auf die Erkenntniß der Natur gerichtete Forschung, wie die
Sachen in diesem Angenblicke stehen, größern Reiz, weil größere Aussicht auf
wirklichen Ertrag, aus reiche und neue Erkenntniß darbietet, von dem äuße-
ren Erfolge ganz abgesehen, der nicht eben den Schlechtesten oft auch zum
Sporn dient. So hat denn die philologisch-historische Klasse der Akademie,
die Böckh und Better und Meineke, die Bopp und Schott, die Ranke ihren Mit¬
gliedern zuzählt, sich, da in erster Reihe eine Ergänzung sich nirgend darbot,
in zweiter Reihe umsehen müssen, um ihre Lücken auszufüllen. Wir wollen
keineswegs behaupten, daß ihre Wahl nicht auf verdienstvolle Männer gefallen
sei — aber es ist Keiner darunter, dem das Siegel geistiger Macht Zeus ans
die Stirn gedrückt, Keiner, der nicht der ausschließlichen Beschäftigung mit der
Wissenschaft durch mannichfache Obliegenheiten äußerlicher Art entzogen würde;
hätte Herr Riedel nicht sich auf dem fahlen Pferde zwar zager und zahmer, aber
um so mißliebigerer Opposition getummelt, er würde gar wirklicher Rnnkel-
rübenfabrikations-Oberinspector sein; Keiner, der nicht Etwas vollbracht hätte, was,
an sich nützlich und der Anerkennung werth, nicht anch zehn Andere in ähnlicher
Weise hätten vollbringen können, kein geborener Akademiker, wie Dubois. Und
während Dubois frischweg von der Wissenschaft und seinem Verhältniß zu ihr,
von der ihn ehrenden Wahl der Akademie gesprochen hatte, während Peters, wie
es sich ziemte, außerdem der Unterstützung der Regierung sür seine wissenschaft¬
lichen Unternehmungen mit dem Ausdrucke schicklicher Dankbarkeit gedacht hatte,
schwirrten Einem jetzt die Ohren von „königlicher Huld", von der Wahl, „welche
Seine Majestät allergnädigst zu bestätigen geruht hätten", von „allerhöchsten
Stiftern" und „Hohenzollern" und „Friedrichen" — vom großen Friedrich lW.
wurde uicht gesprochen — kurz, man war von den freien, unabhängigen Männern
der Wissenschaft zu deu Beamten gekommen, und, wenn Herr Buschmann seinen
unterthänigsten Gefühlen als Mitglied des Trenbundes, der wol jetzt zum ersten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/93>, abgerufen am 02.07.2024.