Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Wir werden uns dabei besonders mit Oberschlesien beschäftigen, weil dort die Die Leistungen, zu welchen die bäuerlichen Stellenbestjzer Oberschlesiens ihren In den meisten Fällen hatten die Gutsherren aber auch Gcgenverpflichtnngen: Ob diese gegenseitige Abhängigkeit, oder, wie die Freunde der Feudalwirth- Wir werden uns dabei besonders mit Oberschlesien beschäftigen, weil dort die Die Leistungen, zu welchen die bäuerlichen Stellenbestjzer Oberschlesiens ihren In den meisten Fällen hatten die Gutsherren aber auch Gcgenverpflichtnngen: Ob diese gegenseitige Abhängigkeit, oder, wie die Freunde der Feudalwirth- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280166"/> <p xml:id="ID_196" prev="#ID_195"> Wir werden uns dabei besonders mit Oberschlesien beschäftigen, weil dort die<lb/> Robot- ze. Verhältnisse noch im ausgedehntesten Maße herrschen — in manchen<lb/> Provinzen Preußens, z. B. in Ostpreußen hat man sie längst vergessen — und<lb/> zugleich weil sie sich dort am Leichtesten übersehen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_197"> Die Leistungen, zu welchen die bäuerlichen Stellenbestjzer Oberschlesiens ihren<lb/> betreffenden Gutsherren verpflichtet sind, lassen sich in drei bestimmte Klassen thei¬<lb/> len: es sind nämlich erstens Hand- und Spanndienste, zweitens fixirte jährliche<lb/> Geld- oder Naturalziusungeu und drittens Laudemieu, d. h. Gelder, welche bei<lb/> Besitzveräuderungsfällcn der Gutsherrschaft gezahlt werden; dieselben sind theils<lb/> fixirt, theils als ein gewisser Procentsatz des jedesmaligen Kaufwerths festgestellt.<lb/> Die Frage, ob diese oder jene Stelle laudemialpflichtig sei oder nicht, war übri¬<lb/> gens Veranlassung zu einer Unsumme langwieriger Processe; in vielen Fällen war<lb/> die Verpflichtung allerdings zweifellos, indem sie in dem „Urkanse" (Verleihungs-<lb/> document) der Stelle ausdrücklich enthalten war; in eben so vielen aber fand sie<lb/> sich im Urkanfe nicht, dagegen in irgend einem spätern Erwerbsdocnmcnt (Hypo¬<lb/> thekenschein) über die Stelle; — vielleicht hatten die Bauern nicht immer Un¬<lb/> recht, wenn sie sich dann in Schmähungen über den gutsherrlichen Gerichtshalter<lb/> ergingen, der das Instrument ausgefertigt hatte; — in manchen Fällen ließ sich<lb/> gar nichts Urkundliches darüber nachweisen, und der Gutsherr konnte sich nur<lb/> auf das „Herkommen" berufen. Seltener waren die beiden andern Arten von<lb/> Leistungen streitig. Von den das menschliche Gefühl empörenden Verpflichtungen,<lb/> wie sie im Südwesten Deutschlands, auch uoch in Westphalen, gelegentlich vor¬<lb/> kommen, z. B. Hemdschilling, Buscngeld, Anfwarte-Dienste ze., finden sich hier<lb/> keine Beispiele; die Jagddienstc wären allenfalls dahin zu rechnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_198"> In den meisten Fällen hatten die Gutsherren aber auch Gcgenverpflichtnngen:<lb/> sie mußten dem „Unterthanen" an den Arbeitstagen ein Bestimmtes an Lebens¬<lb/> mitteln verabreichen, oft ihm bei Bestellung seines kleinen Grundstücks mit Gespann<lb/> zu Hilfe kommen, fast immer ihm gestatten, sein Vieh im herrschaftlichen Wald<lb/> zu weiden und sogenanntes „Raff- und Lese-Holz" — ein Begriff von merkwür¬<lb/> diger Dehnbarkeit — daraus zu sammeln u. s. w. Daß bei einem mit solchen<lb/> servitutem belasteten Walde von einer ordentlichen Forstwirthschaft fast nie die<lb/> Rede sein konnte, liegt ans der Hand; dagegen verschwand auch der Vortheil des<lb/> „Unterthanen" in ein Nichts, wenn der Gutsherr, wie oft geschah, seinen Wald<lb/> ganz oder theilweise niederschlagen und urbar machen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_199" next="#ID_200"> Ob diese gegenseitige Abhängigkeit, oder, wie die Freunde der Feudalwirth-<lb/> schast sich ausdrücken, diese patriarchalischen Zustände jemals wohlthätig gewirkt<lb/> haben, bleibe dahingestellt; die Regierung erkannte sie jedenfalls schon zu Anfang<lb/> dieses Jahrhunderts als cnlturhemmend; sie erließ am 1i. September 1811 ein<lb/> Reguliruugöedict und am 7. Juli 1821 ein Ablösungsgesctz; als ausführende<lb/> Behörde wurde in jeder Provinz eine sogenannte Gcueralcommisfion errichtet,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Wir werden uns dabei besonders mit Oberschlesien beschäftigen, weil dort die
Robot- ze. Verhältnisse noch im ausgedehntesten Maße herrschen — in manchen
Provinzen Preußens, z. B. in Ostpreußen hat man sie längst vergessen — und
zugleich weil sie sich dort am Leichtesten übersehen lassen.
Die Leistungen, zu welchen die bäuerlichen Stellenbestjzer Oberschlesiens ihren
betreffenden Gutsherren verpflichtet sind, lassen sich in drei bestimmte Klassen thei¬
len: es sind nämlich erstens Hand- und Spanndienste, zweitens fixirte jährliche
Geld- oder Naturalziusungeu und drittens Laudemieu, d. h. Gelder, welche bei
Besitzveräuderungsfällcn der Gutsherrschaft gezahlt werden; dieselben sind theils
fixirt, theils als ein gewisser Procentsatz des jedesmaligen Kaufwerths festgestellt.
Die Frage, ob diese oder jene Stelle laudemialpflichtig sei oder nicht, war übri¬
gens Veranlassung zu einer Unsumme langwieriger Processe; in vielen Fällen war
die Verpflichtung allerdings zweifellos, indem sie in dem „Urkanse" (Verleihungs-
document) der Stelle ausdrücklich enthalten war; in eben so vielen aber fand sie
sich im Urkanfe nicht, dagegen in irgend einem spätern Erwerbsdocnmcnt (Hypo¬
thekenschein) über die Stelle; — vielleicht hatten die Bauern nicht immer Un¬
recht, wenn sie sich dann in Schmähungen über den gutsherrlichen Gerichtshalter
ergingen, der das Instrument ausgefertigt hatte; — in manchen Fällen ließ sich
gar nichts Urkundliches darüber nachweisen, und der Gutsherr konnte sich nur
auf das „Herkommen" berufen. Seltener waren die beiden andern Arten von
Leistungen streitig. Von den das menschliche Gefühl empörenden Verpflichtungen,
wie sie im Südwesten Deutschlands, auch uoch in Westphalen, gelegentlich vor¬
kommen, z. B. Hemdschilling, Buscngeld, Anfwarte-Dienste ze., finden sich hier
keine Beispiele; die Jagddienstc wären allenfalls dahin zu rechnen.
In den meisten Fällen hatten die Gutsherren aber auch Gcgenverpflichtnngen:
sie mußten dem „Unterthanen" an den Arbeitstagen ein Bestimmtes an Lebens¬
mitteln verabreichen, oft ihm bei Bestellung seines kleinen Grundstücks mit Gespann
zu Hilfe kommen, fast immer ihm gestatten, sein Vieh im herrschaftlichen Wald
zu weiden und sogenanntes „Raff- und Lese-Holz" — ein Begriff von merkwür¬
diger Dehnbarkeit — daraus zu sammeln u. s. w. Daß bei einem mit solchen
servitutem belasteten Walde von einer ordentlichen Forstwirthschaft fast nie die
Rede sein konnte, liegt ans der Hand; dagegen verschwand auch der Vortheil des
„Unterthanen" in ein Nichts, wenn der Gutsherr, wie oft geschah, seinen Wald
ganz oder theilweise niederschlagen und urbar machen ließ.
Ob diese gegenseitige Abhängigkeit, oder, wie die Freunde der Feudalwirth-
schast sich ausdrücken, diese patriarchalischen Zustände jemals wohlthätig gewirkt
haben, bleibe dahingestellt; die Regierung erkannte sie jedenfalls schon zu Anfang
dieses Jahrhunderts als cnlturhemmend; sie erließ am 1i. September 1811 ein
Reguliruugöedict und am 7. Juli 1821 ein Ablösungsgesctz; als ausführende
Behörde wurde in jeder Provinz eine sogenannte Gcueralcommisfion errichtet,
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