Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Preußische Ablösungsgesetz vom S. März t85",
besonders mit Bezug aus Gberschlesien.

Daß die Resultate der Landwirthschaft in Oberschlesien der natürlichen Aus¬
stattung jener Gegend bis jetzt in keiner Weise entsprochen haben, ist hauptsächlich
zwei dort herrschenden Uebelständen zuzuschreiben: dem Vorwiegen des unverhält-
nißmäßig großen Grundbesitzes und den bis in die jüngste Zeit noch immer un¬
geordneten gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen mit ihrem ganzen Gefolge von
unfreier Arbeit (Robot), unsichern Silber- und Natural-Abgaben n. s. w. In
den letzten Jahren vor 18i8 kam hierzu noch eine unerhörte Güterspeculation,
zum Theil wol dadurch hervorgerufen, daß einige Gutsbesitzer durch das Auffinden
und geschickte Benutzen reicher Erz- (besonders Gälmei-) Lager in kurzer Zeit
Namhaftes gewonnen hatten; diese scheinbar leichte Art, Vermögen zu erwerben,
lockte eine große Zahl von Glücksrittern, mit sehr geringem, eigenem oder geborg¬
ten Capital in dem südöstlichen Theil Oberschlesiens Güter zu kaufen, um die noch
verborgenen unterirdischen Schätze ans Licht zu fördern und vortheilhaft zu ver¬
werthen, oder noch lieber, um den eben erstandenen Besitz in möglichst kurzer Zeit
an später kommende Speculanten mit einigem Vortheil wieder zu verkaufen. Der
Schwindel stieg so hoch, daß manches Gut in einem Jahre seineu Besitzer mehr
als sechsmal wechselte -- dabei vielleicht zweimal durch Subhastation und Re-
subhastatiou; wie sich dabei die Landwirthschaft befinden mußte, bedarf keiner
weitern Ausführung. Einem solchen Uebel ist schwer abzuhelfen oder vorzubeugen,
auch erreicht es bald von selbst sein Ende, wenn Niemand mehr Etwas dabei
gewinnen kann, als ein Paar Cvmmissionaire, wenn eine genügende Anzahl Spe¬
culanten zu Grunde gegangen ist und als "abschreckendes Beispiel" dient. Die
beiden ersterwähnten Punkte zu beseitigen, liegt in der Hand der Gesetzgebung,
denn es läßt sich wol erwarten, daß die Aufhebung der Majorate den großen
Grundbesitz auf ein vernünftiges Maß beschränken werde und die gutsherrlich-bäuer¬
lichen Verhältnisse -- das hat die neueste Zeit gelehrt -- sind dnrch ein ver¬
nünftiges Ablösungsgesetz wol zu ordnen. Das Gesetz wegen Aufhebung der
Majorate kam im Jahre 1848 fast in allen Deutschen Ständen zur Sprache,
zur Vollendung und Ausführung gedieh es nirgend, und für die nächste Zukunft
ist wol eher die Wiedereinführung bereits abgeschaffter, als die Aufhebung noch
bestehender mittelalterlicher Institute zu erwarten! -- Das Ablösuugsgesetz wurde
zum Glück berathen und ausgegeben, noch ehe Herr v. Manteuffel den entschie¬
denen Bruch mit der Revolution proclamirte; es athmet den Geist jenes kurzen,
vielverlästerten Vorfrühlings, es ist eine "Errungenschaft" im guten Sinne des
Wortes, ein wohlthuender Beweis, daß die Bewegungen der letzten Jahre doch etwas
mehr waren, als ein wüster Traum; schon deshalb, mehr aber noch um seiner
voraussichtlich guten Folgen willen ist es einer nähern Besprechung wol werth.


Das Preußische Ablösungsgesetz vom S. März t85«,
besonders mit Bezug aus Gberschlesien.

Daß die Resultate der Landwirthschaft in Oberschlesien der natürlichen Aus¬
stattung jener Gegend bis jetzt in keiner Weise entsprochen haben, ist hauptsächlich
zwei dort herrschenden Uebelständen zuzuschreiben: dem Vorwiegen des unverhält-
nißmäßig großen Grundbesitzes und den bis in die jüngste Zeit noch immer un¬
geordneten gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen mit ihrem ganzen Gefolge von
unfreier Arbeit (Robot), unsichern Silber- und Natural-Abgaben n. s. w. In
den letzten Jahren vor 18i8 kam hierzu noch eine unerhörte Güterspeculation,
zum Theil wol dadurch hervorgerufen, daß einige Gutsbesitzer durch das Auffinden
und geschickte Benutzen reicher Erz- (besonders Gälmei-) Lager in kurzer Zeit
Namhaftes gewonnen hatten; diese scheinbar leichte Art, Vermögen zu erwerben,
lockte eine große Zahl von Glücksrittern, mit sehr geringem, eigenem oder geborg¬
ten Capital in dem südöstlichen Theil Oberschlesiens Güter zu kaufen, um die noch
verborgenen unterirdischen Schätze ans Licht zu fördern und vortheilhaft zu ver¬
werthen, oder noch lieber, um den eben erstandenen Besitz in möglichst kurzer Zeit
an später kommende Speculanten mit einigem Vortheil wieder zu verkaufen. Der
Schwindel stieg so hoch, daß manches Gut in einem Jahre seineu Besitzer mehr
als sechsmal wechselte — dabei vielleicht zweimal durch Subhastation und Re-
subhastatiou; wie sich dabei die Landwirthschaft befinden mußte, bedarf keiner
weitern Ausführung. Einem solchen Uebel ist schwer abzuhelfen oder vorzubeugen,
auch erreicht es bald von selbst sein Ende, wenn Niemand mehr Etwas dabei
gewinnen kann, als ein Paar Cvmmissionaire, wenn eine genügende Anzahl Spe¬
culanten zu Grunde gegangen ist und als „abschreckendes Beispiel" dient. Die
beiden ersterwähnten Punkte zu beseitigen, liegt in der Hand der Gesetzgebung,
denn es läßt sich wol erwarten, daß die Aufhebung der Majorate den großen
Grundbesitz auf ein vernünftiges Maß beschränken werde und die gutsherrlich-bäuer¬
lichen Verhältnisse — das hat die neueste Zeit gelehrt — sind dnrch ein ver¬
nünftiges Ablösungsgesetz wol zu ordnen. Das Gesetz wegen Aufhebung der
Majorate kam im Jahre 1848 fast in allen Deutschen Ständen zur Sprache,
zur Vollendung und Ausführung gedieh es nirgend, und für die nächste Zukunft
ist wol eher die Wiedereinführung bereits abgeschaffter, als die Aufhebung noch
bestehender mittelalterlicher Institute zu erwarten! — Das Ablösuugsgesetz wurde
zum Glück berathen und ausgegeben, noch ehe Herr v. Manteuffel den entschie¬
denen Bruch mit der Revolution proclamirte; es athmet den Geist jenes kurzen,
vielverlästerten Vorfrühlings, es ist eine „Errungenschaft" im guten Sinne des
Wortes, ein wohlthuender Beweis, daß die Bewegungen der letzten Jahre doch etwas
mehr waren, als ein wüster Traum; schon deshalb, mehr aber noch um seiner
voraussichtlich guten Folgen willen ist es einer nähern Besprechung wol werth.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280165"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Preußische Ablösungsgesetz vom S. März t85«,<lb/>
besonders mit Bezug aus Gberschlesien.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_195" next="#ID_196"> Daß die Resultate der Landwirthschaft in Oberschlesien der natürlichen Aus¬<lb/>
stattung jener Gegend bis jetzt in keiner Weise entsprochen haben, ist hauptsächlich<lb/>
zwei dort herrschenden Uebelständen zuzuschreiben: dem Vorwiegen des unverhält-<lb/>
nißmäßig großen Grundbesitzes und den bis in die jüngste Zeit noch immer un¬<lb/>
geordneten gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen mit ihrem ganzen Gefolge von<lb/>
unfreier Arbeit (Robot), unsichern Silber- und Natural-Abgaben n. s. w. In<lb/>
den letzten Jahren vor 18i8 kam hierzu noch eine unerhörte Güterspeculation,<lb/>
zum Theil wol dadurch hervorgerufen, daß einige Gutsbesitzer durch das Auffinden<lb/>
und geschickte Benutzen reicher Erz- (besonders Gälmei-) Lager in kurzer Zeit<lb/>
Namhaftes gewonnen hatten; diese scheinbar leichte Art, Vermögen zu erwerben,<lb/>
lockte eine große Zahl von Glücksrittern, mit sehr geringem, eigenem oder geborg¬<lb/>
ten Capital in dem südöstlichen Theil Oberschlesiens Güter zu kaufen, um die noch<lb/>
verborgenen unterirdischen Schätze ans Licht zu fördern und vortheilhaft zu ver¬<lb/>
werthen, oder noch lieber, um den eben erstandenen Besitz in möglichst kurzer Zeit<lb/>
an später kommende Speculanten mit einigem Vortheil wieder zu verkaufen. Der<lb/>
Schwindel stieg so hoch, daß manches Gut in einem Jahre seineu Besitzer mehr<lb/>
als sechsmal wechselte &#x2014; dabei vielleicht zweimal durch Subhastation und Re-<lb/>
subhastatiou; wie sich dabei die Landwirthschaft befinden mußte, bedarf keiner<lb/>
weitern Ausführung. Einem solchen Uebel ist schwer abzuhelfen oder vorzubeugen,<lb/>
auch erreicht es bald von selbst sein Ende, wenn Niemand mehr Etwas dabei<lb/>
gewinnen kann, als ein Paar Cvmmissionaire, wenn eine genügende Anzahl Spe¬<lb/>
culanten zu Grunde gegangen ist und als &#x201E;abschreckendes Beispiel" dient. Die<lb/>
beiden ersterwähnten Punkte zu beseitigen, liegt in der Hand der Gesetzgebung,<lb/>
denn es läßt sich wol erwarten, daß die Aufhebung der Majorate den großen<lb/>
Grundbesitz auf ein vernünftiges Maß beschränken werde und die gutsherrlich-bäuer¬<lb/>
lichen Verhältnisse &#x2014; das hat die neueste Zeit gelehrt &#x2014; sind dnrch ein ver¬<lb/>
nünftiges Ablösungsgesetz wol zu ordnen. Das Gesetz wegen Aufhebung der<lb/>
Majorate kam im Jahre 1848 fast in allen Deutschen Ständen zur Sprache,<lb/>
zur Vollendung und Ausführung gedieh es nirgend, und für die nächste Zukunft<lb/>
ist wol eher die Wiedereinführung bereits abgeschaffter, als die Aufhebung noch<lb/>
bestehender mittelalterlicher Institute zu erwarten! &#x2014; Das Ablösuugsgesetz wurde<lb/>
zum Glück berathen und ausgegeben, noch ehe Herr v. Manteuffel den entschie¬<lb/>
denen Bruch mit der Revolution proclamirte; es athmet den Geist jenes kurzen,<lb/>
vielverlästerten Vorfrühlings, es ist eine &#x201E;Errungenschaft" im guten Sinne des<lb/>
Wortes, ein wohlthuender Beweis, daß die Bewegungen der letzten Jahre doch etwas<lb/>
mehr waren, als ein wüster Traum; schon deshalb, mehr aber noch um seiner<lb/>
voraussichtlich guten Folgen willen ist es einer nähern Besprechung wol werth.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] Das Preußische Ablösungsgesetz vom S. März t85«, besonders mit Bezug aus Gberschlesien. Daß die Resultate der Landwirthschaft in Oberschlesien der natürlichen Aus¬ stattung jener Gegend bis jetzt in keiner Weise entsprochen haben, ist hauptsächlich zwei dort herrschenden Uebelständen zuzuschreiben: dem Vorwiegen des unverhält- nißmäßig großen Grundbesitzes und den bis in die jüngste Zeit noch immer un¬ geordneten gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen mit ihrem ganzen Gefolge von unfreier Arbeit (Robot), unsichern Silber- und Natural-Abgaben n. s. w. In den letzten Jahren vor 18i8 kam hierzu noch eine unerhörte Güterspeculation, zum Theil wol dadurch hervorgerufen, daß einige Gutsbesitzer durch das Auffinden und geschickte Benutzen reicher Erz- (besonders Gälmei-) Lager in kurzer Zeit Namhaftes gewonnen hatten; diese scheinbar leichte Art, Vermögen zu erwerben, lockte eine große Zahl von Glücksrittern, mit sehr geringem, eigenem oder geborg¬ ten Capital in dem südöstlichen Theil Oberschlesiens Güter zu kaufen, um die noch verborgenen unterirdischen Schätze ans Licht zu fördern und vortheilhaft zu ver¬ werthen, oder noch lieber, um den eben erstandenen Besitz in möglichst kurzer Zeit an später kommende Speculanten mit einigem Vortheil wieder zu verkaufen. Der Schwindel stieg so hoch, daß manches Gut in einem Jahre seineu Besitzer mehr als sechsmal wechselte — dabei vielleicht zweimal durch Subhastation und Re- subhastatiou; wie sich dabei die Landwirthschaft befinden mußte, bedarf keiner weitern Ausführung. Einem solchen Uebel ist schwer abzuhelfen oder vorzubeugen, auch erreicht es bald von selbst sein Ende, wenn Niemand mehr Etwas dabei gewinnen kann, als ein Paar Cvmmissionaire, wenn eine genügende Anzahl Spe¬ culanten zu Grunde gegangen ist und als „abschreckendes Beispiel" dient. Die beiden ersterwähnten Punkte zu beseitigen, liegt in der Hand der Gesetzgebung, denn es läßt sich wol erwarten, daß die Aufhebung der Majorate den großen Grundbesitz auf ein vernünftiges Maß beschränken werde und die gutsherrlich-bäuer¬ lichen Verhältnisse — das hat die neueste Zeit gelehrt — sind dnrch ein ver¬ nünftiges Ablösungsgesetz wol zu ordnen. Das Gesetz wegen Aufhebung der Majorate kam im Jahre 1848 fast in allen Deutschen Ständen zur Sprache, zur Vollendung und Ausführung gedieh es nirgend, und für die nächste Zukunft ist wol eher die Wiedereinführung bereits abgeschaffter, als die Aufhebung noch bestehender mittelalterlicher Institute zu erwarten! — Das Ablösuugsgesetz wurde zum Glück berathen und ausgegeben, noch ehe Herr v. Manteuffel den entschie¬ denen Bruch mit der Revolution proclamirte; es athmet den Geist jenes kurzen, vielverlästerten Vorfrühlings, es ist eine „Errungenschaft" im guten Sinne des Wortes, ein wohlthuender Beweis, daß die Bewegungen der letzten Jahre doch etwas mehr waren, als ein wüster Traum; schon deshalb, mehr aber noch um seiner voraussichtlich guten Folgen willen ist es einer nähern Besprechung wol werth.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/78
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/78>, abgerufen am 02.07.2024.