Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Fischkasten eines Fischers des Mittelmeeres gewahrt einen interessanten Anblick. Ist der Hafen in Marseille am Tage ein Bild der regsten Thätigkeit, so Fischkasten eines Fischers des Mittelmeeres gewahrt einen interessanten Anblick. Ist der Hafen in Marseille am Tage ein Bild der regsten Thätigkeit, so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280164"/> <p xml:id="ID_193" prev="#ID_192"> Fischkasten eines Fischers des Mittelmeeres gewahrt einen interessanten Anblick.<lb/> Fische von wunderliche» Formen und lautem Schuppenglauz, wie wir sie in unserm<lb/> nordischen Meere gar nicht kennen, springen und krabbeln in Menge darin herum,<lb/> eben so auch wunderliche Seespinnen, die, droh ihres unförmlichen Aeußern, von<lb/> den untern Volksklassen hier gern gegessen werden. So ein Gericht von Fischen<lb/> des Mittelmeers in frischem Prvvenceröl recht braun gebraten und dann mit<lb/> Citronensaft betröpfelt, ist nebst einer Flasche dunkelrothen Wein gar kein übles<lb/> Mahl. In Begleitung meines guten Pierre, der trefflich die Schenken wußte,<lb/> wo man solche Fische am Besten bekam, habe ich mich bisweilen an denselben zu<lb/> meinen Wanderungen gelabt. Der Fremde, der nur in großen Hotels bleibt,<lb/> bekommt freilich von allen dergleichen Eigenthümlichkeiten eines Landes wenig<lb/> zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_194"> Ist der Hafen in Marseille am Tage ein Bild der regsten Thätigkeit, so<lb/> geht es am Abend in den Straßen, die in der Nähe desselben liegen, nicht viel<lb/> weniger geräuschvoll zu. Der Seemann liebt wilde, aufregende Genüsse, und<lb/> Marseille ist gerade ein Ort dazu, sie ihm zu gewähren. Der wohlfeile schwere<lb/> Wein, der in den zahllosen Cabarets geschenkt wird, erhitzt leicht die Köpfe, und<lb/> ein furchtbar tosender wilder Jubel, eine Raserei der tollsten Lust bricht los. Die<lb/> verrufenen Tanzhäuser des „Hamburger Berges", das Hauptlnstlager der dortigen<lb/> Matrosen, sind wahre Salons des Auslandes gegen die derartigen Locale in<lb/> Marseille. Ein Lärmen, Kreischen, Fluchen, Singen, Jauchzen, Heulen in allen<lb/> Sprachen Europa's, daß, wer nur einigermaßen Nerven hat, diesen Höllenlärm<lb/> unmöglich lange aushalten kauu. Hunderte von Dirnen, theils halbnackt, theils<lb/> in allen möglichen Trödelputz abgelegter Theatercostnme gekleidet, laufen zwischen<lb/> diesen Matrosen umher, schwenken sich mit ihnen im wildesten Wirbel des Tanzes,<lb/> trinken aus den Knien derselben sitzend den purpurrothen Wein, oder schwanken Arm<lb/> in Arm mit den schon halb Trunkenen durch die engen Straßen. Dazwischen<lb/> Streit und Zank, und selten vergeht ein Abend, wo nicht die Hafenwachen mit<lb/> Gewalt einschreiten müssen, die erhitzten Kampfschaaren von einander zu trennen.<lb/> Die Arbeiter in Marseille haben heißes Blut und sind leicht geneigt, im<lb/> wilden Jähzorn das Messer rasch zu ziehen, und die Spanischen, Italienischen<lb/> und Griechischen Matrosen suchen eine Rauferei auch lieber auf, als daß sie der¬<lb/> selben ans dem Wege gehe». Ich habe hier im Marseiller Hafen einen derartigen<lb/> Kampf mit angesehen, wie er nicht wilder und ungestümer sein konnte. Messer<lb/> blitzten in den Fäusten, Haudstocke sausten ans die Köpfe, schwere Weinkrüge<lb/> dienten als Wurfgeschosse, Stuhlbeine wurden entzweigeschlagen, ja zuletztcn knall¬<lb/> ten sogar einige Terzerole, bis endlich die Wache mit dem Kolben dazwischen<lb/> schlagen mußte, um die erzürnten Kämpfer zu trennen. — —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
Fischkasten eines Fischers des Mittelmeeres gewahrt einen interessanten Anblick.
Fische von wunderliche» Formen und lautem Schuppenglauz, wie wir sie in unserm
nordischen Meere gar nicht kennen, springen und krabbeln in Menge darin herum,
eben so auch wunderliche Seespinnen, die, droh ihres unförmlichen Aeußern, von
den untern Volksklassen hier gern gegessen werden. So ein Gericht von Fischen
des Mittelmeers in frischem Prvvenceröl recht braun gebraten und dann mit
Citronensaft betröpfelt, ist nebst einer Flasche dunkelrothen Wein gar kein übles
Mahl. In Begleitung meines guten Pierre, der trefflich die Schenken wußte,
wo man solche Fische am Besten bekam, habe ich mich bisweilen an denselben zu
meinen Wanderungen gelabt. Der Fremde, der nur in großen Hotels bleibt,
bekommt freilich von allen dergleichen Eigenthümlichkeiten eines Landes wenig
zu sehen.
Ist der Hafen in Marseille am Tage ein Bild der regsten Thätigkeit, so
geht es am Abend in den Straßen, die in der Nähe desselben liegen, nicht viel
weniger geräuschvoll zu. Der Seemann liebt wilde, aufregende Genüsse, und
Marseille ist gerade ein Ort dazu, sie ihm zu gewähren. Der wohlfeile schwere
Wein, der in den zahllosen Cabarets geschenkt wird, erhitzt leicht die Köpfe, und
ein furchtbar tosender wilder Jubel, eine Raserei der tollsten Lust bricht los. Die
verrufenen Tanzhäuser des „Hamburger Berges", das Hauptlnstlager der dortigen
Matrosen, sind wahre Salons des Auslandes gegen die derartigen Locale in
Marseille. Ein Lärmen, Kreischen, Fluchen, Singen, Jauchzen, Heulen in allen
Sprachen Europa's, daß, wer nur einigermaßen Nerven hat, diesen Höllenlärm
unmöglich lange aushalten kauu. Hunderte von Dirnen, theils halbnackt, theils
in allen möglichen Trödelputz abgelegter Theatercostnme gekleidet, laufen zwischen
diesen Matrosen umher, schwenken sich mit ihnen im wildesten Wirbel des Tanzes,
trinken aus den Knien derselben sitzend den purpurrothen Wein, oder schwanken Arm
in Arm mit den schon halb Trunkenen durch die engen Straßen. Dazwischen
Streit und Zank, und selten vergeht ein Abend, wo nicht die Hafenwachen mit
Gewalt einschreiten müssen, die erhitzten Kampfschaaren von einander zu trennen.
Die Arbeiter in Marseille haben heißes Blut und sind leicht geneigt, im
wilden Jähzorn das Messer rasch zu ziehen, und die Spanischen, Italienischen
und Griechischen Matrosen suchen eine Rauferei auch lieber auf, als daß sie der¬
selben ans dem Wege gehe». Ich habe hier im Marseiller Hafen einen derartigen
Kampf mit angesehen, wie er nicht wilder und ungestümer sein konnte. Messer
blitzten in den Fäusten, Haudstocke sausten ans die Köpfe, schwere Weinkrüge
dienten als Wurfgeschosse, Stuhlbeine wurden entzweigeschlagen, ja zuletztcn knall¬
ten sogar einige Terzerole, bis endlich die Wache mit dem Kolben dazwischen
schlagen mußte, um die erzürnten Kämpfer zu trennen. — —
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