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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Araber und Beduine" sieht man übrigens in Menge im Marseiller Hafen,
und zwar oft recht schmuzig und ärmlich gekleidet. Sie handeln mit Datteln,
Feigen und andern Früchten ihres Vaterlandes.

Es stehen jetzt über 70,000 Mann Französische Truppen in Algerien, und
da Marseille, nebst Toulon, der Haupteinschisfnngöplatz für Dieselben ist, so geht
sast kein Fahrzeug von hier ab, das uicht einige Soldaten mit am Bord hätte,
vorzüglich jetzt, wo der Expedition nach Kabylicn wegen die Truppen in Algerien
noch vermehrt werden. So sah ich noch in diesen Tagen eine leichte Jnfanteriecom-
pagnie und eine Compagnie Genietruppen dorthin abgehen. Lustig singend und
Witze aller Art machend, zogen die Soldaten ihrem Bestimmungsort entgegen.
Sie freuten sich, daß sie ins Feld kamen, meinten, es sei besser, gegen die Kaby^
im zu kämpfen, als Posten zu stehen, und sich wie Polizeidiener gegen seine
Mitbürger gebrauchen zu lassen. Kaum stießen die Boote vom Lande, als die
Soldaten in den meisten derselben mit lautem Chor die Marseillaise zu singen
begannen, was von dem großer" Theil des zuschauenden Volkes mit dem lauten
freudigen Rufe: "vivo la. r^udlicjue, vivo los bravizs 8uläo.i8>" und Hüte-
schwenken erwidert wurde. Einige vornehm gekleidete Herren und Damen, anch
einige höhere Offtciere und Beamte, schienen zwar über diese laute Demonstration
etwas verdrießlich zu sein, jedoch was wollten sie machen? In einer Republik
kaun es unmöglich verboten sein, diese hoch leben zu lassen. Das Französische
Heer, besonders unter seinen Soldaten und Unterosficieren, ist im Allgemeinen
gut republikanisch gesinnt, wenn auch freilich der jetzige Präsident, schon seines
Namens willen, viele persönliche Anhänger unter den Soldaten zählt, die nicht
gerade unzufrieden wären, wenn sie "vlvs l'capa'kürt" rufen könnten. Am Gleich-
giltigsten von allen Prätendenten, die sich jetzt um das Geschick Frankreichs streiten,
ist der großen Mehrheit des Heeres Henri V. Wollte man in seinem Namen
eine Proclamation an die Armee erlassen, ein allgemeines Gelächter würde die
Antwort darauf sein.

Außer den Soldaten von fast allen Waffengattungen, die von Marseille nach
Algerien gehen, oft aber anch als Kranke oder Invaliden bleich, abgezehrt, mit
verstümmelten Gliedmaßen von dort zurückkehren, schiffen auch viele sich von
hier nach Rom zu dem dort stehenden Französischen Corps ein. Diese Römische
Expedition ist gerade nicht sonderlich populair in der Französischen Armee, man
kann in Marseille die Soldaten, die an derselben Theil nehmen müssen, oft heftig
genng darüber murren hören. Sie hätten viel lieber sich gegen die bitter gehaßten
Oestreicher geschlagen, als gleichsam als Bundesgenossen derselben in Italien auf¬
treten zu müssen. Uebrigens glaubt man, daß nächstens die Römische Expcditions-
armee noch eine Verstärkung erhalten werde.

Sehr vermehrt wird das Gewühl des Hafens durch die zahllosen, größern
wie kleinern, Fischerbarken, die mit ihrem Fang hier anlegen. So ein gefüllter


Araber und Beduine» sieht man übrigens in Menge im Marseiller Hafen,
und zwar oft recht schmuzig und ärmlich gekleidet. Sie handeln mit Datteln,
Feigen und andern Früchten ihres Vaterlandes.

Es stehen jetzt über 70,000 Mann Französische Truppen in Algerien, und
da Marseille, nebst Toulon, der Haupteinschisfnngöplatz für Dieselben ist, so geht
sast kein Fahrzeug von hier ab, das uicht einige Soldaten mit am Bord hätte,
vorzüglich jetzt, wo der Expedition nach Kabylicn wegen die Truppen in Algerien
noch vermehrt werden. So sah ich noch in diesen Tagen eine leichte Jnfanteriecom-
pagnie und eine Compagnie Genietruppen dorthin abgehen. Lustig singend und
Witze aller Art machend, zogen die Soldaten ihrem Bestimmungsort entgegen.
Sie freuten sich, daß sie ins Feld kamen, meinten, es sei besser, gegen die Kaby^
im zu kämpfen, als Posten zu stehen, und sich wie Polizeidiener gegen seine
Mitbürger gebrauchen zu lassen. Kaum stießen die Boote vom Lande, als die
Soldaten in den meisten derselben mit lautem Chor die Marseillaise zu singen
begannen, was von dem großer« Theil des zuschauenden Volkes mit dem lauten
freudigen Rufe: „vivo la. r^udlicjue, vivo los bravizs 8uläo.i8>" und Hüte-
schwenken erwidert wurde. Einige vornehm gekleidete Herren und Damen, anch
einige höhere Offtciere und Beamte, schienen zwar über diese laute Demonstration
etwas verdrießlich zu sein, jedoch was wollten sie machen? In einer Republik
kaun es unmöglich verboten sein, diese hoch leben zu lassen. Das Französische
Heer, besonders unter seinen Soldaten und Unterosficieren, ist im Allgemeinen
gut republikanisch gesinnt, wenn auch freilich der jetzige Präsident, schon seines
Namens willen, viele persönliche Anhänger unter den Soldaten zählt, die nicht
gerade unzufrieden wären, wenn sie „vlvs l'capa'kürt" rufen könnten. Am Gleich-
giltigsten von allen Prätendenten, die sich jetzt um das Geschick Frankreichs streiten,
ist der großen Mehrheit des Heeres Henri V. Wollte man in seinem Namen
eine Proclamation an die Armee erlassen, ein allgemeines Gelächter würde die
Antwort darauf sein.

Außer den Soldaten von fast allen Waffengattungen, die von Marseille nach
Algerien gehen, oft aber anch als Kranke oder Invaliden bleich, abgezehrt, mit
verstümmelten Gliedmaßen von dort zurückkehren, schiffen auch viele sich von
hier nach Rom zu dem dort stehenden Französischen Corps ein. Diese Römische
Expedition ist gerade nicht sonderlich populair in der Französischen Armee, man
kann in Marseille die Soldaten, die an derselben Theil nehmen müssen, oft heftig
genng darüber murren hören. Sie hätten viel lieber sich gegen die bitter gehaßten
Oestreicher geschlagen, als gleichsam als Bundesgenossen derselben in Italien auf¬
treten zu müssen. Uebrigens glaubt man, daß nächstens die Römische Expcditions-
armee noch eine Verstärkung erhalten werde.

Sehr vermehrt wird das Gewühl des Hafens durch die zahllosen, größern
wie kleinern, Fischerbarken, die mit ihrem Fang hier anlegen. So ein gefüllter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/76>, abgerufen am 02.07.2024.