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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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wir hätten sie durch unsern Gesang beleidigen wollen, und war scholl im Begriff,
unser Zimmer zu erstürmen, als Pierre Braux, der fort gewesen war, wieder
erschien und seine Landsleute durch eine Rede, in der ich nur die vielen darin
angebrachten Fluchwörter heraushören konnte, beruhigte. Friedlich sangen wir
nnn neben einander, die Franzosen ihre Marseillaise und wir unser "Schleswig-
Holstein meerumschlnngen," bis in die späte Nacht. Wo übrigens die Schleswig-
Holsteinischen, ja nnr die Deutschen Matrosen mit den Dänischen zusammentreffen,
da entspinnen sich stets blutige Schlägereien. Der Hafenmeister in Marseille sagte
mir, daß er Sorge trage, die Deutschen Schiffe stets so weit wie möglich von den
Dänischen ab zu legen, damit ja die Matrosen nicht viel mit einander in Be¬
rührung kämen. Uebrigens klingt es sast wie ein Spott, wenn man von Deutschen
Schiffen spricht. Mecklenburgische, Preußische, Hannöversche, Oldenbnrgische, Knipp-
hausische Flaggen sieht man wol im Hafen von Marseille, die schwarz-roth-goldenen
Farben sind heimathlos. Man muß in der Ferne sein, um so recht die klägliche
Rolle, die Deutschland in der Rangordnung der Völker einnimmt, bitter zu empfinden.

Viel Leben und Abwechselung giebt dem Hasen der beständige Verkehr nach
Algerien. Große und kleine Kauffahrer segeln fast täglich ab oder kommen zurück,
und mehrere gut eingerichtete Dampfer erhalten einen regelmäßigen Dienst dahin.
Ist der Wind nicht allzu ungünstig, so legt der Dampfer die Fahrt bis Algier
bestimmt in 48 Stunden zurück. Es ist daher fast nur eine Spazierfahrt von
hier bis nach Afrika. Unter der todten und lebenden Ladung, welche die Schiffe
von Algerien in mannichfacher Auswahl mitbringen, kam während meiner An¬
wesenheit ein Transport Berberischer Pferde mit 16 Beduinen an, die nach Paris
bestimmt waren, dort im großen Circus Schauspiele zu geben. Die Pferde, sehr
reich aufgeschirrt, waren feurige, muthvolle Hengste, die, obgleich von der Seereise
angegriffen, doch Leben und Kraft in allen ihren Bewegungen zeigten, zwar klein
und von seinen Knochen, schienen ihre Muskeln doch wie Stahlfedern zu sein.
Einer der Araber, ein schöner, elegant gekleideter Mann, dem der schneeweiße
"Ilmeli" (Mantel) von feinem Wollenzeug gut zu dem dunklen, krausen Bart
stand, tummelte seinen schwarzen Hengst aus wirklich prächtige Weise herum. Das
Thier schien Feuer zu schraube", so glühten seiue rothen weitgeöffneten Nüstern,
und die Schaumflocken besternten seine glänzend schwarze feine Haut, unter der
die dicken Adern in scharfen Linien hervortraten. Wie ein Vogel flog es über
die Reihen der aufgerollt liegenden Reiskörner hinweg und drehte sich daun fast
wie ein Kreisel einigemal hoch aus den Hinterfüßen umher, dann wieder wie eine
Schwalbe im Fluge fortschießend. Und nun ein Ruck im scharfen Gebiß, und wie
aus Stein gehauen stand das eben noch so bewegliche Thier. Mit leichtem Satze
schwang sich der Beduine aus dem hohen Sattel, warf unbekümmert dem Hengste
die Zügel über den Hals, und mit der Treue eines gutgezogeneu Hundes folgte
derselbe seinem Herrn auf alle Schritte nach.


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wir hätten sie durch unsern Gesang beleidigen wollen, und war scholl im Begriff,
unser Zimmer zu erstürmen, als Pierre Braux, der fort gewesen war, wieder
erschien und seine Landsleute durch eine Rede, in der ich nur die vielen darin
angebrachten Fluchwörter heraushören konnte, beruhigte. Friedlich sangen wir
nnn neben einander, die Franzosen ihre Marseillaise und wir unser „Schleswig-
Holstein meerumschlnngen," bis in die späte Nacht. Wo übrigens die Schleswig-
Holsteinischen, ja nnr die Deutschen Matrosen mit den Dänischen zusammentreffen,
da entspinnen sich stets blutige Schlägereien. Der Hafenmeister in Marseille sagte
mir, daß er Sorge trage, die Deutschen Schiffe stets so weit wie möglich von den
Dänischen ab zu legen, damit ja die Matrosen nicht viel mit einander in Be¬
rührung kämen. Uebrigens klingt es sast wie ein Spott, wenn man von Deutschen
Schiffen spricht. Mecklenburgische, Preußische, Hannöversche, Oldenbnrgische, Knipp-
hausische Flaggen sieht man wol im Hafen von Marseille, die schwarz-roth-goldenen
Farben sind heimathlos. Man muß in der Ferne sein, um so recht die klägliche
Rolle, die Deutschland in der Rangordnung der Völker einnimmt, bitter zu empfinden.

Viel Leben und Abwechselung giebt dem Hasen der beständige Verkehr nach
Algerien. Große und kleine Kauffahrer segeln fast täglich ab oder kommen zurück,
und mehrere gut eingerichtete Dampfer erhalten einen regelmäßigen Dienst dahin.
Ist der Wind nicht allzu ungünstig, so legt der Dampfer die Fahrt bis Algier
bestimmt in 48 Stunden zurück. Es ist daher fast nur eine Spazierfahrt von
hier bis nach Afrika. Unter der todten und lebenden Ladung, welche die Schiffe
von Algerien in mannichfacher Auswahl mitbringen, kam während meiner An¬
wesenheit ein Transport Berberischer Pferde mit 16 Beduinen an, die nach Paris
bestimmt waren, dort im großen Circus Schauspiele zu geben. Die Pferde, sehr
reich aufgeschirrt, waren feurige, muthvolle Hengste, die, obgleich von der Seereise
angegriffen, doch Leben und Kraft in allen ihren Bewegungen zeigten, zwar klein
und von seinen Knochen, schienen ihre Muskeln doch wie Stahlfedern zu sein.
Einer der Araber, ein schöner, elegant gekleideter Mann, dem der schneeweiße
„Ilmeli" (Mantel) von feinem Wollenzeug gut zu dem dunklen, krausen Bart
stand, tummelte seinen schwarzen Hengst aus wirklich prächtige Weise herum. Das
Thier schien Feuer zu schraube», so glühten seiue rothen weitgeöffneten Nüstern,
und die Schaumflocken besternten seine glänzend schwarze feine Haut, unter der
die dicken Adern in scharfen Linien hervortraten. Wie ein Vogel flog es über
die Reihen der aufgerollt liegenden Reiskörner hinweg und drehte sich daun fast
wie ein Kreisel einigemal hoch aus den Hinterfüßen umher, dann wieder wie eine
Schwalbe im Fluge fortschießend. Und nun ein Ruck im scharfen Gebiß, und wie
aus Stein gehauen stand das eben noch so bewegliche Thier. Mit leichtem Satze
schwang sich der Beduine aus dem hohen Sattel, warf unbekümmert dem Hengste
die Zügel über den Hals, und mit der Treue eines gutgezogeneu Hundes folgte
derselbe seinem Herrn auf alle Schritte nach.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/75>, abgerufen am 02.07.2024.