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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Abends, besonders auf den Andalusischen Schiffen, häufig die Matrosen unter
einander tanzen sehen; die leichten Sandalen an den Füßen, die weiten Lein¬
wandhosen eng um den Leib mit einer breiten rothen Binde, in der das lange
Messer steckt, zusammengeschnürt, das bunte Hemd weit offen, so daß die braune
Brust hervorschaut, die lange" schwarzen Haare hinten mit einem rothen oder
grünen Netze, das in einer Troddel endet, bedeckt, so tanzen sie Stunden lang,
entweder nach dem Klänge einer Art Mandoline, die ein Kamerad spielt, oder nach
dem Geklapper der Castagnetten, welche die Tänzer selbst mit den Händen schlagen.

Nicht so graziös sehen unsre Deutschen Matrosen aus, die man in Marseille
in Menge findet. Diese guten Jungens aus dem Lande Pommern, oder ans
Mecklenburg, oder von der Elbe, Weser und Jahde, kann man schon in weiter
Entfernung aus diesen südlichen Seefahrern herauskennen. Ruhig, fest, etwas schwer¬
fällig und plump, aber anch sicher und zuverlässig in ihrem ganzen Thu" und
Treiben, wie im Gange und allen ihren Bewegungen. Obgleich ein Deutscher
jetzt wahrlich keine Ursache hat, vom Heimweh geplagt zu werden, so wie er den
Vater Rhein überschritten, that es meinen Ohren doch oft sehr wohl, unter allen
diesen "skLri8l,lL" und "I>'r<zM av Oiau" und "UawäeUn" und "c'araxo" und
"Mow cüvok" ("Gott verdamme dich", ein Arabischer Fluch), die immer im Mar-
seiller Hafen das Ohr umschwirren, ein ehrliches, kräftiges "Dat die dat Duuner-
weder" zu vernehmen. Oft machte ich mir den Spaß, so norddeutsche Matrosen
ohne Weiteres mit einer echt Plattdeutschen Redensart anzusprechen, wo sie dann im
ersten Augenblick gewöhnlich sehr verwunderte Gesichter machten. Uebrigens ward ich
selbst gleich bei meinem ersten Besuch des Marseiller Hafens auf ähnliche Weise
überrascht. Eine kräftige Hand, der man es anmerkte, daß sie sich gerade nicht mit
sehr zierlichen Arbeiten beschäftigte, legte sich plötzlich mit derbem Druck mir auf
die Achsel. Wie ich mich rasch umdrehe, vernehme ich die heimischen Töne: "Süd
Herr Leutnant ock een decken hier," und erkenne einen frühern Schleswig-Hol¬
steinischen Soldaten, deu ich kurze Zeit in Rendsburg als Ordonnanz gehabt hatte.
Jetzt diente er als Matrose aus einem Holsteinischen Schiffe, das unfern im Hafen
lag, und schon die rothe Dänische Flagge, in der nur in der einen Ecke ein kleines
Holsteinisches Wappen angebracht war, führen mußte. Ich machte mir die Freude,
später an einem Sonntag Abend die ganze Mannschaft des Schiffes und noch
einige andere Schleswig-Holsteinische Matrosen, die auf andern Fahrzeugen dien¬
ten, zu einem großartigen Trinkgelage in einem Cabaret am Hafen einzuladen,
wo wir denn "Schleswig-Holstein meerumschlungcn" wiederholt mit lautem, kräf¬
tigem Chor sangen, und Dänemark, und mehr noch seinen Freunden in Deutschland,
einige tüchtige Flüche nachsendeten. Selbst mein alter Pierre Braux, der na¬
türlich mit dabei war, stimmte in die Melodie des Liedes mit ein. Uebrigens
hätte dies Fest bald mit einer großartigen Prügelei geendet. In dem Zimmer
neben uns war die Mannschaft einer Französischen Brigg versammelt; diese glaubte,


Abends, besonders auf den Andalusischen Schiffen, häufig die Matrosen unter
einander tanzen sehen; die leichten Sandalen an den Füßen, die weiten Lein¬
wandhosen eng um den Leib mit einer breiten rothen Binde, in der das lange
Messer steckt, zusammengeschnürt, das bunte Hemd weit offen, so daß die braune
Brust hervorschaut, die lange» schwarzen Haare hinten mit einem rothen oder
grünen Netze, das in einer Troddel endet, bedeckt, so tanzen sie Stunden lang,
entweder nach dem Klänge einer Art Mandoline, die ein Kamerad spielt, oder nach
dem Geklapper der Castagnetten, welche die Tänzer selbst mit den Händen schlagen.

Nicht so graziös sehen unsre Deutschen Matrosen aus, die man in Marseille
in Menge findet. Diese guten Jungens aus dem Lande Pommern, oder ans
Mecklenburg, oder von der Elbe, Weser und Jahde, kann man schon in weiter
Entfernung aus diesen südlichen Seefahrern herauskennen. Ruhig, fest, etwas schwer¬
fällig und plump, aber anch sicher und zuverlässig in ihrem ganzen Thu» und
Treiben, wie im Gange und allen ihren Bewegungen. Obgleich ein Deutscher
jetzt wahrlich keine Ursache hat, vom Heimweh geplagt zu werden, so wie er den
Vater Rhein überschritten, that es meinen Ohren doch oft sehr wohl, unter allen
diesen „skLri8l,lL" und „I>'r<zM av Oiau" und „UawäeUn" und „c'araxo" und
„Mow cüvok" („Gott verdamme dich", ein Arabischer Fluch), die immer im Mar-
seiller Hafen das Ohr umschwirren, ein ehrliches, kräftiges „Dat die dat Duuner-
weder" zu vernehmen. Oft machte ich mir den Spaß, so norddeutsche Matrosen
ohne Weiteres mit einer echt Plattdeutschen Redensart anzusprechen, wo sie dann im
ersten Augenblick gewöhnlich sehr verwunderte Gesichter machten. Uebrigens ward ich
selbst gleich bei meinem ersten Besuch des Marseiller Hafens auf ähnliche Weise
überrascht. Eine kräftige Hand, der man es anmerkte, daß sie sich gerade nicht mit
sehr zierlichen Arbeiten beschäftigte, legte sich plötzlich mit derbem Druck mir auf
die Achsel. Wie ich mich rasch umdrehe, vernehme ich die heimischen Töne: „Süd
Herr Leutnant ock een decken hier," und erkenne einen frühern Schleswig-Hol¬
steinischen Soldaten, deu ich kurze Zeit in Rendsburg als Ordonnanz gehabt hatte.
Jetzt diente er als Matrose aus einem Holsteinischen Schiffe, das unfern im Hafen
lag, und schon die rothe Dänische Flagge, in der nur in der einen Ecke ein kleines
Holsteinisches Wappen angebracht war, führen mußte. Ich machte mir die Freude,
später an einem Sonntag Abend die ganze Mannschaft des Schiffes und noch
einige andere Schleswig-Holsteinische Matrosen, die auf andern Fahrzeugen dien¬
ten, zu einem großartigen Trinkgelage in einem Cabaret am Hafen einzuladen,
wo wir denn „Schleswig-Holstein meerumschlungcn" wiederholt mit lautem, kräf¬
tigem Chor sangen, und Dänemark, und mehr noch seinen Freunden in Deutschland,
einige tüchtige Flüche nachsendeten. Selbst mein alter Pierre Braux, der na¬
türlich mit dabei war, stimmte in die Melodie des Liedes mit ein. Uebrigens
hätte dies Fest bald mit einer großartigen Prügelei geendet. In dem Zimmer
neben uns war die Mannschaft einer Französischen Brigg versammelt; diese glaubte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/74>, abgerufen am 02.07.2024.