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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Art, wie wir sie vor unsren Thüren haben, die des Nachts den Leuten zum
Schlafen diene". Weniger Bedürfnisse, als so ein Aegyptischer Matrose, kann
nicht leicht ein Mensch besitzen. Ziemlich anständig, ungefähr so, wie auf jedem
Italienischen Kauffahrer, sah es dagegen in der Kajüte der beiden Steuerleute
aus, die das Schiff commandirten. Beide waren Griechen von der Insel Samos,
hübsche schlau aussehende Männer, die anch tüchtige Seeleute zu sein schienen, wie
sast alle Griechen. Sie hatten guten Griechischen Wein in ihrer Kajüte, bewirthe¬
ten mich reichlich damit, und behaupteten, daß auch der Türkische Eigenthümer
denselben, trotz des Verbotes des Korans, im Geheimen recht gern tränke.

Interessant war das Treiben auf deu kleinen Griechischen Fahrzeugen, die
gewöhnlich in großer Menge im Marseiller Hafen liegen. Es sind gut gebaute,
sehr scharf segelnde Schiffe, die besten von allen, die das Mittelmeer befahren,
wie anch die Griechen nebst den Genuesen und Dalmatiern weitaus die
kühnsten und geschicktesten Seeleute an diesen Gestaden desselben sind. Frische,
muntere, keck aussehende Gestalten, denen die dunkeln Augen gar feurig blitzten.
Wie die Katzen so gewandt und flink, und doch dabei graziös, klimmen sie in
den Tauwcrkeu ihrer Fahrzeuge umher. Es sieht hübsch ans, wenn diese Griechi¬
schen Schiffe, die gewöhnlich, im Verhältniß zu ihrer Größe, viel Scgelzeug tragen,
in den Hafen hinein kreuzen, oder wieder ans demselben dem blauen Meere zu¬
eilen. Die Moralität dieser Griechischen Schiffer und Matrosen steht übrigens
mit ihrer sonstigen seemännischen Tüchtigkeit lange nicht ans gleicher Stufe.
Sie stehn in einem schlechten Ruf, und die SchiffSversicherer zeichnen nicht gern
auf Griechische Schiffe hohe Versicherungssummen, da es nur zu häufig vorkommt,
daß sie in solchen Fällen geflissentlich Schiffbruch leiden. In einer stillen Mond-
scheiunacht erhält das Schiff einige Löcher mit scharfem Bohren im untern
Boden, daß es sich mit Wasser füllt, und ans den Grund des Meeres sinkt; die
Mannschaft fährt mit den werthvollsten Stücken der Ladung an die nahe Küste,
um dieselbe dort heimlich zu verkaufen, und schwört dann so viel feierliche Eide,
wie der Untersuchungsrichter nnr irgend verlangt, das Schiff sei trotz ihrer eifrig¬
sten Bemühungen, es zu retten, verloren gegangen. Die "xi-aeoa tiüeL" hat
noch keinen guten Klang am Mittelmeer.

Da sind die Spanier, die hier vielfach sich einfinden, andere Kerle. Fältler,
sorgloser, abergläubischer, und lange nicht so gewandt und rasch nach Gewinn,
aber ehrlich und zuverlässig. Welch edlen, stolzen Anstand bewahren die Matrosen
der Spanischen Schiffe. So ein brauner, schwarzhaariger, glnthangiger Bursche,
in seinem groben rothen Hemde, beschmierten Leinwandhosen und Sandalen von
geflochtenen Hansgras an den Füßen, bittet einen andern Kameraden um Feuer
für seiue Cigarette mit einem Anstand, einer so natürlichen Würde, wie unsre
Kammerjunker ans den Hofhallen sie zu erreichen sich vergebens abmühen. Und
nnn gar, wenn sie tanzen, welche Grazie in allen Bewegungen! Man kann des


Grenzbvte", M, 9

Art, wie wir sie vor unsren Thüren haben, die des Nachts den Leuten zum
Schlafen diene». Weniger Bedürfnisse, als so ein Aegyptischer Matrose, kann
nicht leicht ein Mensch besitzen. Ziemlich anständig, ungefähr so, wie auf jedem
Italienischen Kauffahrer, sah es dagegen in der Kajüte der beiden Steuerleute
aus, die das Schiff commandirten. Beide waren Griechen von der Insel Samos,
hübsche schlau aussehende Männer, die anch tüchtige Seeleute zu sein schienen, wie
sast alle Griechen. Sie hatten guten Griechischen Wein in ihrer Kajüte, bewirthe¬
ten mich reichlich damit, und behaupteten, daß auch der Türkische Eigenthümer
denselben, trotz des Verbotes des Korans, im Geheimen recht gern tränke.

Interessant war das Treiben auf deu kleinen Griechischen Fahrzeugen, die
gewöhnlich in großer Menge im Marseiller Hafen liegen. Es sind gut gebaute,
sehr scharf segelnde Schiffe, die besten von allen, die das Mittelmeer befahren,
wie anch die Griechen nebst den Genuesen und Dalmatiern weitaus die
kühnsten und geschicktesten Seeleute an diesen Gestaden desselben sind. Frische,
muntere, keck aussehende Gestalten, denen die dunkeln Augen gar feurig blitzten.
Wie die Katzen so gewandt und flink, und doch dabei graziös, klimmen sie in
den Tauwcrkeu ihrer Fahrzeuge umher. Es sieht hübsch ans, wenn diese Griechi¬
schen Schiffe, die gewöhnlich, im Verhältniß zu ihrer Größe, viel Scgelzeug tragen,
in den Hafen hinein kreuzen, oder wieder ans demselben dem blauen Meere zu¬
eilen. Die Moralität dieser Griechischen Schiffer und Matrosen steht übrigens
mit ihrer sonstigen seemännischen Tüchtigkeit lange nicht ans gleicher Stufe.
Sie stehn in einem schlechten Ruf, und die SchiffSversicherer zeichnen nicht gern
auf Griechische Schiffe hohe Versicherungssummen, da es nur zu häufig vorkommt,
daß sie in solchen Fällen geflissentlich Schiffbruch leiden. In einer stillen Mond-
scheiunacht erhält das Schiff einige Löcher mit scharfem Bohren im untern
Boden, daß es sich mit Wasser füllt, und ans den Grund des Meeres sinkt; die
Mannschaft fährt mit den werthvollsten Stücken der Ladung an die nahe Küste,
um dieselbe dort heimlich zu verkaufen, und schwört dann so viel feierliche Eide,
wie der Untersuchungsrichter nnr irgend verlangt, das Schiff sei trotz ihrer eifrig¬
sten Bemühungen, es zu retten, verloren gegangen. Die „xi-aeoa tiüeL" hat
noch keinen guten Klang am Mittelmeer.

Da sind die Spanier, die hier vielfach sich einfinden, andere Kerle. Fältler,
sorgloser, abergläubischer, und lange nicht so gewandt und rasch nach Gewinn,
aber ehrlich und zuverlässig. Welch edlen, stolzen Anstand bewahren die Matrosen
der Spanischen Schiffe. So ein brauner, schwarzhaariger, glnthangiger Bursche,
in seinem groben rothen Hemde, beschmierten Leinwandhosen und Sandalen von
geflochtenen Hansgras an den Füßen, bittet einen andern Kameraden um Feuer
für seiue Cigarette mit einem Anstand, einer so natürlichen Würde, wie unsre
Kammerjunker ans den Hofhallen sie zu erreichen sich vergebens abmühen. Und
nnn gar, wenn sie tanzen, welche Grazie in allen Bewegungen! Man kann des


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[0073] Art, wie wir sie vor unsren Thüren haben, die des Nachts den Leuten zum Schlafen diene». Weniger Bedürfnisse, als so ein Aegyptischer Matrose, kann nicht leicht ein Mensch besitzen. Ziemlich anständig, ungefähr so, wie auf jedem Italienischen Kauffahrer, sah es dagegen in der Kajüte der beiden Steuerleute aus, die das Schiff commandirten. Beide waren Griechen von der Insel Samos, hübsche schlau aussehende Männer, die anch tüchtige Seeleute zu sein schienen, wie sast alle Griechen. Sie hatten guten Griechischen Wein in ihrer Kajüte, bewirthe¬ ten mich reichlich damit, und behaupteten, daß auch der Türkische Eigenthümer denselben, trotz des Verbotes des Korans, im Geheimen recht gern tränke. Interessant war das Treiben auf deu kleinen Griechischen Fahrzeugen, die gewöhnlich in großer Menge im Marseiller Hafen liegen. Es sind gut gebaute, sehr scharf segelnde Schiffe, die besten von allen, die das Mittelmeer befahren, wie anch die Griechen nebst den Genuesen und Dalmatiern weitaus die kühnsten und geschicktesten Seeleute an diesen Gestaden desselben sind. Frische, muntere, keck aussehende Gestalten, denen die dunkeln Augen gar feurig blitzten. Wie die Katzen so gewandt und flink, und doch dabei graziös, klimmen sie in den Tauwcrkeu ihrer Fahrzeuge umher. Es sieht hübsch ans, wenn diese Griechi¬ schen Schiffe, die gewöhnlich, im Verhältniß zu ihrer Größe, viel Scgelzeug tragen, in den Hafen hinein kreuzen, oder wieder ans demselben dem blauen Meere zu¬ eilen. Die Moralität dieser Griechischen Schiffer und Matrosen steht übrigens mit ihrer sonstigen seemännischen Tüchtigkeit lange nicht ans gleicher Stufe. Sie stehn in einem schlechten Ruf, und die SchiffSversicherer zeichnen nicht gern auf Griechische Schiffe hohe Versicherungssummen, da es nur zu häufig vorkommt, daß sie in solchen Fällen geflissentlich Schiffbruch leiden. In einer stillen Mond- scheiunacht erhält das Schiff einige Löcher mit scharfem Bohren im untern Boden, daß es sich mit Wasser füllt, und ans den Grund des Meeres sinkt; die Mannschaft fährt mit den werthvollsten Stücken der Ladung an die nahe Küste, um dieselbe dort heimlich zu verkaufen, und schwört dann so viel feierliche Eide, wie der Untersuchungsrichter nnr irgend verlangt, das Schiff sei trotz ihrer eifrig¬ sten Bemühungen, es zu retten, verloren gegangen. Die „xi-aeoa tiüeL" hat noch keinen guten Klang am Mittelmeer. Da sind die Spanier, die hier vielfach sich einfinden, andere Kerle. Fältler, sorgloser, abergläubischer, und lange nicht so gewandt und rasch nach Gewinn, aber ehrlich und zuverlässig. Welch edlen, stolzen Anstand bewahren die Matrosen der Spanischen Schiffe. So ein brauner, schwarzhaariger, glnthangiger Bursche, in seinem groben rothen Hemde, beschmierten Leinwandhosen und Sandalen von geflochtenen Hansgras an den Füßen, bittet einen andern Kameraden um Feuer für seiue Cigarette mit einem Anstand, einer so natürlichen Würde, wie unsre Kammerjunker ans den Hofhallen sie zu erreichen sich vergebens abmühen. Und nnn gar, wenn sie tanzen, welche Grazie in allen Bewegungen! Man kann des Grenzbvte», M, 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/73>, abgerufen am 02.07.2024.