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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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ist, daß wir uns in Conspirationen einlassen, denn nur einfältige Menschen con-
spiriren. Vor allen Dingen müssen wir dabei einen Fehler vermeiden, in den wir nnr
gar zu leicht verfallen. Zur Gemeinschaft der Partei gehört Uebereinstimmung
w den Hauptsachen; wir sind aber im Gegentheil nur zu geneigt, das Haupt¬
gewicht auf die Uebereinstimmung in irgend einer Nebensache zu legen, die,uns
gerade für den Augenblick am Lebhaftesten beschäftigt, und wir sind in dieser kriti¬
schen Aufmerksamkeit am schärfsten gegen Diejenigen, die uns am Nächsten stehen.
Wir sind augenblicklich bei der Hand, jede Gemeinschaft aufzukündigen, sobald
unser Nachbar nicht Homoiusios, sondern Hvmnsivs sagt; wir müssen uns daran
gewöhnen, den Inhalt unsrer persönlichen Ueberzeugung einem allgemeinen In¬
halt unterzuordnen, weil nur durch gemeinsames und daher bedingtes Wirken,
auch das bescheidenste Ziel erreicht werden kaun. Zu Hardenberg's Zeit stritten
sich auch die Staatsmänner, die der liberalen Partei angehörten, ans eine leiden¬
schaftliche Weise um Nebensachen, bis der Streit so weit ging, daß der Eine
aus Rancune gegen den Widerspruch seiner bisherigen Freunde sich mit der Re¬
action verband, und die andern vom Schauplatz abtraten. Möge uns das eine
Warnung sein!




Wochenschau.

Wanderungen durch südamerikanische Republiken, von Georg
-oham. Aus dem Englischen von Lindau. Dresden, Kuntze. -- Wir haben aus
frühern Schrift desselben Verfassers: "Wildes Leben in. Innern von Centralamerika",
ereits einige Mittheilungen gemacht, ans denen man über die frische und lebendige
Erstellung, si' Wie über das gründliche Studium, mit welchem der Englische Reisende
>e Sitten und Gebräuche, die politischen und sociale" Einrichtungen, so wie die phy-
l'sehe Beschaffenheit des Landes beobachtet hat, sich ein Urtheil bilden konnte. Die
"egenwärtige Schrift, welche die Reise durch Chile und Peru beschreibt, ist nicht minder
'uteressant. Wir theilen zunächst die Bemerkungen über.die Verfassung der ersten Re¬
publik mit, weil sie so eigenthümlich ist, daß unsre principiellen Republikaner auch aus
"hin Beispiel entnehmen können, wie in dem bloßen Namen der Republik immer noch
)t die Losung Aller politischen und socialen Probleme steckt. --imName

"Die einzige Aehnlichkeit mit einer Republik liegt bei dieser Regierung n,
w' n"'^ ^" ^""6 genommen Nichts weiter ist als eine Oligarchie mit einer ungeheuren
"Maden Fcudalmacht; diese Macht liegt in den Händen Weniger, und diese Wenigen
^" ^ Häupter der Geistlichkeit, so wie auch die Grundbesitzer, die Eigenthümer großer
seil! '"^ ""teurer Nindechcerdc". Diese Eigenthümer der "Haziendas" sind in dem-
^ 'e" Grade Eigenthümer der Bauern, wie der Feudalherr Eigenthümer seines Leib-
gcncn war; aber die Verpflichtung und die Macht sind allerdings ganz anderer Art,
der Grundbesitzer in debile fühlt auf Nichts weiter als auf jener Macht, welche
'u der ganzen Welt anerkanntes Gesetz ihm giebt - nämlich das Gesetz in Betreff


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ist, daß wir uns in Conspirationen einlassen, denn nur einfältige Menschen con-
spiriren. Vor allen Dingen müssen wir dabei einen Fehler vermeiden, in den wir nnr
gar zu leicht verfallen. Zur Gemeinschaft der Partei gehört Uebereinstimmung
w den Hauptsachen; wir sind aber im Gegentheil nur zu geneigt, das Haupt¬
gewicht auf die Uebereinstimmung in irgend einer Nebensache zu legen, die,uns
gerade für den Augenblick am Lebhaftesten beschäftigt, und wir sind in dieser kriti¬
schen Aufmerksamkeit am schärfsten gegen Diejenigen, die uns am Nächsten stehen.
Wir sind augenblicklich bei der Hand, jede Gemeinschaft aufzukündigen, sobald
unser Nachbar nicht Homoiusios, sondern Hvmnsivs sagt; wir müssen uns daran
gewöhnen, den Inhalt unsrer persönlichen Ueberzeugung einem allgemeinen In¬
halt unterzuordnen, weil nur durch gemeinsames und daher bedingtes Wirken,
auch das bescheidenste Ziel erreicht werden kaun. Zu Hardenberg's Zeit stritten
sich auch die Staatsmänner, die der liberalen Partei angehörten, ans eine leiden¬
schaftliche Weise um Nebensachen, bis der Streit so weit ging, daß der Eine
aus Rancune gegen den Widerspruch seiner bisherigen Freunde sich mit der Re¬
action verband, und die andern vom Schauplatz abtraten. Möge uns das eine
Warnung sein!




Wochenschau.

Wanderungen durch südamerikanische Republiken, von Georg
-oham. Aus dem Englischen von Lindau. Dresden, Kuntze. — Wir haben aus
frühern Schrift desselben Verfassers: „Wildes Leben in. Innern von Centralamerika",
ereits einige Mittheilungen gemacht, ans denen man über die frische und lebendige
Erstellung, si' Wie über das gründliche Studium, mit welchem der Englische Reisende
>e Sitten und Gebräuche, die politischen und sociale» Einrichtungen, so wie die phy-
l'sehe Beschaffenheit des Landes beobachtet hat, sich ein Urtheil bilden konnte. Die
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publik mit, weil sie so eigenthümlich ist, daß unsre principiellen Republikaner auch aus
"hin Beispiel entnehmen können, wie in dem bloßen Namen der Republik immer noch
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^" ^ Häupter der Geistlichkeit, so wie auch die Grundbesitzer, die Eigenthümer großer
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^ 'e» Grade Eigenthümer der Bauern, wie der Feudalherr Eigenthümer seines Leib-
gcncn war; aber die Verpflichtung und die Macht sind allerdings ganz anderer Art,
der Grundbesitzer in debile fühlt auf Nichts weiter als auf jener Macht, welche
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/513>, abgerufen am 02.07.2024.