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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Soldaten, daß sie immer kurz vor dem Löhnuugstage auf Urlaub geschickt würden,
also für die Tage Nichts erhielten, die Einberufenen aber für einen Tag Nichts
beanspruchen konnte". Diese Löhnung fiel in die Tasche des Capitains, vielleicht
erhielten anch die andern Officiere davon. Bei der Landmiliz und bei den Trup¬
pen wurden Die, welche sich das Haar von Kameraden noch so gut hatten schnei¬
den lassen, für Wilde gescholten. Es that der Soldat wohl, diesen Dienst vom
Korporal gegen die Taxe von zwei Kreuzern zu erbitten. Dann hieß es: "Ich
bin ein blinder Hesse, ich kann noch nicht sehen -- o, Frau Corporalin, schenken
Sie doch für einen Kreuzer ein." -- Das waren drei Kreuzer, die halbe Tages¬
löhnung. Um ihre Lage zu bessern, war den Frauen der Unterofficiere die Er¬
laubniß gegeben, beim Exerciren Schnaps zu schenken.

Der gemeine Soldat erhielt nominell täglich zwei Albus oder 1^/2 eM'-
Rechnen wir den Monat zu 31 Tagen, so erhielt er 1 Thlr. 30 Albus oder
SÄ'/-. gGr. Außerdem erhielt er täglich IV2 Pfund Brod, wofür ihm aber laut
Extr. Geh. Kriegs-Protvk. vom 24. Sept. 1801 monatlich ein halber Thaler
inne behalten wurde. Er hatte also wirklich monatlich 46 Albus oder 1 Thlr.
10V2 gGr., oder täglich fast 1 gGr. 2 Pf. Abgesehen von der Verkürzung durch
Urlaub, Haarschueidcu, ging Vieles uoch dahin für Reparaturen an Zeug und
Schuhen, Waschlohn, Wichse zu Schuhen, Patrontasche und Bart, Puder, Po¬
made und Zopfband, Bürste" und andere Geräthe. Was blieb nun dem Manne
übrig, um sich einmal in einer Garküche an warmer Speise und einem Stückchen
Fleisch zu erquicken? oder in der Zeit von Manövern von früh bis Mittag etwas
Kräftigeres, als Brod und Schnaps, zu frühstücken?

Bereitet wurden Die, welche in kleinern Städten bei Fleischern, Bäckern und
andern Bürgern einquartiert waren, denen sie gegen die Kost an ihren waches"'""
Tagen als Hausknechte dienten. Viele Wirthe bedurften aber keines Dienstes,
und die easernirtcn Truppen hatten gar keine Erleichterung. Viele werden es
uoch bezeugen, daß man in Cassel nicht gehen konnte, namentlich in Nebenstraßen,
ohne von Soldaten angebettelt zu werden; ja man klagte, daß Gardisten in die
Häuser drängen, um etwas übriggebliebene warme Speise zu erbitten. Bei der
Unmöglichkeit, mit der Löhnung auszukommen, mußte der Soldat, wie bei den
Römern, sich großen Theils selbst erhalten. War die Garnison nicht zu weit, se'
ging ein Familienglied alle acht oder vierzehn Tage hin, um reine Wäsche, Zu-'
gcbröde, transpvrlable Speise, Obst, an Festtagen Kuchen zu bringen; auch baare
Unterstützung war nicht ganz zu umgeben. Ungerechnet der Versäumniß und den
Zehrkosteu des Boden, leerte Dieses den Haushalt von den Dingen, welche dem
Landmanne in der schweren Arbeit zu Gute kommen sollten, z. B. dem Eingeschlaeh'
deten. Wenn der Hausvater selbst Soldat war, oder drei, vier und mehr Söhne
unterm Gewehr standen, welche Frau, welche Aeltern darbten nicht selbst lieber.
Man denke sich Tagelöhner und Landleute, welche selbst mit Noth zu ringen hatten.


Soldaten, daß sie immer kurz vor dem Löhnuugstage auf Urlaub geschickt würden,
also für die Tage Nichts erhielten, die Einberufenen aber für einen Tag Nichts
beanspruchen konnte». Diese Löhnung fiel in die Tasche des Capitains, vielleicht
erhielten anch die andern Officiere davon. Bei der Landmiliz und bei den Trup¬
pen wurden Die, welche sich das Haar von Kameraden noch so gut hatten schnei¬
den lassen, für Wilde gescholten. Es that der Soldat wohl, diesen Dienst vom
Korporal gegen die Taxe von zwei Kreuzern zu erbitten. Dann hieß es: „Ich
bin ein blinder Hesse, ich kann noch nicht sehen — o, Frau Corporalin, schenken
Sie doch für einen Kreuzer ein." — Das waren drei Kreuzer, die halbe Tages¬
löhnung. Um ihre Lage zu bessern, war den Frauen der Unterofficiere die Er¬
laubniß gegeben, beim Exerciren Schnaps zu schenken.

Der gemeine Soldat erhielt nominell täglich zwei Albus oder 1^/2 eM'-
Rechnen wir den Monat zu 31 Tagen, so erhielt er 1 Thlr. 30 Albus oder
SÄ'/-. gGr. Außerdem erhielt er täglich IV2 Pfund Brod, wofür ihm aber laut
Extr. Geh. Kriegs-Protvk. vom 24. Sept. 1801 monatlich ein halber Thaler
inne behalten wurde. Er hatte also wirklich monatlich 46 Albus oder 1 Thlr.
10V2 gGr., oder täglich fast 1 gGr. 2 Pf. Abgesehen von der Verkürzung durch
Urlaub, Haarschueidcu, ging Vieles uoch dahin für Reparaturen an Zeug und
Schuhen, Waschlohn, Wichse zu Schuhen, Patrontasche und Bart, Puder, Po¬
made und Zopfband, Bürste» und andere Geräthe. Was blieb nun dem Manne
übrig, um sich einmal in einer Garküche an warmer Speise und einem Stückchen
Fleisch zu erquicken? oder in der Zeit von Manövern von früh bis Mittag etwas
Kräftigeres, als Brod und Schnaps, zu frühstücken?

Bereitet wurden Die, welche in kleinern Städten bei Fleischern, Bäckern und
andern Bürgern einquartiert waren, denen sie gegen die Kost an ihren waches"'"»
Tagen als Hausknechte dienten. Viele Wirthe bedurften aber keines Dienstes,
und die easernirtcn Truppen hatten gar keine Erleichterung. Viele werden es
uoch bezeugen, daß man in Cassel nicht gehen konnte, namentlich in Nebenstraßen,
ohne von Soldaten angebettelt zu werden; ja man klagte, daß Gardisten in die
Häuser drängen, um etwas übriggebliebene warme Speise zu erbitten. Bei der
Unmöglichkeit, mit der Löhnung auszukommen, mußte der Soldat, wie bei den
Römern, sich großen Theils selbst erhalten. War die Garnison nicht zu weit, se'
ging ein Familienglied alle acht oder vierzehn Tage hin, um reine Wäsche, Zu-'
gcbröde, transpvrlable Speise, Obst, an Festtagen Kuchen zu bringen; auch baare
Unterstützung war nicht ganz zu umgeben. Ungerechnet der Versäumniß und den
Zehrkosteu des Boden, leerte Dieses den Haushalt von den Dingen, welche dem
Landmanne in der schweren Arbeit zu Gute kommen sollten, z. B. dem Eingeschlaeh'
deten. Wenn der Hausvater selbst Soldat war, oder drei, vier und mehr Söhne
unterm Gewehr standen, welche Frau, welche Aeltern darbten nicht selbst lieber.
Man denke sich Tagelöhner und Landleute, welche selbst mit Noth zu ringen hatten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/506>, abgerufen am 02.07.2024.