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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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des Damokles hing stets über dein Haupte. Wie übel, waren Oekonomen daran mit
ihren Knechten, Bauern mit ihren Söhnen, wenn sie in der säe- oder Ernte¬
zeit einberufen wurden, Professionisten mit ihren Gesellen bei drängender Arbeit.
Taglöhner mußten oft in der verdienstvollsten Zeit dienen, und saßen im Winter
M Hanse. Die Unsicherheit der Berechnung war es, welche hinderte, Etwas für
die Zukunft mit Sicherheit zu beginnen.

Das gewöhnliche Manöver war dann, daß ein wohlbcredtes Familienglied
an den Garnisonsort lief, die Officiere um Aufschub, die Unterofficiere um Für¬
sprache bat. Darüber gingen ein oder zw" Arbeitstage verloren, abgesehen von
den Zehrnugskosten und der Abnutzung des Sonntagszcnges. Wurde der Ur¬
laub verlängert, so war es gerathen,, daß der Soldat bei nächster Einberufung
NW mit leeren Händen kam, sondern dem Lieutenant etwas'Leinen oder Garn,
dem Feldwebel Geld, dem Corporal eine Wurst mitbrachte, sonst, meinte er,
brauche er für Schläge nicht zu sorgen!

Unsre Zeit wird es unerklärlich finden, daß Unterofficiere, ja Officiere eine
^nrst, ein hansbackencs Brod nicht zurückwiesen; allem man wisse, daß ein
Stabs-Capitain und ein Premier-Lieutenant monatlich 19 TlMer Sold erhielten,
^r seconde-Lieutenant nur -15, daß die Unterofficiere nach Verhältniß bekamen.
Ein Lieutenant hatte es vor seinen Leuten nicht Hehl, daß er sich, um den Hun-
t!^r zu vertreiben, am Tage zu Bett lege. Sie waren an das Schmarotzen nud
^schenke gewiesen, wenn sie nicht eigenes Vermögen besaßen. Dazu hatten die
sficiere, wenn sie dienstuntauglich wurden, keinen Anspruch an Pension, und ohne
solche wurden Unterofficiere nach 20jähriger Dienstzeit entlassen. Im I. -18-16
wandten sich die Officiere, da eine Bitte an den Landesherrn keinen Erfolg ver-
o ^' ^ Landstände um Verbesserung ihrer Lage; Diese zeigten die höchste
Bereitwilligkeit und empfahlen die Bitte; Serenissimus hielt es aber für einen
evergriff, daß die Stäude die Supplik angenommen hatten, cassirte einen Ca-
Waiu und eiuen Lieutenant, zum warnenden Beispiel, und sandte sie auf die Fe-
^"ng, Drei aber, welche nicht mit unterschrieben hatten, erhielten Beförderung.
^ forderten ihren Abschied, bekamen ihn aber nicht. (Wipperm. S. 8-1.)
Liest "an uun S. 32, daß mau deu, meist mit dem Blute der nach Amerika
gesandten Truppen in England stehenden Schatz damals auf 22 Millionen
> )este, so empört sich da's Herz über solchen Geiz, welcher ein so ehrenwerthes
Mciercorps, das sich bei jeder Gelegenheit so disciplinirt und tapfer bewiesen
. " te, zwang, theils Geschenke zu nehmen, theils sich seiner Armuth wegen, verspotten
,l Gen. So erzählte ein Kellner aus dem Hessischen Hose: Wenn die Garde-Ossi-
^e gebieterisch sagten: "Kellner, die Weinkarte!" so forderten sie nach einem gründ¬
en Studium derselbe" ein Viertel vom wohlfeilsten oder ihrer sechs eine Flasche.
Mühn^" ^ ^''sserung der Snbsistenzmittel von oben nicht zu erwarten war, so
i" aller Druck, wie in Rußland, auf dem Gemeinen liegen. So erzählten die
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des Damokles hing stets über dein Haupte. Wie übel, waren Oekonomen daran mit
ihren Knechten, Bauern mit ihren Söhnen, wenn sie in der säe- oder Ernte¬
zeit einberufen wurden, Professionisten mit ihren Gesellen bei drängender Arbeit.
Taglöhner mußten oft in der verdienstvollsten Zeit dienen, und saßen im Winter
M Hanse. Die Unsicherheit der Berechnung war es, welche hinderte, Etwas für
die Zukunft mit Sicherheit zu beginnen.

Das gewöhnliche Manöver war dann, daß ein wohlbcredtes Familienglied
an den Garnisonsort lief, die Officiere um Aufschub, die Unterofficiere um Für¬
sprache bat. Darüber gingen ein oder zw« Arbeitstage verloren, abgesehen von
den Zehrnugskosten und der Abnutzung des Sonntagszcnges. Wurde der Ur¬
laub verlängert, so war es gerathen,, daß der Soldat bei nächster Einberufung
NW mit leeren Händen kam, sondern dem Lieutenant etwas'Leinen oder Garn,
dem Feldwebel Geld, dem Corporal eine Wurst mitbrachte, sonst, meinte er,
brauche er für Schläge nicht zu sorgen!

Unsre Zeit wird es unerklärlich finden, daß Unterofficiere, ja Officiere eine
^nrst, ein hansbackencs Brod nicht zurückwiesen; allem man wisse, daß ein
Stabs-Capitain und ein Premier-Lieutenant monatlich 19 TlMer Sold erhielten,
^r seconde-Lieutenant nur -15, daß die Unterofficiere nach Verhältniß bekamen.
Ein Lieutenant hatte es vor seinen Leuten nicht Hehl, daß er sich, um den Hun-
t!^r zu vertreiben, am Tage zu Bett lege. Sie waren an das Schmarotzen nud
^schenke gewiesen, wenn sie nicht eigenes Vermögen besaßen. Dazu hatten die
sficiere, wenn sie dienstuntauglich wurden, keinen Anspruch an Pension, und ohne
solche wurden Unterofficiere nach 20jähriger Dienstzeit entlassen. Im I. -18-16
wandten sich die Officiere, da eine Bitte an den Landesherrn keinen Erfolg ver-
o ^' ^ Landstände um Verbesserung ihrer Lage; Diese zeigten die höchste
Bereitwilligkeit und empfahlen die Bitte; Serenissimus hielt es aber für einen
evergriff, daß die Stäude die Supplik angenommen hatten, cassirte einen Ca-
Waiu und eiuen Lieutenant, zum warnenden Beispiel, und sandte sie auf die Fe-
^"ng, Drei aber, welche nicht mit unterschrieben hatten, erhielten Beförderung.
^ forderten ihren Abschied, bekamen ihn aber nicht. (Wipperm. S. 8-1.)
Liest „an uun S. 32, daß mau deu, meist mit dem Blute der nach Amerika
gesandten Truppen in England stehenden Schatz damals auf 22 Millionen
> )este, so empört sich da's Herz über solchen Geiz, welcher ein so ehrenwerthes
Mciercorps, das sich bei jeder Gelegenheit so disciplinirt und tapfer bewiesen
. " te, zwang, theils Geschenke zu nehmen, theils sich seiner Armuth wegen, verspotten
,l Gen. So erzählte ein Kellner aus dem Hessischen Hose: Wenn die Garde-Ossi-
^e gebieterisch sagten: „Kellner, die Weinkarte!" so forderten sie nach einem gründ¬
en Studium derselbe» ein Viertel vom wohlfeilsten oder ihrer sechs eine Flasche.
Mühn^" ^ ^''sserung der Snbsistenzmittel von oben nicht zu erwarten war, so
i« aller Druck, wie in Rußland, auf dem Gemeinen liegen. So erzählten die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/505>, abgerufen am 02.07.2024.