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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Bemerkungen über den Hessischen Militairstand
unter Kurfürst Wilhelm I.

Die Welt hat von den Regierungshandlungen des Kurfürsten von Hessen
Wilhelm I, nach seiner Rückkehr selten mehr erzählt, als daß er den überall
abgeschafften Zopf seinen Truppen wieder ansetzte. Ueber dem Zopf hat man
aber den fressenden Krebsschaden übersehen, welcher seine Militärverwaltung dem
Lande wurde. Der Zopf war unzeitgemäß, aber zu entschuldigen. Niemand
haßte die Französische Revolution und Alles was sie hervorgerufen oder ver¬
ändert hatte,-so gründlich, als dieser Manu. Nur Eins zu erwähnen, in den
">7!)ver Jahren erging ein strenges Gebot gegen die runden Hüte, und wenn
^selben auch uach 1813 andern Einwohnern erlaubt waren, so dursten sich doch
Bedienstete und Geistliche nnr des dreieckigen Hutes bedienen.

Dazu kam, daß er seine Begriffe von Fürstengewalt und Willen, vom Ka¬
maschendienste des Militairs zur Zeit Friedrich des Großen eingesogen, sein
siebenjähriges Exil in Böhmen, dem Lande des Knechtsgehorsams, verlebt hatte.
^ ließ sich von dem alten Manne nicht erwarten, daß er etwas anch noch so
Zweckmäßiges aus Frankreich annehmen würde, am Wenigsten schlichtes Haar,
was mit der Soldateuwürde contrastirte. So lange er lebte, wollte er sich nicht
anders tragen, als früher, er hielt es eben für nnznlässtg, als Chef der Garde
anders als diese costnmirt zu sein, deshalb sollte sie, so lange er lebe, wie vor
1806 einhergehen.

. Diese nur etwas Band und Puder kostende Spielerei hätte man können
zugehen lassen, wenn nur der Soldatendienst nicht so aussaugend auf das Land,
en Ackerbau und die Gewerbe störend eingewirkt hätte. Da dieses über die
^"zen des Hessenlandes wenig bekannt geworden ist, so will ich hier Einiges
"vn dieser Einrichtung mittheilen.

Es war Princip, jeder Hesse mußte vom 16. Jahre und so lange er gehen
prüde, dienen. Einen Abschied erhielten selbst die Unabkömmlichen nicht. Die
^'Ngen Leute, bis sie zum völligen Dienste stark genug waren, und die alten,
welche nur nicht mehr einberufen wollte, z. B. L0jährige und ältere, und die
"abkömmlichen, wurden nach Lage ihres Wohnortes einem der 7 Landregimen-
" (Landmiliz) Cassel, Marburg, Eschwege, Hersfeld, Ziegenhain, Rinteln, Hanau
> >a>thM^ mußten an gewissen Sonntagen zum Exerciren erscheinen. Die Of-
"ere bestanden aus Dienstunfähigen und Mißliebige", und war dieser Dienst
'gern genommen. Die Gemeinen erhielten keine Vergütung.

Frei vom Militair waren die Sohne, deren Väter zu den zehn Rang-Klassen
vor"^"' Stände, Studente", Gymnasiasten, Seminaristen, die Bedienten
"nehmer Edelleute, die Bürgerssöhne mancher, namentlich der größern Städte, was


Bemerkungen über den Hessischen Militairstand
unter Kurfürst Wilhelm I.

Die Welt hat von den Regierungshandlungen des Kurfürsten von Hessen
Wilhelm I, nach seiner Rückkehr selten mehr erzählt, als daß er den überall
abgeschafften Zopf seinen Truppen wieder ansetzte. Ueber dem Zopf hat man
aber den fressenden Krebsschaden übersehen, welcher seine Militärverwaltung dem
Lande wurde. Der Zopf war unzeitgemäß, aber zu entschuldigen. Niemand
haßte die Französische Revolution und Alles was sie hervorgerufen oder ver¬
ändert hatte,-so gründlich, als dieser Manu. Nur Eins zu erwähnen, in den
">7!)ver Jahren erging ein strenges Gebot gegen die runden Hüte, und wenn
^selben auch uach 1813 andern Einwohnern erlaubt waren, so dursten sich doch
Bedienstete und Geistliche nnr des dreieckigen Hutes bedienen.

Dazu kam, daß er seine Begriffe von Fürstengewalt und Willen, vom Ka¬
maschendienste des Militairs zur Zeit Friedrich des Großen eingesogen, sein
siebenjähriges Exil in Böhmen, dem Lande des Knechtsgehorsams, verlebt hatte.
^ ließ sich von dem alten Manne nicht erwarten, daß er etwas anch noch so
Zweckmäßiges aus Frankreich annehmen würde, am Wenigsten schlichtes Haar,
was mit der Soldateuwürde contrastirte. So lange er lebte, wollte er sich nicht
anders tragen, als früher, er hielt es eben für nnznlässtg, als Chef der Garde
anders als diese costnmirt zu sein, deshalb sollte sie, so lange er lebe, wie vor
1806 einhergehen.

. Diese nur etwas Band und Puder kostende Spielerei hätte man können
zugehen lassen, wenn nur der Soldatendienst nicht so aussaugend auf das Land,
en Ackerbau und die Gewerbe störend eingewirkt hätte. Da dieses über die
^»zen des Hessenlandes wenig bekannt geworden ist, so will ich hier Einiges
"vn dieser Einrichtung mittheilen.

Es war Princip, jeder Hesse mußte vom 16. Jahre und so lange er gehen
prüde, dienen. Einen Abschied erhielten selbst die Unabkömmlichen nicht. Die
^'Ngen Leute, bis sie zum völligen Dienste stark genug waren, und die alten,
welche nur nicht mehr einberufen wollte, z. B. L0jährige und ältere, und die
»abkömmlichen, wurden nach Lage ihres Wohnortes einem der 7 Landregimen-
" (Landmiliz) Cassel, Marburg, Eschwege, Hersfeld, Ziegenhain, Rinteln, Hanau
> >a>thM^ mußten an gewissen Sonntagen zum Exerciren erscheinen. Die Of-
"ere bestanden aus Dienstunfähigen und Mißliebige», und war dieser Dienst
'gern genommen. Die Gemeinen erhielten keine Vergütung.

Frei vom Militair waren die Sohne, deren Väter zu den zehn Rang-Klassen
vor"^"' Stände, Studente», Gymnasiasten, Seminaristen, die Bedienten
"nehmer Edelleute, die Bürgerssöhne mancher, namentlich der größern Städte, was


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[0503] Bemerkungen über den Hessischen Militairstand unter Kurfürst Wilhelm I. Die Welt hat von den Regierungshandlungen des Kurfürsten von Hessen Wilhelm I, nach seiner Rückkehr selten mehr erzählt, als daß er den überall abgeschafften Zopf seinen Truppen wieder ansetzte. Ueber dem Zopf hat man aber den fressenden Krebsschaden übersehen, welcher seine Militärverwaltung dem Lande wurde. Der Zopf war unzeitgemäß, aber zu entschuldigen. Niemand haßte die Französische Revolution und Alles was sie hervorgerufen oder ver¬ ändert hatte,-so gründlich, als dieser Manu. Nur Eins zu erwähnen, in den ">7!)ver Jahren erging ein strenges Gebot gegen die runden Hüte, und wenn ^selben auch uach 1813 andern Einwohnern erlaubt waren, so dursten sich doch Bedienstete und Geistliche nnr des dreieckigen Hutes bedienen. Dazu kam, daß er seine Begriffe von Fürstengewalt und Willen, vom Ka¬ maschendienste des Militairs zur Zeit Friedrich des Großen eingesogen, sein siebenjähriges Exil in Böhmen, dem Lande des Knechtsgehorsams, verlebt hatte. ^ ließ sich von dem alten Manne nicht erwarten, daß er etwas anch noch so Zweckmäßiges aus Frankreich annehmen würde, am Wenigsten schlichtes Haar, was mit der Soldateuwürde contrastirte. So lange er lebte, wollte er sich nicht anders tragen, als früher, er hielt es eben für nnznlässtg, als Chef der Garde anders als diese costnmirt zu sein, deshalb sollte sie, so lange er lebe, wie vor 1806 einhergehen. . Diese nur etwas Band und Puder kostende Spielerei hätte man können zugehen lassen, wenn nur der Soldatendienst nicht so aussaugend auf das Land, en Ackerbau und die Gewerbe störend eingewirkt hätte. Da dieses über die ^»zen des Hessenlandes wenig bekannt geworden ist, so will ich hier Einiges "vn dieser Einrichtung mittheilen. Es war Princip, jeder Hesse mußte vom 16. Jahre und so lange er gehen prüde, dienen. Einen Abschied erhielten selbst die Unabkömmlichen nicht. Die ^'Ngen Leute, bis sie zum völligen Dienste stark genug waren, und die alten, welche nur nicht mehr einberufen wollte, z. B. L0jährige und ältere, und die »abkömmlichen, wurden nach Lage ihres Wohnortes einem der 7 Landregimen- " (Landmiliz) Cassel, Marburg, Eschwege, Hersfeld, Ziegenhain, Rinteln, Hanau > >a>thM^ mußten an gewissen Sonntagen zum Exerciren erscheinen. Die Of- "ere bestanden aus Dienstunfähigen und Mißliebige», und war dieser Dienst 'gern genommen. Die Gemeinen erhielten keine Vergütung. Frei vom Militair waren die Sohne, deren Väter zu den zehn Rang-Klassen vor"^"' Stände, Studente», Gymnasiasten, Seminaristen, die Bedienten "nehmer Edelleute, die Bürgerssöhne mancher, namentlich der größern Städte, was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/503>, abgerufen am 02.07.2024.