Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die erste Schilderung betrifft die Ruinen von Neusatz, von da geht es nach
Carlowitz, Semlin und über die Donau nach Belgrad. Der erste Eindruck, den
diese Festung aus den Verfasser macht, ist sehr hübsch geschildert; wir theilen ihn
hier mit.

"Nach anderthalbstündiger Fahrt hatten wir den Fuß des Felsens ereicht,
aus dem Belgrad, die alte geschichtenreiche Beste, erbaut ist. Das Wasser hatte
hier eine solche Höhe erreicht, daß es längs der ganzen untersten Festungsmauer
durch die Schießscharten ins Innere der Werke drang, und an manchen Stellen
Wte wenig, daß es die Mauer selbst überströmte. Die Momzen richteten im
Kahne einen kleinen Mast auf, zogen einen Strick über dessen Spitze, und spran¬
gen ans Land, um die Festungsmauer zu erklimmen, und auf derselben hinlaufend
das Schiff um die Festung herumzuziehen. Hier und da stießen wir während
dieser Fahrt auf Gruppen von Türkischen Soldaten, welche in halbnackten Zu¬
stande mit der längst nothwendig gewordenen Reinigung ihrer Wäsche sich be¬
schäftigten, oder auf einem Steinhaufen sitzend rauchten. Vou Zwischenraum zu
Hwischcnranm gingen auf den Wällen einzelne Wachtposten vor halbverwitterteu
Schilderhäuser" auf und ab.

Der äußere Anblick der Festung ist nicht im Stande, einen günstigen Vor¬
begriff von deren innerem Zustande zu erwecken. Allenthalben sind die Mauern
von der Gewalt des Stromes unterwühlt, lückig, stellenweise versunken und zu¬
sammengebrochen, durchgehends morsch und verwahrlost. Die Wälle sind hier
von wucherndem Unkraut überwachsen, hier von Regengüssen abgespült, dort
überschüttet.

Einige Schritte von der Festung stromaufwärts ist der Landungsplatz für
dle herüber kommenden Schiffe. Ein serbischer Haiduk, im Anzüge von andern
Serbanern durch Nichts unterschieden, und blos an dem Stocke, den er trug, als
polizeiliche Autorität kenntlich, nahm uns die Legitimation ab, und wir befanden
uns auf fürstlich serbischen Boden.

, Der Eindruck, den der erste Anblick von Belgrad auf mich ausübte, bleibt
or ein unvergeßlicher, bedeutungsvoller. Zuerst sieht mau einen breiten, nicht
eben hohen Felsen, der aus den Fluthen emporsteigt. Braune Schauzmaueru und
gasige Wälle umgeben ihn in mehrfachen Reihen; halbversunkene Zinnen, auf
enen hier Md da ein Türkischer Soldat, das blitzende Gewehr im Arm, vor
^"em Schilderhanse lässig aus- und abgeht, krönen seine Höhe. Ein schlankes
wäret streckt hier seine schimmernde Spitze in die jagenden Wolken hinein, und
pudert Schritte davon schimmert das weiße Zinndach einer christlichen Kirche,
^ur einen Seite dieses Felsens, den hinan die stürmenden Heere bald des Kreuzes,
fil ^ Halbmondes, mit begeistertem Schlachtruf ihre Fahnen trugen, dehnen
) Gärten und Büsche am Ufer des Stromes hin, aus deren grünen Gruppen
er und da zerstreute Dächer hervorlngen, und schlanke Minarete ihre weißen


Die erste Schilderung betrifft die Ruinen von Neusatz, von da geht es nach
Carlowitz, Semlin und über die Donau nach Belgrad. Der erste Eindruck, den
diese Festung aus den Verfasser macht, ist sehr hübsch geschildert; wir theilen ihn
hier mit.

„Nach anderthalbstündiger Fahrt hatten wir den Fuß des Felsens ereicht,
aus dem Belgrad, die alte geschichtenreiche Beste, erbaut ist. Das Wasser hatte
hier eine solche Höhe erreicht, daß es längs der ganzen untersten Festungsmauer
durch die Schießscharten ins Innere der Werke drang, und an manchen Stellen
Wte wenig, daß es die Mauer selbst überströmte. Die Momzen richteten im
Kahne einen kleinen Mast auf, zogen einen Strick über dessen Spitze, und spran¬
gen ans Land, um die Festungsmauer zu erklimmen, und auf derselben hinlaufend
das Schiff um die Festung herumzuziehen. Hier und da stießen wir während
dieser Fahrt auf Gruppen von Türkischen Soldaten, welche in halbnackten Zu¬
stande mit der längst nothwendig gewordenen Reinigung ihrer Wäsche sich be¬
schäftigten, oder auf einem Steinhaufen sitzend rauchten. Vou Zwischenraum zu
Hwischcnranm gingen auf den Wällen einzelne Wachtposten vor halbverwitterteu
Schilderhäuser» auf und ab.

Der äußere Anblick der Festung ist nicht im Stande, einen günstigen Vor¬
begriff von deren innerem Zustande zu erwecken. Allenthalben sind die Mauern
von der Gewalt des Stromes unterwühlt, lückig, stellenweise versunken und zu¬
sammengebrochen, durchgehends morsch und verwahrlost. Die Wälle sind hier
von wucherndem Unkraut überwachsen, hier von Regengüssen abgespült, dort
überschüttet.

Einige Schritte von der Festung stromaufwärts ist der Landungsplatz für
dle herüber kommenden Schiffe. Ein serbischer Haiduk, im Anzüge von andern
Serbanern durch Nichts unterschieden, und blos an dem Stocke, den er trug, als
polizeiliche Autorität kenntlich, nahm uns die Legitimation ab, und wir befanden
uns auf fürstlich serbischen Boden.

, Der Eindruck, den der erste Anblick von Belgrad auf mich ausübte, bleibt
or ein unvergeßlicher, bedeutungsvoller. Zuerst sieht mau einen breiten, nicht
eben hohen Felsen, der aus den Fluthen emporsteigt. Braune Schauzmaueru und
gasige Wälle umgeben ihn in mehrfachen Reihen; halbversunkene Zinnen, auf
enen hier Md da ein Türkischer Soldat, das blitzende Gewehr im Arm, vor
^»em Schilderhanse lässig aus- und abgeht, krönen seine Höhe. Ein schlankes
wäret streckt hier seine schimmernde Spitze in die jagenden Wolken hinein, und
pudert Schritte davon schimmert das weiße Zinndach einer christlichen Kirche,
^ur einen Seite dieses Felsens, den hinan die stürmenden Heere bald des Kreuzes,
fil ^ Halbmondes, mit begeistertem Schlachtruf ihre Fahnen trugen, dehnen
) Gärten und Büsche am Ufer des Stromes hin, aus deren grünen Gruppen
er und da zerstreute Dächer hervorlngen, und schlanke Minarete ihre weißen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280564"/>
          <p xml:id="ID_1282"> Die erste Schilderung betrifft die Ruinen von Neusatz, von da geht es nach<lb/>
Carlowitz, Semlin und über die Donau nach Belgrad. Der erste Eindruck, den<lb/>
diese Festung aus den Verfasser macht, ist sehr hübsch geschildert; wir theilen ihn<lb/>
hier mit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1283"> &#x201E;Nach anderthalbstündiger Fahrt hatten wir den Fuß des Felsens ereicht,<lb/>
aus dem Belgrad, die alte geschichtenreiche Beste, erbaut ist. Das Wasser hatte<lb/>
hier eine solche Höhe erreicht, daß es längs der ganzen untersten Festungsmauer<lb/>
durch die Schießscharten ins Innere der Werke drang, und an manchen Stellen<lb/>
Wte wenig, daß es die Mauer selbst überströmte. Die Momzen richteten im<lb/>
Kahne einen kleinen Mast auf, zogen einen Strick über dessen Spitze, und spran¬<lb/>
gen ans Land, um die Festungsmauer zu erklimmen, und auf derselben hinlaufend<lb/>
das Schiff um die Festung herumzuziehen. Hier und da stießen wir während<lb/>
dieser Fahrt auf Gruppen von Türkischen Soldaten, welche in halbnackten Zu¬<lb/>
stande mit der längst nothwendig gewordenen Reinigung ihrer Wäsche sich be¬<lb/>
schäftigten, oder auf einem Steinhaufen sitzend rauchten. Vou Zwischenraum zu<lb/>
Hwischcnranm gingen auf den Wällen einzelne Wachtposten vor halbverwitterteu<lb/>
Schilderhäuser» auf und ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1284"> Der äußere Anblick der Festung ist nicht im Stande, einen günstigen Vor¬<lb/>
begriff von deren innerem Zustande zu erwecken. Allenthalben sind die Mauern<lb/>
von der Gewalt des Stromes unterwühlt, lückig, stellenweise versunken und zu¬<lb/>
sammengebrochen, durchgehends morsch und verwahrlost. Die Wälle sind hier<lb/>
von wucherndem Unkraut überwachsen, hier von Regengüssen abgespült, dort<lb/>
überschüttet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1285"> Einige Schritte von der Festung stromaufwärts ist der Landungsplatz für<lb/>
dle herüber kommenden Schiffe. Ein serbischer Haiduk, im Anzüge von andern<lb/>
Serbanern durch Nichts unterschieden, und blos an dem Stocke, den er trug, als<lb/>
polizeiliche Autorität kenntlich, nahm uns die Legitimation ab, und wir befanden<lb/>
uns auf fürstlich serbischen Boden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> , Der Eindruck, den der erste Anblick von Belgrad auf mich ausübte, bleibt<lb/>
or ein unvergeßlicher, bedeutungsvoller. Zuerst sieht mau einen breiten, nicht<lb/>
eben hohen Felsen, der aus den Fluthen emporsteigt. Braune Schauzmaueru und<lb/>
gasige Wälle umgeben ihn in mehrfachen Reihen; halbversunkene Zinnen, auf<lb/>
enen hier Md da ein Türkischer Soldat, das blitzende Gewehr im Arm, vor<lb/>
^»em Schilderhanse lässig aus- und abgeht, krönen seine Höhe.  Ein schlankes<lb/>
wäret streckt hier seine schimmernde Spitze in die jagenden Wolken hinein, und<lb/>
pudert Schritte davon schimmert das weiße Zinndach einer christlichen Kirche,<lb/>
^ur einen Seite dieses Felsens, den hinan die stürmenden Heere bald des Kreuzes,<lb/>
fil  ^ Halbmondes, mit begeistertem Schlachtruf ihre Fahnen trugen, dehnen<lb/>
) Gärten und Büsche am Ufer des Stromes hin, aus deren grünen Gruppen<lb/>
er und da zerstreute Dächer hervorlngen, und schlanke Minarete ihre weißen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] Die erste Schilderung betrifft die Ruinen von Neusatz, von da geht es nach Carlowitz, Semlin und über die Donau nach Belgrad. Der erste Eindruck, den diese Festung aus den Verfasser macht, ist sehr hübsch geschildert; wir theilen ihn hier mit. „Nach anderthalbstündiger Fahrt hatten wir den Fuß des Felsens ereicht, aus dem Belgrad, die alte geschichtenreiche Beste, erbaut ist. Das Wasser hatte hier eine solche Höhe erreicht, daß es längs der ganzen untersten Festungsmauer durch die Schießscharten ins Innere der Werke drang, und an manchen Stellen Wte wenig, daß es die Mauer selbst überströmte. Die Momzen richteten im Kahne einen kleinen Mast auf, zogen einen Strick über dessen Spitze, und spran¬ gen ans Land, um die Festungsmauer zu erklimmen, und auf derselben hinlaufend das Schiff um die Festung herumzuziehen. Hier und da stießen wir während dieser Fahrt auf Gruppen von Türkischen Soldaten, welche in halbnackten Zu¬ stande mit der längst nothwendig gewordenen Reinigung ihrer Wäsche sich be¬ schäftigten, oder auf einem Steinhaufen sitzend rauchten. Vou Zwischenraum zu Hwischcnranm gingen auf den Wällen einzelne Wachtposten vor halbverwitterteu Schilderhäuser» auf und ab. Der äußere Anblick der Festung ist nicht im Stande, einen günstigen Vor¬ begriff von deren innerem Zustande zu erwecken. Allenthalben sind die Mauern von der Gewalt des Stromes unterwühlt, lückig, stellenweise versunken und zu¬ sammengebrochen, durchgehends morsch und verwahrlost. Die Wälle sind hier von wucherndem Unkraut überwachsen, hier von Regengüssen abgespült, dort überschüttet. Einige Schritte von der Festung stromaufwärts ist der Landungsplatz für dle herüber kommenden Schiffe. Ein serbischer Haiduk, im Anzüge von andern Serbanern durch Nichts unterschieden, und blos an dem Stocke, den er trug, als polizeiliche Autorität kenntlich, nahm uns die Legitimation ab, und wir befanden uns auf fürstlich serbischen Boden. , Der Eindruck, den der erste Anblick von Belgrad auf mich ausübte, bleibt or ein unvergeßlicher, bedeutungsvoller. Zuerst sieht mau einen breiten, nicht eben hohen Felsen, der aus den Fluthen emporsteigt. Braune Schauzmaueru und gasige Wälle umgeben ihn in mehrfachen Reihen; halbversunkene Zinnen, auf enen hier Md da ein Türkischer Soldat, das blitzende Gewehr im Arm, vor ^»em Schilderhanse lässig aus- und abgeht, krönen seine Höhe. Ein schlankes wäret streckt hier seine schimmernde Spitze in die jagenden Wolken hinein, und pudert Schritte davon schimmert das weiße Zinndach einer christlichen Kirche, ^ur einen Seite dieses Felsens, den hinan die stürmenden Heere bald des Kreuzes, fil ^ Halbmondes, mit begeistertem Schlachtruf ihre Fahnen trugen, dehnen ) Gärten und Büsche am Ufer des Stromes hin, aus deren grünen Gruppen er und da zerstreute Dächer hervorlngen, und schlanke Minarete ihre weißen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/477>, abgerufen am 30.06.2024.