Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Kraft und Geschicklichkeit des Führers bedürfte es, sie zu zügeln, und am bestimm¬ Großes Behagen war unter den vielen Hochzeitögästen im Schulzenhanse Kreuzt'öden. IN. ^"
Kraft und Geschicklichkeit des Führers bedürfte es, sie zu zügeln, und am bestimm¬ Großes Behagen war unter den vielen Hochzeitögästen im Schulzenhanse Kreuzt'öden. IN. ^«
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280552"/> <p xml:id="ID_1248" prev="#ID_1247"> Kraft und Geschicklichkeit des Führers bedürfte es, sie zu zügeln, und am bestimm¬<lb/> ten Platz zum Halt zu bringen. Während Alles in die Kirche eilte, der Trau¬<lb/> ung beizuwohnen, blieb er einsam draußen bei seinem Gespann, und, den Kopf<lb/> am Sattelpferd gelehnt, rannen unaufhaltsam seine Thränen. Kaum hörbar<lb/> hatte Liesch vor dem Altar das Jawort ausgesprochen. Sie war uun die Gattin<lb/> des Pferdehändlers geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1249" next="#ID_1250"> Großes Behagen war unter den vielen Hochzeitögästen im Schulzenhanse<lb/> verbreitet. Wie schwanden bald die großen Schüsseln mit Neis in Milch, überall<lb/> tüchtig mit Rvstneu und Zucker und Kanneel durchmengt, wie rasch wurden die<lb/> fetten, so recht braun und krnstrig gebratenen Gänse zu so leeren Gerippen, daß<lb/> selbst die Katze sie liege» ließ, verwandelt, und eben so ging es dem großen ge¬<lb/> kochten Schinken. Ein Bierfaß nach dem andern wurde als leer geworden weg¬<lb/> gerollt und durch ein volles ersetzt, die großen grünen Bouteillen mit dem besten<lb/> Kümmel mußten oft von Frischem gefüllt werden. Jubel und Lust herrschten auf<lb/> der Diele. Vor der Hofthür standen in dichten Hansen die Dorfkinder groß und<lb/> klein, mit vollen Backen die Stuten und Spickaal dauert, welche immer wieder<lb/> von Neuem unter sie vertheilt wurden. Jeder Fremde, jeder fechtende Handwerks-<lb/> bursche konnte hereinkomme», und so viel von der beste» Speise essen und Bier<lb/> und Wein trinken, als er nur mochte. Bei der große» Hochzeit ist Jeder ein<lb/> Gast, der kommen will. In der Stube aber, wo das Brautpaar und die vor¬<lb/> nehmen Gäste saßen, ging es doppelt hoch her. Mit silbernen Löffeln und von<lb/> weißen Tellern wurde gegesse«, und jeder Gast hatte sein eigenes Weinglas vor<lb/> stehen. Die bestgebratene Gans, der fetteste Schinken, dazu große, schön<lb/> r»es gekochte Krebse und Kuchen aller Art, sie fanden nicht minder guten Ab-<lb/> Mlg, als auf der Diele. Einen Knopf nach dem andern lüftete der Pastor; des<lb/> Försters rothes Gesicht glänzte noch feuriger; mit volle» Backen arbeitete der<lb/> Küster, und auch der Bräutigam aß und trank wacker. Scherze und Anspielun-<lb/> gen, oft nicht von der feinsten Art, wurden mit lautem Gelächter belohnt. Da¬<lb/> zwischen schmetterte die Trompete, quiekte die Violine, ächzte die Flöte, brummte<lb/> der Baß des -i Mann starken Orchesters, das jetzt noch Tafel- und später Tanzmusik<lb/> 5« macheu hatte. Die allzu reichlichen Libationen, denen die Künstler gehuldigt<lb/> hatten, bewirkten^ daß Jeder, ohne sich gerade viel an den Andern zu kehre»,<lb/> seinen Takt für sich sortspielte, was aber uicht hinderte, daß Alle erklärten: „Die<lb/> Mnskanteu spähten wie dat Dunnerwedder." Die Tische wurden endlich abge¬<lb/> winnt, und die Diele in einen großen Tanzplatz verwandelt. So viel Stalllater¬<lb/> nen man nur im Dorfe auftreiben konnte, wurden an allen Ecken und Pfosten<lb/> verbreitet, um dem hohen, dunklen Raum die nöthige Helle zu geben. Im besten<lb/> Sonntagsputze erschienen alle Dirnen und Burschen des ganzen Dorfes, ja der<lb/> Umgegend, denn, freie Musik die ganze Nacht und so viel Bier und Branntwein<lb/> und Rosinenkuchen und Käse und Heringe, als Jeder haben wollte, ward heute</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Kreuzt'öden. IN. ^«</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
Kraft und Geschicklichkeit des Führers bedürfte es, sie zu zügeln, und am bestimm¬
ten Platz zum Halt zu bringen. Während Alles in die Kirche eilte, der Trau¬
ung beizuwohnen, blieb er einsam draußen bei seinem Gespann, und, den Kopf
am Sattelpferd gelehnt, rannen unaufhaltsam seine Thränen. Kaum hörbar
hatte Liesch vor dem Altar das Jawort ausgesprochen. Sie war uun die Gattin
des Pferdehändlers geworden.
Großes Behagen war unter den vielen Hochzeitögästen im Schulzenhanse
verbreitet. Wie schwanden bald die großen Schüsseln mit Neis in Milch, überall
tüchtig mit Rvstneu und Zucker und Kanneel durchmengt, wie rasch wurden die
fetten, so recht braun und krnstrig gebratenen Gänse zu so leeren Gerippen, daß
selbst die Katze sie liege» ließ, verwandelt, und eben so ging es dem großen ge¬
kochten Schinken. Ein Bierfaß nach dem andern wurde als leer geworden weg¬
gerollt und durch ein volles ersetzt, die großen grünen Bouteillen mit dem besten
Kümmel mußten oft von Frischem gefüllt werden. Jubel und Lust herrschten auf
der Diele. Vor der Hofthür standen in dichten Hansen die Dorfkinder groß und
klein, mit vollen Backen die Stuten und Spickaal dauert, welche immer wieder
von Neuem unter sie vertheilt wurden. Jeder Fremde, jeder fechtende Handwerks-
bursche konnte hereinkomme», und so viel von der beste» Speise essen und Bier
und Wein trinken, als er nur mochte. Bei der große» Hochzeit ist Jeder ein
Gast, der kommen will. In der Stube aber, wo das Brautpaar und die vor¬
nehmen Gäste saßen, ging es doppelt hoch her. Mit silbernen Löffeln und von
weißen Tellern wurde gegesse«, und jeder Gast hatte sein eigenes Weinglas vor
stehen. Die bestgebratene Gans, der fetteste Schinken, dazu große, schön
r»es gekochte Krebse und Kuchen aller Art, sie fanden nicht minder guten Ab-
Mlg, als auf der Diele. Einen Knopf nach dem andern lüftete der Pastor; des
Försters rothes Gesicht glänzte noch feuriger; mit volle» Backen arbeitete der
Küster, und auch der Bräutigam aß und trank wacker. Scherze und Anspielun-
gen, oft nicht von der feinsten Art, wurden mit lautem Gelächter belohnt. Da¬
zwischen schmetterte die Trompete, quiekte die Violine, ächzte die Flöte, brummte
der Baß des -i Mann starken Orchesters, das jetzt noch Tafel- und später Tanzmusik
5« macheu hatte. Die allzu reichlichen Libationen, denen die Künstler gehuldigt
hatten, bewirkten^ daß Jeder, ohne sich gerade viel an den Andern zu kehre»,
seinen Takt für sich sortspielte, was aber uicht hinderte, daß Alle erklärten: „Die
Mnskanteu spähten wie dat Dunnerwedder." Die Tische wurden endlich abge¬
winnt, und die Diele in einen großen Tanzplatz verwandelt. So viel Stalllater¬
nen man nur im Dorfe auftreiben konnte, wurden an allen Ecken und Pfosten
verbreitet, um dem hohen, dunklen Raum die nöthige Helle zu geben. Im besten
Sonntagsputze erschienen alle Dirnen und Burschen des ganzen Dorfes, ja der
Umgegend, denn, freie Musik die ganze Nacht und so viel Bier und Branntwein
und Rosinenkuchen und Käse und Heringe, als Jeder haben wollte, ward heute
Kreuzt'öden. IN. ^«
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |