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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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weiten, grünen Grotte glich. Große Tische und lange Bänke, aus dem ganzen
Dorfe zusammeugeliehcu, standen bereit. Noch sorgfältiger war mit Blumen und
Zweigen die eigentliche Wohnstube geschmückt, denn hier sollten die Ehrengäste,
der Herr Pastor mit Gattin, der Herr Förster mit Fran und Tochter, der Herr
Inspector vom nahen Edelhofe, das Brautpaar selbst, die Aeltern desselben, die
Schulzen der benachbarten Dörfer und einige städtische Verwandte des Rost-
kamms, tafeln. Gewaltige Feuer flammten ans dem Herde und die beiden Dicrus
und zwei zur Aushilfe genommene Kathenfrauen wußte" kaum, woran sie zuerst
Hand anlegen sollten, so viel gab es zu thun; dafür entstanden unter ihren
fleißigen Händen aber auch Gerichte so fett und lecker, daß Jedem beim bloßen
Anschauen das Wasser im Munde zusammenlief.

Gegen eilf Uhr versammelten sich im besten Sonntagsstaat alle Gäste; auch
der Bräutigam im blauen Tuchfrack mit große" blanken Messtngkuöpfeu, gelber
Cafimirwcstc, und großer, steifer, bunter Halsbinde, unter der die hohen Vater¬
mörder handbreit hervorsahen, war kurz vorher in Begleitung einiger Freunde
aus der Stadt, die als Brautführer dienten, erschienen. Die Braut wurde von
ihren "Kranzjunfern", die sie von ihre" besten Freundinnen gewählt hatte, aus
ihrer Kammer geholt, und Allen zur Schan gestellt. Bleich und abgezehrt durch
tiefen Gram, war das fröhliche Mädchen jetzt kaum noch zu erkennen. Mit
Bestimmtheit hatte sie erklärt, sich noch in ihrem Buerntüg (Banernzeug) trauen
zu lassen, und das Stadtzeug, das ihr der Bräutigam mitgebracht hatte, erst von
dem Augenblicke an, wo sie dessen Wohnung bezog, anzuziehen. Der dunkle
Anzug stand dem bleichen Mädchen gut, und einte sich passend zu ihren farblosen
Wangen. Ein schwarzer, kurzer, sehr faltiger Rock vou Wollenzeug, unten am
Saum mit drei Reihen breitem grünem Seitenhaut besetzt, und ein eben so far¬
biges Jäckchen über Brust und Nacken, mit einem seinen weißen Leinentnche be¬
deckt, waren die Hauptbestandtheile des Anzuges. Auf dem schönen blonden Haar
war die große, reich mit grünem Laubwerk und bunten Flittern verzierte Brant-
krone befestigt.

Wenn anch der Weg zur Kirche nicht sehr weit war, so wollte es doch
das Herkommen, daß derselbe von dem Brautpaar nicht zu Fuße zurückgelegt
werden durste. Die vier Braunen des "Schulter", wvhlgeputzt und am Kopf-
gcstell des Zaunes mit Blumen und Bändern verziert, standen schnaubend vor
dem grün angestrichenen Korbwagen, das Brautpaar und die Brautjungfern
und Brautführer zur Kirche zu bringen. Jochen war der Kutscher des Gespannes,
es war dies der letzte, der schwerste Dienst, den er im Lohn des Schulzen ver¬
richtete. Unbeweglich saß er auf seinem Sattelpferd, keinen Blick rückwärts
wandte er auf das eiusteigende Paar. Hochauf bäumten sich die jungen, wenige
Tage zuvor erst eingespannten Vorderpferde, als an der Kirchhoföthür die ganze
Jugend des Dorfes mit lautem Jubelschrei dew Wagen begrüßte, und der ganzen


weiten, grünen Grotte glich. Große Tische und lange Bänke, aus dem ganzen
Dorfe zusammeugeliehcu, standen bereit. Noch sorgfältiger war mit Blumen und
Zweigen die eigentliche Wohnstube geschmückt, denn hier sollten die Ehrengäste,
der Herr Pastor mit Gattin, der Herr Förster mit Fran und Tochter, der Herr
Inspector vom nahen Edelhofe, das Brautpaar selbst, die Aeltern desselben, die
Schulzen der benachbarten Dörfer und einige städtische Verwandte des Rost-
kamms, tafeln. Gewaltige Feuer flammten ans dem Herde und die beiden Dicrus
und zwei zur Aushilfe genommene Kathenfrauen wußte» kaum, woran sie zuerst
Hand anlegen sollten, so viel gab es zu thun; dafür entstanden unter ihren
fleißigen Händen aber auch Gerichte so fett und lecker, daß Jedem beim bloßen
Anschauen das Wasser im Munde zusammenlief.

Gegen eilf Uhr versammelten sich im besten Sonntagsstaat alle Gäste; auch
der Bräutigam im blauen Tuchfrack mit große» blanken Messtngkuöpfeu, gelber
Cafimirwcstc, und großer, steifer, bunter Halsbinde, unter der die hohen Vater¬
mörder handbreit hervorsahen, war kurz vorher in Begleitung einiger Freunde
aus der Stadt, die als Brautführer dienten, erschienen. Die Braut wurde von
ihren „Kranzjunfern", die sie von ihre» besten Freundinnen gewählt hatte, aus
ihrer Kammer geholt, und Allen zur Schan gestellt. Bleich und abgezehrt durch
tiefen Gram, war das fröhliche Mädchen jetzt kaum noch zu erkennen. Mit
Bestimmtheit hatte sie erklärt, sich noch in ihrem Buerntüg (Banernzeug) trauen
zu lassen, und das Stadtzeug, das ihr der Bräutigam mitgebracht hatte, erst von
dem Augenblicke an, wo sie dessen Wohnung bezog, anzuziehen. Der dunkle
Anzug stand dem bleichen Mädchen gut, und einte sich passend zu ihren farblosen
Wangen. Ein schwarzer, kurzer, sehr faltiger Rock vou Wollenzeug, unten am
Saum mit drei Reihen breitem grünem Seitenhaut besetzt, und ein eben so far¬
biges Jäckchen über Brust und Nacken, mit einem seinen weißen Leinentnche be¬
deckt, waren die Hauptbestandtheile des Anzuges. Auf dem schönen blonden Haar
war die große, reich mit grünem Laubwerk und bunten Flittern verzierte Brant-
krone befestigt.

Wenn anch der Weg zur Kirche nicht sehr weit war, so wollte es doch
das Herkommen, daß derselbe von dem Brautpaar nicht zu Fuße zurückgelegt
werden durste. Die vier Braunen des „Schulter", wvhlgeputzt und am Kopf-
gcstell des Zaunes mit Blumen und Bändern verziert, standen schnaubend vor
dem grün angestrichenen Korbwagen, das Brautpaar und die Brautjungfern
und Brautführer zur Kirche zu bringen. Jochen war der Kutscher des Gespannes,
es war dies der letzte, der schwerste Dienst, den er im Lohn des Schulzen ver¬
richtete. Unbeweglich saß er auf seinem Sattelpferd, keinen Blick rückwärts
wandte er auf das eiusteigende Paar. Hochauf bäumten sich die jungen, wenige
Tage zuvor erst eingespannten Vorderpferde, als an der Kirchhoföthür die ganze
Jugend des Dorfes mit lautem Jubelschrei dew Wagen begrüßte, und der ganzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/464>, abgerufen am 04.07.2024.