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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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er sah so trübselig aus, daß es Alle dauerte. Aber mehr noch welkte die arme
Braut hin; von ihren Backen war die rothe frische Farbe verschwunden, ihre
sonst so klaren Angen waren vou Thränen getrübt, so daß selbst der Bräutigam,
der jetzt häufiger kam, darüber besorgt wurde. Doch er meinte, nach der Hoch¬
zeit würde sich dies wol wieder geben, und das .vornehme Leben in der Stadt
Liesch sehr gut gefallen. Im Dorfe fanden es Alle natürlich, daß der Schulz
seine Tochter lieber dem reichen Roßkamm, als dem armen Jochen gäbe, und
konnten nicht begreifen, warum denn Liesch so sehr sich darüber gräme, da sie doch
ihr gutes Auskommen haben würde. Nur einige junge Mädchen meinten, "sie
mochten lieber den glaren Jochen, als den oller Roßkamm frien." Mit Jochen
hatte Liesch seit ihrer Verlobung nie wieder allein gesprochen, es war, als schämte
sie sich vor ihm, daß sie ihm so tiefen Kummer bereite.

So verging die Ernte und der Herbst; am nächsten Donnerstag war die
Hochzeit bestimmt, und am Tage darauf konnte, auch Jochen seineu Dienst beim
Schulzen verlassen.

Das war eine Hochzeit, so eine große hatten die Leute im Dorfe lange nicht
mehr gehabt, und noch nach Jahren werden sie davon sprechen. Der "Hoch-
tiedbidder" auf dem besten Pferde des Schulzen, das, am ganzen Leibe, selbst am
Schwänze, mit bunten Bändern und Rauschgold ausgeputzt war, konnte sich fast
müde reiten, so viel Bauern ans dem Amte hatte er einzuladen. Wenn er so
"för Sprung" auf die Diele des Hauses angejagt kam, und Alles an ihm glitzte
"ut blitzte, und die vielen bunten Bänder an Jacke, Hut und Pferdeschwanz her-
umflatterten, was machten die Leute da für Augen. Zuletzt komtte er kaum mehr
sprechen, so heiser war er von dem vielen Aussagen seines Einladcspruches und
bem Schnapstrinker, denn ohne ein Paar Gläser Kümmel im Sattel geleert zu
haben, durfte er das Haus uicht verlasse". Aber uur die Baueruhauswirthe la¬
dete er ein, zu deu Bndnern und Kathcnlenten zu reiten, war uicht Brauch.
Wen" diese überhaupt am Abend zum Tanze kamen, so geschal) dies ohne be¬
sondere Einladung. Und was hatte der "Schule" nicht Alles eingekauft, wie tief
hatte er zu Ehren des Tages in deu Geldbeutel gegriffen. Staunend wurde von
allen Dorfbewohnern erzählt, die "Schultenfrn" habe dem (zehn) Punt Rosinen,
viertig Punt vom besten Ries, dortig (dreißig) Punt Kaffee, acht Hot Zucker,
eenen grvreu Bündel vull Kanneel, Krinthen, un twintig Buttel Wien vom
Koopmann kost; und beim Bäcker sür tosis Taler Stuten und Köter (Kuchen)
bestellt, un acht Tounncn van haften Beir un twee Anker Brounewien, un wat
dat noch all wast weir. Dann eeinen tosis Göese und eben so vahl Hvhner
Wacht, und grore Schinken und so vahl Mettwurst vom Wiener nahmen und
^to (dazu) noch so vahl Nindfleesch ut dee Stadt.

Die große Diele des Schultenhauses war sorgfältig gereinigt, und ganz mit
deinen Birken und Tannenbäumen an den Wänden besteckt, so daß sie einer


er sah so trübselig aus, daß es Alle dauerte. Aber mehr noch welkte die arme
Braut hin; von ihren Backen war die rothe frische Farbe verschwunden, ihre
sonst so klaren Angen waren vou Thränen getrübt, so daß selbst der Bräutigam,
der jetzt häufiger kam, darüber besorgt wurde. Doch er meinte, nach der Hoch¬
zeit würde sich dies wol wieder geben, und das .vornehme Leben in der Stadt
Liesch sehr gut gefallen. Im Dorfe fanden es Alle natürlich, daß der Schulz
seine Tochter lieber dem reichen Roßkamm, als dem armen Jochen gäbe, und
konnten nicht begreifen, warum denn Liesch so sehr sich darüber gräme, da sie doch
ihr gutes Auskommen haben würde. Nur einige junge Mädchen meinten, „sie
mochten lieber den glaren Jochen, als den oller Roßkamm frien." Mit Jochen
hatte Liesch seit ihrer Verlobung nie wieder allein gesprochen, es war, als schämte
sie sich vor ihm, daß sie ihm so tiefen Kummer bereite.

So verging die Ernte und der Herbst; am nächsten Donnerstag war die
Hochzeit bestimmt, und am Tage darauf konnte, auch Jochen seineu Dienst beim
Schulzen verlassen.

Das war eine Hochzeit, so eine große hatten die Leute im Dorfe lange nicht
mehr gehabt, und noch nach Jahren werden sie davon sprechen. Der „Hoch-
tiedbidder" auf dem besten Pferde des Schulzen, das, am ganzen Leibe, selbst am
Schwänze, mit bunten Bändern und Rauschgold ausgeputzt war, konnte sich fast
müde reiten, so viel Bauern ans dem Amte hatte er einzuladen. Wenn er so
"för Sprung" auf die Diele des Hauses angejagt kam, und Alles an ihm glitzte
"ut blitzte, und die vielen bunten Bänder an Jacke, Hut und Pferdeschwanz her-
umflatterten, was machten die Leute da für Augen. Zuletzt komtte er kaum mehr
sprechen, so heiser war er von dem vielen Aussagen seines Einladcspruches und
bem Schnapstrinker, denn ohne ein Paar Gläser Kümmel im Sattel geleert zu
haben, durfte er das Haus uicht verlasse». Aber uur die Baueruhauswirthe la¬
dete er ein, zu deu Bndnern und Kathcnlenten zu reiten, war uicht Brauch.
Wen» diese überhaupt am Abend zum Tanze kamen, so geschal) dies ohne be¬
sondere Einladung. Und was hatte der „Schule" nicht Alles eingekauft, wie tief
hatte er zu Ehren des Tages in deu Geldbeutel gegriffen. Staunend wurde von
allen Dorfbewohnern erzählt, die „Schultenfrn" habe dem (zehn) Punt Rosinen,
viertig Punt vom besten Ries, dortig (dreißig) Punt Kaffee, acht Hot Zucker,
eenen grvreu Bündel vull Kanneel, Krinthen, un twintig Buttel Wien vom
Koopmann kost; und beim Bäcker sür tosis Taler Stuten und Köter (Kuchen)
bestellt, un acht Tounncn van haften Beir un twee Anker Brounewien, un wat
dat noch all wast weir. Dann eeinen tosis Göese und eben so vahl Hvhner
Wacht, und grore Schinken und so vahl Mettwurst vom Wiener nahmen und
^to (dazu) noch so vahl Nindfleesch ut dee Stadt.

Die große Diele des Schultenhauses war sorgfältig gereinigt, und ganz mit
deinen Birken und Tannenbäumen an den Wänden besteckt, so daß sie einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/463>, abgerufen am 04.07.2024.