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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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"Sag twvlfhnnnert."

"Nee, dusend Daler im een riecke Athener."

"Na, dat gelt," (es gilt). Ein Handschlag besiegelte den Bund, und gleich
einem Stück Vieh war Liesch an den Roßkamm Meyer zur Frau verkauft. '

Die "Schnltenmnddcr", die froh war, daß ihre Stieftochter fortging, ward
nun dazu gerufen, und in ihrer Gegenwart das Nähere über die Ausstattung,
und wenn die Hochzeit sein sollte, verhandelt. Da der Bräutigam noch am
Abend zu Hause sein mußte, weil er einen fremden Händler erwartete, Liesch aber
weit auf's Feld gegangen war, so unternahm es der Vater, sie in Kenntniß zu
setzen. Vergnügt bestieg der Pferdehändler seinen Gelben, und, den jungen Hengst
am Zügel, der wiehernd zuletzt noch seiue Geburtsstätte und den Mist, auf dem er
als Füllen so oft zu Jochens Freude lustig herumgesprungen war, begrüßte,
trabte er zum Dorfe hinaus

Als der "Schule" am Abend Liesch von der Bewerbung und seiner Ein¬
willigung in Kenntniß setzte, da wurde das Mädchen so weiß wie die Wand, und
ein Thränenstrom entstürzte ihren Augen. "Vader dat kann see mie nich an-
dohn, den Roßkamm kann, ick nich frien, ih teco ja den Jochen;" schluchzte die
Unglückliche. Aber vergebens war ihr Flehen, der Alte blieb ungerührt.

"Hüür (höre) mit dat Stoahren (Weinen) up, Du fast den Roßkamm frie",
ick will dat hebben."

"Vader, ick kann nich, dat breckt mie dat Herd, wann ick von den Jochen
laden soll."

"Wat hart dummes Tuch (Zeug), der Roßkamm is een riecker Kierl, um dem
Jochen hier Mutter is in Armenhuuse, so'n Dochtermanu will ick nich,
wenn Du vom Jochen noch wedder schnackst, so hau ick Die so vahl mit den
Pictschenstähl, dat Du nich krücheu kannst." Und damit ging der zornige Schule fort.

Vergebens ging Jochen am Abend, als er die Schreckensnachricht erfahren
hatte, noch zum Schulzen; hoffnungslos mußte er davon schleichen. Selbst seine
spätere Bitte, ihn doch wenigstens gleich aus dem Dienst zu entlassen, da er Liesch
nicht so leiden sehen könne, ward verweigert, da der Schule nicht gleich zur
Ernte einen tüchtigen Knecht wieder bekommen konnte. So mußte er bis Gallen
bleiben, und die Geliebte täglich sehen, die doch für immer für ihn verloren war.
Eine düstere Schwermut!) hatte sich des armen Burschen bemächtigt, finster,
schweigend that er alle seine Arbeiten, und saß in den müßigen Stunden entweder
bei seinen Pferden im Stall, oder schweifte allein im Felde umher. Beim Mähen,
wo ihm diesmal eine andere Binderin folgte, -- denn Liesch ward von allen Feld-
arbeiten befreit, und mußte den ganzen Tag in der Kammer sitzen, und nnter Thränen
an der Aussteuer nähen, -- war er gar nicht wieder zu erkenne", und alle Leute im
ganzen Dorfe sagte": "Schulter Liesch hat et den Jochen angethan." Er harte
wol noch kräftig drauf los, aber von Lachen und Scherzen war keine Spur, und


„Sag twvlfhnnnert."

„Nee, dusend Daler im een riecke Athener."

„Na, dat gelt," (es gilt). Ein Handschlag besiegelte den Bund, und gleich
einem Stück Vieh war Liesch an den Roßkamm Meyer zur Frau verkauft. '

Die „Schnltenmnddcr", die froh war, daß ihre Stieftochter fortging, ward
nun dazu gerufen, und in ihrer Gegenwart das Nähere über die Ausstattung,
und wenn die Hochzeit sein sollte, verhandelt. Da der Bräutigam noch am
Abend zu Hause sein mußte, weil er einen fremden Händler erwartete, Liesch aber
weit auf's Feld gegangen war, so unternahm es der Vater, sie in Kenntniß zu
setzen. Vergnügt bestieg der Pferdehändler seinen Gelben, und, den jungen Hengst
am Zügel, der wiehernd zuletzt noch seiue Geburtsstätte und den Mist, auf dem er
als Füllen so oft zu Jochens Freude lustig herumgesprungen war, begrüßte,
trabte er zum Dorfe hinaus

Als der „Schule" am Abend Liesch von der Bewerbung und seiner Ein¬
willigung in Kenntniß setzte, da wurde das Mädchen so weiß wie die Wand, und
ein Thränenstrom entstürzte ihren Augen. „Vader dat kann see mie nich an-
dohn, den Roßkamm kann, ick nich frien, ih teco ja den Jochen;" schluchzte die
Unglückliche. Aber vergebens war ihr Flehen, der Alte blieb ungerührt.

„Hüür (höre) mit dat Stoahren (Weinen) up, Du fast den Roßkamm frie",
ick will dat hebben."

„Vader, ick kann nich, dat breckt mie dat Herd, wann ick von den Jochen
laden soll."

„Wat hart dummes Tuch (Zeug), der Roßkamm is een riecker Kierl, um dem
Jochen hier Mutter is in Armenhuuse, so'n Dochtermanu will ick nich,
wenn Du vom Jochen noch wedder schnackst, so hau ick Die so vahl mit den
Pictschenstähl, dat Du nich krücheu kannst." Und damit ging der zornige Schule fort.

Vergebens ging Jochen am Abend, als er die Schreckensnachricht erfahren
hatte, noch zum Schulzen; hoffnungslos mußte er davon schleichen. Selbst seine
spätere Bitte, ihn doch wenigstens gleich aus dem Dienst zu entlassen, da er Liesch
nicht so leiden sehen könne, ward verweigert, da der Schule nicht gleich zur
Ernte einen tüchtigen Knecht wieder bekommen konnte. So mußte er bis Gallen
bleiben, und die Geliebte täglich sehen, die doch für immer für ihn verloren war.
Eine düstere Schwermut!) hatte sich des armen Burschen bemächtigt, finster,
schweigend that er alle seine Arbeiten, und saß in den müßigen Stunden entweder
bei seinen Pferden im Stall, oder schweifte allein im Felde umher. Beim Mähen,
wo ihm diesmal eine andere Binderin folgte, — denn Liesch ward von allen Feld-
arbeiten befreit, und mußte den ganzen Tag in der Kammer sitzen, und nnter Thränen
an der Aussteuer nähen, — war er gar nicht wieder zu erkenne», und alle Leute im
ganzen Dorfe sagte«: „Schulter Liesch hat et den Jochen angethan." Er harte
wol noch kräftig drauf los, aber von Lachen und Scherzen war keine Spur, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/462>, abgerufen am 04.07.2024.