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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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"Sind wir noch in der Romagna?" fragte auf einer Station Mr. Black --
"fast dünkt mir, wir reisen schon in Oestreich, beim Anblick der vielen kaiser¬
lichen Soldaten und des Oestreichischen Silbergeldes, das hier überall im Ver¬
kehr ist." -- "Das ist ein falscher Schluß", antwortete ich -- "Oestreich ist gegen¬
wärtig nicht die Heimat!) der Zwanziger!"




Die neue Capelle im königlichen Schlosse zu Berlin.

Von der Zinne des königlichen Schlosses zu Berlin, in der Mitte seines
gegen Westen belegenen Flügels, strebt seit einigen Jahren ein mächtiger Kuppelbau
zum Himmel, und giebt dem stolzen Schmuck des "ach der Schloßfreiheit sich öffnen¬
den Hauptportals, sowie der ganzen dazu gehörender Fanade, ein prachtvolleres An¬
sehen. Man erkennt in dieser heutigen Ausführung eines ältern Planes zu-r
architektonischen Vollendung des Schlosses den prachtliebenden Sinn eines der
Kunst ergebenen und kirchlich frommen Fürsten.

Der Grundriß des Schlosses rührt bekanntlich von dem berühmten Schlüter
her, und die Fa<;abe nach dem Schloßplatze wurde auch ganz von ihm gebaut.
Höfische Intriguen verdrängten ihn jedoch bereits im Jahre 170V, und König
Friedrich der Erste übertrug die fernere Leitung des Schloßbaues dem General
Eosander v. Goethe, Schlüter's langjährigem Nebenbuhler; der schlichte Künstler
mußte dem Aristokraten weichen. Dieser baute einen Theil des nach dem Lust¬
garten zu belegenen Flügels und die Fa^abe nach der Schloßfreiheit mit dem
Hauptportal, über welchem gegenwärtig die Kuppel der Schloßcapelle sich erhebt.

Das Eosauder'sche Portal ist, unter bedeutender Erhöhung aller Verhältnisse,
eine Nachahmung des Triumphbogens des Septimius Severus zu Rom. In
seiner Mitte befindet sich' ein hoher, zu jeder Seite ein etwa um die Hälfte nie¬
drigerer Eingang, alle drei von Halbkreisbögen überwölbt. Vier freistehende
Römische Säulen steigen von hohen Säulenstühlen zu Seiten der Portalöffnungen
empor. Ueber ihrem vcrkröpstem Gebälk, jedoch in zurücktretender Fa^abe, erhebt
steh bis zur Dachhöhe des Schlosses eine Attika, die nicht von den Säulen, son¬
dern von der hinter diesen stehenden Mauermasse getragen wird. Die Säulen
entsprechen an dem Eosander'schen Bau nicht ihrer antiken Bestimmung, sie
send kein architektonisches, sondern ein rein äußerliches, deeoratives Element, und
hierdurch unterscheidet sich dieses Portal wesentlich von den stylvvllcren, einander
völlig gleichen Renaissance-Portalen Schlüter's am Schloßplatze. Letztere haben
ebenfalls drei Eingänge, die aber nicht über das Erdgeschoß Hinansreichen, oben
durch einen flachen Balken abgeschlossen und rustik verziert send, wie das ganze
Erdgeschoß. Ueber ihnen ist ein Balcon angebracht, von dessen Fußboden vier


„Sind wir noch in der Romagna?" fragte auf einer Station Mr. Black —
„fast dünkt mir, wir reisen schon in Oestreich, beim Anblick der vielen kaiser¬
lichen Soldaten und des Oestreichischen Silbergeldes, das hier überall im Ver¬
kehr ist." — „Das ist ein falscher Schluß", antwortete ich — „Oestreich ist gegen¬
wärtig nicht die Heimat!) der Zwanziger!"




Die neue Capelle im königlichen Schlosse zu Berlin.

Von der Zinne des königlichen Schlosses zu Berlin, in der Mitte seines
gegen Westen belegenen Flügels, strebt seit einigen Jahren ein mächtiger Kuppelbau
zum Himmel, und giebt dem stolzen Schmuck des «ach der Schloßfreiheit sich öffnen¬
den Hauptportals, sowie der ganzen dazu gehörender Fanade, ein prachtvolleres An¬
sehen. Man erkennt in dieser heutigen Ausführung eines ältern Planes zu-r
architektonischen Vollendung des Schlosses den prachtliebenden Sinn eines der
Kunst ergebenen und kirchlich frommen Fürsten.

Der Grundriß des Schlosses rührt bekanntlich von dem berühmten Schlüter
her, und die Fa<;abe nach dem Schloßplatze wurde auch ganz von ihm gebaut.
Höfische Intriguen verdrängten ihn jedoch bereits im Jahre 170V, und König
Friedrich der Erste übertrug die fernere Leitung des Schloßbaues dem General
Eosander v. Goethe, Schlüter's langjährigem Nebenbuhler; der schlichte Künstler
mußte dem Aristokraten weichen. Dieser baute einen Theil des nach dem Lust¬
garten zu belegenen Flügels und die Fa^abe nach der Schloßfreiheit mit dem
Hauptportal, über welchem gegenwärtig die Kuppel der Schloßcapelle sich erhebt.

Das Eosauder'sche Portal ist, unter bedeutender Erhöhung aller Verhältnisse,
eine Nachahmung des Triumphbogens des Septimius Severus zu Rom. In
seiner Mitte befindet sich' ein hoher, zu jeder Seite ein etwa um die Hälfte nie¬
drigerer Eingang, alle drei von Halbkreisbögen überwölbt. Vier freistehende
Römische Säulen steigen von hohen Säulenstühlen zu Seiten der Portalöffnungen
empor. Ueber ihrem vcrkröpstem Gebälk, jedoch in zurücktretender Fa^abe, erhebt
steh bis zur Dachhöhe des Schlosses eine Attika, die nicht von den Säulen, son¬
dern von der hinter diesen stehenden Mauermasse getragen wird. Die Säulen
entsprechen an dem Eosander'schen Bau nicht ihrer antiken Bestimmung, sie
send kein architektonisches, sondern ein rein äußerliches, deeoratives Element, und
hierdurch unterscheidet sich dieses Portal wesentlich von den stylvvllcren, einander
völlig gleichen Renaissance-Portalen Schlüter's am Schloßplatze. Letztere haben
ebenfalls drei Eingänge, die aber nicht über das Erdgeschoß Hinansreichen, oben
durch einen flachen Balken abgeschlossen und rustik verziert send, wie das ganze
Erdgeschoß. Ueber ihnen ist ein Balcon angebracht, von dessen Fußboden vier


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[0389] „Sind wir noch in der Romagna?" fragte auf einer Station Mr. Black — „fast dünkt mir, wir reisen schon in Oestreich, beim Anblick der vielen kaiser¬ lichen Soldaten und des Oestreichischen Silbergeldes, das hier überall im Ver¬ kehr ist." — „Das ist ein falscher Schluß", antwortete ich — „Oestreich ist gegen¬ wärtig nicht die Heimat!) der Zwanziger!" Die neue Capelle im königlichen Schlosse zu Berlin. Von der Zinne des königlichen Schlosses zu Berlin, in der Mitte seines gegen Westen belegenen Flügels, strebt seit einigen Jahren ein mächtiger Kuppelbau zum Himmel, und giebt dem stolzen Schmuck des «ach der Schloßfreiheit sich öffnen¬ den Hauptportals, sowie der ganzen dazu gehörender Fanade, ein prachtvolleres An¬ sehen. Man erkennt in dieser heutigen Ausführung eines ältern Planes zu-r architektonischen Vollendung des Schlosses den prachtliebenden Sinn eines der Kunst ergebenen und kirchlich frommen Fürsten. Der Grundriß des Schlosses rührt bekanntlich von dem berühmten Schlüter her, und die Fa<;abe nach dem Schloßplatze wurde auch ganz von ihm gebaut. Höfische Intriguen verdrängten ihn jedoch bereits im Jahre 170V, und König Friedrich der Erste übertrug die fernere Leitung des Schloßbaues dem General Eosander v. Goethe, Schlüter's langjährigem Nebenbuhler; der schlichte Künstler mußte dem Aristokraten weichen. Dieser baute einen Theil des nach dem Lust¬ garten zu belegenen Flügels und die Fa^abe nach der Schloßfreiheit mit dem Hauptportal, über welchem gegenwärtig die Kuppel der Schloßcapelle sich erhebt. Das Eosauder'sche Portal ist, unter bedeutender Erhöhung aller Verhältnisse, eine Nachahmung des Triumphbogens des Septimius Severus zu Rom. In seiner Mitte befindet sich' ein hoher, zu jeder Seite ein etwa um die Hälfte nie¬ drigerer Eingang, alle drei von Halbkreisbögen überwölbt. Vier freistehende Römische Säulen steigen von hohen Säulenstühlen zu Seiten der Portalöffnungen empor. Ueber ihrem vcrkröpstem Gebälk, jedoch in zurücktretender Fa^abe, erhebt steh bis zur Dachhöhe des Schlosses eine Attika, die nicht von den Säulen, son¬ dern von der hinter diesen stehenden Mauermasse getragen wird. Die Säulen entsprechen an dem Eosander'schen Bau nicht ihrer antiken Bestimmung, sie send kein architektonisches, sondern ein rein äußerliches, deeoratives Element, und hierdurch unterscheidet sich dieses Portal wesentlich von den stylvvllcren, einander völlig gleichen Renaissance-Portalen Schlüter's am Schloßplatze. Letztere haben ebenfalls drei Eingänge, die aber nicht über das Erdgeschoß Hinansreichen, oben durch einen flachen Balken abgeschlossen und rustik verziert send, wie das ganze Erdgeschoß. Ueber ihnen ist ein Balcon angebracht, von dessen Fußboden vier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/389>, abgerufen am 04.07.2024.