Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bevollmächtigten wieder anfragen zu lassen. Ich rechne gar nicht mehr ans die
Zurückgabe, und finde mich vielmehr geschmeichelt, daß zwei Brochüren aus mei¬
nen profanen Fingern in die Hände Sr. Heiligkeit und die Geheimbibliothek des
Vaticans gewandert sind."

Auf der Straße von Tolentino nach Macerata begegneten wir dem Eil¬
wagen ans Ancona auf seiner Reise nach Rom, dessen Condnctenr uns mit Herz¬
klopfen und blntspuriger Nase von dem Raubanfall erzählte, den er in der vorher¬
gegangenen Nacht in der Nähe von Se. Loretto auszustehen hatte. Die armen
Reisenden mußten nicht nur ihre sämmtlichen Baarschaften den Räubern einhän¬
digen, sondern erhielten uoch überdies eine tüchtige Tracht Prügel, welche in
den Gesichtern und Geberden der Gesellschaft die unverkennbarsten Spuren zurück¬
gelassen. Wir hatte" also die günstigste Aussicht anf ein höchst romantisches
Abenteuer vor uns! Die einzige Hoffnung unsres nicht minder besorgten Con-
ducteurs war, in der nächstell Poststation gerichtlichen Schutz anzusprechen, und
wir verfügten uns daher gleich nach unsrer Ankunft zum Postmeister und mit
Diesem zum Chef der Gendarmerie. Aber anstatt aller Hilfe erhielten wir die
Antwort, daß sich nur zwei berittene Gendarmen in der Stadt befänden, und
daher von einer Escorte gar keine Rede sein könne!! --- Mr. Black war schon ganz
trostlos, als ich erfuhr, daß das Städtchen Oestreichische Besatzung habe. Ich
begab mich sogleich zum Commandanten, und erhielt auf mein Allsuchen mit der
herzlichsten, echt Oestreichischen Zuvorkommenheit eine Begleitung vou einigen
Jnfanteristen, die sich, Jeder mit "0 Patronen bespickt, zu uns in den Wagen
postirten. Gegen Mitternacht kamen wir nach dem gefürchteten Loretto, dem be¬
rühmten Wallfahrtsort, wo einst Ferdinand l>, vor dem Bildnisse der heiligen
Jungfrau das feierliche Gelübde der Ketzerbekämpfnng ablegte, zu welcher ihn
der Segen Clemens V> > >. noch mehr befeuerte. -- Kaum hatte unser Wagen vor
dem Posthause angehalten, als sich trotz der späten Nachtstunde mehrere gegen¬
überliegende Kaufladen öffneten, und statt den umsonst erwarteten Räubern kamen
uns alte Weibsgestalteu entgegen, welche Rosenkränze und Marienbildlein zum
Verkaufe anboten. Hier verkauft man alle Sorten Heiligen. -- In Ancona ver¬
ließ uns am nächsten Morgen unsre Oestreichische Sauvegarde ---- obschon die
Gefahr noch nicht ganz vorüber war, indem gerade zu- jener Zeit Passadore rü
Forli und Jmola sein berühmtes Unwesen trieb. -- Schon aus der ganzen Reise
war es mir eine auffallende Erscheinung, in vielen Städten, die wir passirten,
die Worte: "Vivg, ?W Ma> >" fast an jedem Hause zu lesen,' und ich hielt es
für einen untrüglichen Beweis der großen Shmpathien dieser Bewohner für de"
heiligen Bater. Als wir aber jetzt durch Faenza fuhren, sah ich den Namen
der Grisi in gleicher Weise auf alle Mauern geschrieben. Es scheint daher in
der Romagna die eigenthümliche Sitte zu herrschen, den Namen jedes gefeierten
Durchziehenden, ob Papst oder Tänzerin, all die Wand zu malen.


Bevollmächtigten wieder anfragen zu lassen. Ich rechne gar nicht mehr ans die
Zurückgabe, und finde mich vielmehr geschmeichelt, daß zwei Brochüren aus mei¬
nen profanen Fingern in die Hände Sr. Heiligkeit und die Geheimbibliothek des
Vaticans gewandert sind."

Auf der Straße von Tolentino nach Macerata begegneten wir dem Eil¬
wagen ans Ancona auf seiner Reise nach Rom, dessen Condnctenr uns mit Herz¬
klopfen und blntspuriger Nase von dem Raubanfall erzählte, den er in der vorher¬
gegangenen Nacht in der Nähe von Se. Loretto auszustehen hatte. Die armen
Reisenden mußten nicht nur ihre sämmtlichen Baarschaften den Räubern einhän¬
digen, sondern erhielten uoch überdies eine tüchtige Tracht Prügel, welche in
den Gesichtern und Geberden der Gesellschaft die unverkennbarsten Spuren zurück¬
gelassen. Wir hatte» also die günstigste Aussicht anf ein höchst romantisches
Abenteuer vor uns! Die einzige Hoffnung unsres nicht minder besorgten Con-
ducteurs war, in der nächstell Poststation gerichtlichen Schutz anzusprechen, und
wir verfügten uns daher gleich nach unsrer Ankunft zum Postmeister und mit
Diesem zum Chef der Gendarmerie. Aber anstatt aller Hilfe erhielten wir die
Antwort, daß sich nur zwei berittene Gendarmen in der Stadt befänden, und
daher von einer Escorte gar keine Rede sein könne!! —- Mr. Black war schon ganz
trostlos, als ich erfuhr, daß das Städtchen Oestreichische Besatzung habe. Ich
begab mich sogleich zum Commandanten, und erhielt auf mein Allsuchen mit der
herzlichsten, echt Oestreichischen Zuvorkommenheit eine Begleitung vou einigen
Jnfanteristen, die sich, Jeder mit «0 Patronen bespickt, zu uns in den Wagen
postirten. Gegen Mitternacht kamen wir nach dem gefürchteten Loretto, dem be¬
rühmten Wallfahrtsort, wo einst Ferdinand l>, vor dem Bildnisse der heiligen
Jungfrau das feierliche Gelübde der Ketzerbekämpfnng ablegte, zu welcher ihn
der Segen Clemens V> > >. noch mehr befeuerte. — Kaum hatte unser Wagen vor
dem Posthause angehalten, als sich trotz der späten Nachtstunde mehrere gegen¬
überliegende Kaufladen öffneten, und statt den umsonst erwarteten Räubern kamen
uns alte Weibsgestalteu entgegen, welche Rosenkränze und Marienbildlein zum
Verkaufe anboten. Hier verkauft man alle Sorten Heiligen. — In Ancona ver¬
ließ uns am nächsten Morgen unsre Oestreichische Sauvegarde ---- obschon die
Gefahr noch nicht ganz vorüber war, indem gerade zu- jener Zeit Passadore rü
Forli und Jmola sein berühmtes Unwesen trieb. — Schon aus der ganzen Reise
war es mir eine auffallende Erscheinung, in vielen Städten, die wir passirten,
die Worte: „Vivg, ?W Ma> >" fast an jedem Hause zu lesen,' und ich hielt es
für einen untrüglichen Beweis der großen Shmpathien dieser Bewohner für de»
heiligen Bater. Als wir aber jetzt durch Faenza fuhren, sah ich den Namen
der Grisi in gleicher Weise auf alle Mauern geschrieben. Es scheint daher in
der Romagna die eigenthümliche Sitte zu herrschen, den Namen jedes gefeierten
Durchziehenden, ob Papst oder Tänzerin, all die Wand zu malen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280475"/>
          <p xml:id="ID_1023" prev="#ID_1022"> Bevollmächtigten wieder anfragen zu lassen. Ich rechne gar nicht mehr ans die<lb/>
Zurückgabe, und finde mich vielmehr geschmeichelt, daß zwei Brochüren aus mei¬<lb/>
nen profanen Fingern in die Hände Sr. Heiligkeit und die Geheimbibliothek des<lb/>
Vaticans gewandert sind."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1024"> Auf der Straße von Tolentino nach Macerata begegneten wir dem Eil¬<lb/>
wagen ans Ancona auf seiner Reise nach Rom, dessen Condnctenr uns mit Herz¬<lb/>
klopfen und blntspuriger Nase von dem Raubanfall erzählte, den er in der vorher¬<lb/>
gegangenen Nacht in der Nähe von Se. Loretto auszustehen hatte. Die armen<lb/>
Reisenden mußten nicht nur ihre sämmtlichen Baarschaften den Räubern einhän¬<lb/>
digen, sondern erhielten uoch überdies eine tüchtige Tracht Prügel, welche in<lb/>
den Gesichtern und Geberden der Gesellschaft die unverkennbarsten Spuren zurück¬<lb/>
gelassen. Wir hatte» also die günstigste Aussicht anf ein höchst romantisches<lb/>
Abenteuer vor uns! Die einzige Hoffnung unsres nicht minder besorgten Con-<lb/>
ducteurs war, in der nächstell Poststation gerichtlichen Schutz anzusprechen, und<lb/>
wir verfügten uns daher gleich nach unsrer Ankunft zum Postmeister und mit<lb/>
Diesem zum Chef der Gendarmerie. Aber anstatt aller Hilfe erhielten wir die<lb/>
Antwort, daß sich nur zwei berittene Gendarmen in der Stadt befänden, und<lb/>
daher von einer Escorte gar keine Rede sein könne!! &#x2014;- Mr. Black war schon ganz<lb/>
trostlos, als ich erfuhr, daß das Städtchen Oestreichische Besatzung habe. Ich<lb/>
begab mich sogleich zum Commandanten, und erhielt auf mein Allsuchen mit der<lb/>
herzlichsten, echt Oestreichischen Zuvorkommenheit eine Begleitung vou einigen<lb/>
Jnfanteristen, die sich, Jeder mit «0 Patronen bespickt, zu uns in den Wagen<lb/>
postirten. Gegen Mitternacht kamen wir nach dem gefürchteten Loretto, dem be¬<lb/>
rühmten Wallfahrtsort, wo einst Ferdinand l&gt;, vor dem Bildnisse der heiligen<lb/>
Jungfrau das feierliche Gelübde der Ketzerbekämpfnng ablegte, zu welcher ihn<lb/>
der Segen Clemens V&gt; &gt; &gt;. noch mehr befeuerte. &#x2014; Kaum hatte unser Wagen vor<lb/>
dem Posthause angehalten, als sich trotz der späten Nachtstunde mehrere gegen¬<lb/>
überliegende Kaufladen öffneten, und statt den umsonst erwarteten Räubern kamen<lb/>
uns alte Weibsgestalteu entgegen, welche Rosenkränze und Marienbildlein zum<lb/>
Verkaufe anboten. Hier verkauft man alle Sorten Heiligen. &#x2014; In Ancona ver¬<lb/>
ließ uns am nächsten Morgen unsre Oestreichische Sauvegarde ---- obschon die<lb/>
Gefahr noch nicht ganz vorüber war, indem gerade zu- jener Zeit Passadore rü<lb/>
Forli und Jmola sein berühmtes Unwesen trieb. &#x2014; Schon aus der ganzen Reise<lb/>
war es mir eine auffallende Erscheinung, in vielen Städten, die wir passirten,<lb/>
die Worte: &#x201E;Vivg, ?W Ma&gt; &gt;" fast an jedem Hause zu lesen,' und ich hielt es<lb/>
für einen untrüglichen Beweis der großen Shmpathien dieser Bewohner für de»<lb/>
heiligen Bater. Als wir aber jetzt durch Faenza fuhren, sah ich den Namen<lb/>
der Grisi in gleicher Weise auf alle Mauern geschrieben. Es scheint daher in<lb/>
der Romagna die eigenthümliche Sitte zu herrschen, den Namen jedes gefeierten<lb/>
Durchziehenden, ob Papst oder Tänzerin, all die Wand zu malen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] Bevollmächtigten wieder anfragen zu lassen. Ich rechne gar nicht mehr ans die Zurückgabe, und finde mich vielmehr geschmeichelt, daß zwei Brochüren aus mei¬ nen profanen Fingern in die Hände Sr. Heiligkeit und die Geheimbibliothek des Vaticans gewandert sind." Auf der Straße von Tolentino nach Macerata begegneten wir dem Eil¬ wagen ans Ancona auf seiner Reise nach Rom, dessen Condnctenr uns mit Herz¬ klopfen und blntspuriger Nase von dem Raubanfall erzählte, den er in der vorher¬ gegangenen Nacht in der Nähe von Se. Loretto auszustehen hatte. Die armen Reisenden mußten nicht nur ihre sämmtlichen Baarschaften den Räubern einhän¬ digen, sondern erhielten uoch überdies eine tüchtige Tracht Prügel, welche in den Gesichtern und Geberden der Gesellschaft die unverkennbarsten Spuren zurück¬ gelassen. Wir hatte» also die günstigste Aussicht anf ein höchst romantisches Abenteuer vor uns! Die einzige Hoffnung unsres nicht minder besorgten Con- ducteurs war, in der nächstell Poststation gerichtlichen Schutz anzusprechen, und wir verfügten uns daher gleich nach unsrer Ankunft zum Postmeister und mit Diesem zum Chef der Gendarmerie. Aber anstatt aller Hilfe erhielten wir die Antwort, daß sich nur zwei berittene Gendarmen in der Stadt befänden, und daher von einer Escorte gar keine Rede sein könne!! —- Mr. Black war schon ganz trostlos, als ich erfuhr, daß das Städtchen Oestreichische Besatzung habe. Ich begab mich sogleich zum Commandanten, und erhielt auf mein Allsuchen mit der herzlichsten, echt Oestreichischen Zuvorkommenheit eine Begleitung vou einigen Jnfanteristen, die sich, Jeder mit «0 Patronen bespickt, zu uns in den Wagen postirten. Gegen Mitternacht kamen wir nach dem gefürchteten Loretto, dem be¬ rühmten Wallfahrtsort, wo einst Ferdinand l>, vor dem Bildnisse der heiligen Jungfrau das feierliche Gelübde der Ketzerbekämpfnng ablegte, zu welcher ihn der Segen Clemens V> > >. noch mehr befeuerte. — Kaum hatte unser Wagen vor dem Posthause angehalten, als sich trotz der späten Nachtstunde mehrere gegen¬ überliegende Kaufladen öffneten, und statt den umsonst erwarteten Räubern kamen uns alte Weibsgestalteu entgegen, welche Rosenkränze und Marienbildlein zum Verkaufe anboten. Hier verkauft man alle Sorten Heiligen. — In Ancona ver¬ ließ uns am nächsten Morgen unsre Oestreichische Sauvegarde ---- obschon die Gefahr noch nicht ganz vorüber war, indem gerade zu- jener Zeit Passadore rü Forli und Jmola sein berühmtes Unwesen trieb. — Schon aus der ganzen Reise war es mir eine auffallende Erscheinung, in vielen Städten, die wir passirten, die Worte: „Vivg, ?W Ma> >" fast an jedem Hause zu lesen,' und ich hielt es für einen untrüglichen Beweis der großen Shmpathien dieser Bewohner für de» heiligen Bater. Als wir aber jetzt durch Faenza fuhren, sah ich den Namen der Grisi in gleicher Weise auf alle Mauern geschrieben. Es scheint daher in der Romagna die eigenthümliche Sitte zu herrschen, den Namen jedes gefeierten Durchziehenden, ob Papst oder Tänzerin, all die Wand zu malen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/388>, abgerufen am 04.07.2024.