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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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anSweichbaren Kampfe des Dogma's mit der Vernunft endlich in unzählige Glan-
benSsebattirnngen sich auflöse", und so zum Mörder an sich selber werden! Die
politische Verwirrung des Römischen Staates wird nur dazu beitragen, diese für
jeden Gebildeten höchst schmerzliche Katastrophe zu beschleunigen. Sie wissen,
wir Engländer sind leine Freunde von Republiken und staatlichen Umwälzungen.
Zwar gilt auch uus die Freiheit als das erste Lebenselement -- aber wir wollen,
um sie sicherer und dauernder zu genießen, daß selbst die umfassendsten Reformen
nnr auf dem Wege des Gesetzes ausgeführt werden. Ich erblicke daher: in dem
gewaltsame>l Umsturz der gegenwärtigen Regierungsgewalt, in der Gründung einer
Römischen Republik, durchaus kein Heil für die Zukunft. Man kauu wol repu¬
blikanische Gesetze schaffen, aber nicht die gegenwärtige Nation für dieselben
tauglich machen. Das feurige Blut der Italiener, die große Unwissenheit der
Masse bedarf eugere Grenzen des Regicrnugsantheils, als sie ein demokratisches
System vorschreibt oder duldet."

"Sie haben allerdings Recht", erwiderte ich, "daß Revolutionen gemeini¬
glich einem Lande mehr Wunden schlagen als heilen; -- aber in einem Staate,
wo Unbehagen und Unzufriedenheit einen solchen Höhegrad erreicht, wo ein alter,
verknöcherter Staatsorganismus alle Symptome der Fäulniß und Zersetzung nu
sich trägt, ist an eine Reform ans friedlichem Wege wol nicht zu denken, und die
tiefgebeugte Bevölkerung erblickt in der Revolution das einzige Mittel, sich ans
diesem unerträglichen Zustande mit Einem Male zu befreien! Statt die schwan¬
kende Menge durch die Förderung materieller Interessen für sich zu gewinne",
geschieht gerade Alles, um ihren Erwerb zu erschweren und zu verringern. Rom
z. B. ernährt sich hauptsächlich durch seine Vergangenheit, d. h. durch die zahl¬
reichen Fremden, welche aus allen Weltgegenden herbeiströmen, die herrliche"
Kunstschätze dieser einzigen Stadt zu bewundern und zu studiren. Die Regierung
thut alles Mögliche, um durch die schärfsten Polizeimaßregel" de" Vergnügnngs-
reisenden zu verscheuchen; die Staatslasten werden dnrch die Erhaltung zwei
fremder Armee" größer und unerschwinglicher, und die Staatsverwaltung dadurch
nur begehrlicher. Man fragt nicht mehr, wie viel man vom Bürger fordern
dürfe, souderu wie viel man ihm lassen müsse! Sie wissen, wie die verschieden¬
sten Kreise, ja selbst die bezahlten Diener des Papstes, über die Reformversuche
der kurzen Mazzini'scheu Verwaltung mit der größten Freude und Vorliebe sprä¬
che"*); Sie haben gleich mir erfahren, wie der offene Haß gegen die Regierung
noch von jenem gegen die Franzosen übertroffen wird -- und es darf daher gar
nicht Wunder nehmen, wenn man anfängt, selbst die traurigste Ungewißheit der



') Namentlich machte das Haiti in Angriff genommene Project der provisorischen !>!egicrnng.
die Häuserreihe zwischen der Engelsinirg und dem Petersplcche wegzureißen, und aus die!"
schmächtige" Znfaln't einen entsprechenden prachtvollen Plaj> zu schaffen, allenihalden den g>">-
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anSweichbaren Kampfe des Dogma's mit der Vernunft endlich in unzählige Glan-
benSsebattirnngen sich auflöse», und so zum Mörder an sich selber werden! Die
politische Verwirrung des Römischen Staates wird nur dazu beitragen, diese für
jeden Gebildeten höchst schmerzliche Katastrophe zu beschleunigen. Sie wissen,
wir Engländer sind leine Freunde von Republiken und staatlichen Umwälzungen.
Zwar gilt auch uus die Freiheit als das erste Lebenselement — aber wir wollen,
um sie sicherer und dauernder zu genießen, daß selbst die umfassendsten Reformen
nnr auf dem Wege des Gesetzes ausgeführt werden. Ich erblicke daher: in dem
gewaltsame>l Umsturz der gegenwärtigen Regierungsgewalt, in der Gründung einer
Römischen Republik, durchaus kein Heil für die Zukunft. Man kauu wol repu¬
blikanische Gesetze schaffen, aber nicht die gegenwärtige Nation für dieselben
tauglich machen. Das feurige Blut der Italiener, die große Unwissenheit der
Masse bedarf eugere Grenzen des Regicrnugsantheils, als sie ein demokratisches
System vorschreibt oder duldet."

„Sie haben allerdings Recht", erwiderte ich, „daß Revolutionen gemeini¬
glich einem Lande mehr Wunden schlagen als heilen; — aber in einem Staate,
wo Unbehagen und Unzufriedenheit einen solchen Höhegrad erreicht, wo ein alter,
verknöcherter Staatsorganismus alle Symptome der Fäulniß und Zersetzung nu
sich trägt, ist an eine Reform ans friedlichem Wege wol nicht zu denken, und die
tiefgebeugte Bevölkerung erblickt in der Revolution das einzige Mittel, sich ans
diesem unerträglichen Zustande mit Einem Male zu befreien! Statt die schwan¬
kende Menge durch die Förderung materieller Interessen für sich zu gewinne»,
geschieht gerade Alles, um ihren Erwerb zu erschweren und zu verringern. Rom
z. B. ernährt sich hauptsächlich durch seine Vergangenheit, d. h. durch die zahl¬
reichen Fremden, welche aus allen Weltgegenden herbeiströmen, die herrliche"
Kunstschätze dieser einzigen Stadt zu bewundern und zu studiren. Die Regierung
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reisenden zu verscheuchen; die Staatslasten werden dnrch die Erhaltung zwei
fremder Armee» größer und unerschwinglicher, und die Staatsverwaltung dadurch
nur begehrlicher. Man fragt nicht mehr, wie viel man vom Bürger fordern
dürfe, souderu wie viel man ihm lassen müsse! Sie wissen, wie die verschieden¬
sten Kreise, ja selbst die bezahlten Diener des Papstes, über die Reformversuche
der kurzen Mazzini'scheu Verwaltung mit der größten Freude und Vorliebe sprä¬
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noch von jenem gegen die Franzosen übertroffen wird — und es darf daher gar
nicht Wunder nehmen, wenn man anfängt, selbst die traurigste Ungewißheit der



') Namentlich machte das Haiti in Angriff genommene Project der provisorischen !>!egicrnng.
die Häuserreihe zwischen der Engelsinirg und dem Petersplcche wegzureißen, und aus die!"
schmächtige» Znfaln't einen entsprechenden prachtvollen Plaj> zu schaffen, allenihalden den g>">-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/386>, abgerufen am 04.07.2024.